Tirschenreuther Landrat als Krisenmanager (2): Kampf ums Krankenhaus

Tirschenreuth. Vom Regen in die Traufe: Kaum ist die Pandemie zu Ende, muss sich Landrat Roland Grillmeier mit den Folgen des Ukraine-Krieges auseinandersetzen. Und dann zeigt auch noch Karl Lauterbachs Klinikreform die Grenzen der Finanzierbarkeit kleiner Krankenhäuser auf.

Ernste Mienen (von links): Betriebsratsvorsitzender Region Nord Roland Gleißner, Tirschenreuths Landrat Roland Grillmeier, KNO-Vorstand Michael Hoffmann, OB Jens Meyer und Neustadts Landrat Andreas Meier. Foto: Jürgen Herda

„Wir stehen bei der Integration vor neuen Herausforderungen“, beschreibt Landrat Roland Grillmeier die Folgen von Russlands Krieg in der Ukraine für den Landkreis. Nach anfänglich zögerlichen Sanktionen stellt Putin selbst die Gaslieferungen ein.

Wenig später wird die umstrittene Gaspipeline Nordstream 2 durch Sprengungen nachhaltig beschädigt. Deutschland muss um alternative, teure Stromimporte betteln. Die Inflation macht das Leben im Land teurer, Unternehmen geraten in Schieflage, Existenzen sind bedroht.

Lauterbachs Reform

Mittendrin: Die Kommunalpolitik, die mit den Folgen der Krisen umgehen muss. Anders als in der Niedrigzinsphase geht jetzt nämlich auch dem Bund das Geld aus. Dabei beschließt die Regierung eine kostspielige „Zeitenwende“, um den desaströsen Zustand der Bundeswehr angesichts der aggressiven Politik des Kremls einigermaßen zu reparieren. Die Bundesregierung muss sparen, es wird kontrovers gestritten, was man sich noch leisten kann und will.

Was sich zumindest Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nicht mehr leisten will, ist ein aus seiner Sicht ineffektives und defizitäres Krankenhaussystem. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Kleine Häuser mit wenig Expertise bei komplexen Operationen sollen geschlossen oder zu ambulanten Zentren umgewandelt, auch die Notaufnahmen sollen zentral betrieben werden. Und wieder ist Tirschenreuth betroffen und der Landrat steht im Feuer der Kritik.

Kommunen zahlen die Zeche

„Seit ich im Amt bin, versuchen wir die Krankenhauskrise in den Griff zu bekommen“, beschreibt Grillmeier die Lage. „Die Kliniken Nordoberpfalz (KNO) sind bereits seit 2020 ein Sanierungsfall, in die allein unser Landkreis 25 Millionen Euro investiert hat – jetzt müssen wir in den nächsten drei Jahren nochmals 17 Millionen Euro nachschießen.“

Vom Bund fehlten Ende 2023 rund 10 Millionen Euro, die eingeklagt werden sollen. „Allein bei den bayerischen Krankenhäusern liegt der Schuldenstand Ende 2023 bei 1,8 Milliarden Euro.“ Geld, das eigentlich vom Bund und den Kassen kommen müsste. „Lauterbach lässt das System ausbluten, weil er seine Reform durchdrücken will“, kritisiert der Landrat. „Der Streit zwischen Bund und Ländern zieht sich und zwingt uns zum Handeln.“

Landrat Roland Grillmeier übergibt kleine Präsente an die Mitarbeiter und hebt das Engagement und die Leistung der KNO hervor. Bild: Kliniken Nordoberpfalz

Entbinden mit angeschlossener Kinderklinik

Dabei bezweifelt kaum jemand die Notwendigkeit der Reform. „Klar ist, jeder will dort behandelt werden, wo am meisten Erfahrung vorhanden ist“, erklärt Grillmeier. Das beschlossene Transparenzgesetz würde diesen Trend weiter verstärken. Qualitätsvorgaben und Mindestzahlen bei Operationen tragen ein Übriges dazu bei. Sei es früher noch üblich gewesen, im Tirschenreuther Krankenhaus zu entbinden, sei für viele junge Familien heute wichtig, dass – wie in Weiden – eine Kinderklinik angeschlossen ist.

„Die Kommunen zahlen die Zeche für die Reform, weil sie von Bund und Ländern schlecht abgestimmt wird und bis zur ständig verzögerten Umsetzung trotz explodierender Kosten kaum mehr Geld fließt“, ärgert sich der Landrat. „Den Bürgern leuchtet aber nicht ein, warum sich kleine Häuser umstellen müssen, was längere Wege für die Patienten bedeutet.“ Landkreise und Kommunen hätten aber nicht die Mittel, um die medizinische Versorgung vor Ort aufrechtzuerhalten: „Weder in puncto Vorgaben, Personal noch Kosten.“

5000 Bürgerinnen und Bürger gingen im Januar gegen die Verkleinerung der Krankenhäuser im Landkreis Tirschenreuth auf die Straße. Foto: Martin Zimmer

Von Berlin und München in Stich gelassen

Grillmeier ist bewusst, dass diese Einschnitte niemandem gefallen können. „Mir wäre es natürlich auch lieber, ich könnte sagen, wir können unsere Krankenhäuser in bisheriger Form weiter betreiben, aber dies wird kaum einem Träger gelingen.“ Wer ihm vorwerfe, es nicht versucht zu haben, sei unfair. Zusammen mit MdL Tobias Reiß (CSU) und auch anderen politischen Vertretern sei man zu Pontius und Pilatus gepilgert, um zu erhalten, was zu erhalten ist.

Sämtliche Fraktionen und Abgeordnete habe man um Unterstützung gebeten, ein Gespräch mit der Parlamentarischen Staatssekretärin Sabine Dittmar im Bundesgesundheitsministerium geführt. Außerdem habe man mehrere Verhandlungen im bayerischen Gesundheitsministerium mit dem Leiter der Abteilung Krankenhausversorgung, Herwig Heide, geführt und an der Sitzung der Bayerischen Krankenhausgesellschaft teilgenommen.

Herwig Heide, Leiter Abteilung Krankenhausversorgung, Landrat Roland Grillmeier, MdL Tobias Reiß und ein Mitarbeiter des Ministeriums (von links) nach dem ersten Abstimmungsgespräch in München. Foto: Landratsamt Tirschenreuth

Man hätte mehr erklären müssen

Am Schluss steht die bittere Erkenntnis: Man habe der Reform der Kliniken Nordoberfalz (KNO) allein schon aus wirtschaftlichen Gründen zustimmen müssen, auch weil man von Berlin und München im Stich gelassen worden sei. „Wir haben ein Jahr lang nichts gehört vom Gesundheitsminister“, sagt Grillmeier. „Bisher konnte uns aber auch niemand erklären, wie man die bisherige Versorgung anders aufrechterhalten könnte.“ Nur zu sagen, es müsse alles so bleiben, wie es ist, werde nicht reichen.

Nicht optimal sei die Kommunikation gelaufen, räumt er ein. Die bayerischen Landräte hätten bereits im Mai 2023 vor den Folgen der Reform gewarnt. Er selbst habe im Oktober 2023 zusammen mit mehreren Bürgermeistern an der Protestaktion „Kliniken in Not“ teilgenommen. „Das hätte man nutzen sollen, um die Bürger mitzunehmen und zu erklären, was stattdessen kommen wird.“ Auch der Freistaat müsse seine Krankenhausplanung besser erklären, denn es sei klar: „Nicht mehr alle Krankenhäuser werden alles machen können.“

Dem Haus Selb im Kliniken-Verbund Fichtelgebirge geht es ähnlich wie dem Krankenhaus Tirschenreuth. Foto: Klinikum Fichtelgebirge

Notfallversorgung ist gewährleistet

Dennoch: Der gesetzlichen Grundlage entsprechend sei die Notfallversorgung im Landkreis auch nach Schließung der Tirschenreuther Notaufnahme gewährleistet. „Die Notfallversorgung mit den Häusern Weiden und Marktredwitz funktioniert, wir stehen im engen Austausch mit Marktredwitz.“ Natürlich komme es zu Spitzen und die Auslastung sei gestiegen, da auch die Notaufnahme in Selb heruntergefahren werden musste.

„Aber wir werden im September gemeinsam erläutern, wie das läuft“, kündigt Grillmeier an. Ein großer Dank gelte allen engagierten Akteuren im Rettungsdienst, den Notärzten und allen Mitarbeitern in den Krankenhäusern. „Sie garantieren, dass die Menschen in der Region gut versorgt werden, trotz der schmerzhaften Veränderungen.“

Von wegen in Tutzing alles besser

In dieser Situation hätte sich Landrat Roland Grillmeier von den Kritikern ein besseres Miteinander gewünscht. Natürlich sei die gefundene Lösung nicht ideal, aber auch kein Grund zur Panikmache. Und schon gar nicht zur Verbreitung von Fake-News. So habe einer der federführenden Initiatoren der Initiative „Kliniken retten“, Notarzt Bertram Völkl, behauptet, die Region Tutzing in Oberbayern habe in einem 20-Kilometer-Radius fünf funktionsfähige Krankenhäuser. „Was haben die dort richtig gemacht?“

Dem widerspricht die Aussage des zuständigen Starnberger Landrats Stefan Frey diametral. Bei einer Bürgerversammlung zur Krankenhausstrukturreform im Juni stellte er laut Münchener Merkur fest: „Aktuell hat der Landkreis noch vier Zentren für Akut- und Notfallversorgung. Das wird künftig nicht mehr so sein.“ Ziel der Reform sei es, Kliniken zu zentralisieren und zu reduzieren. Künftige Schwerpunktversorger mit allen Fachrichtungen unter einem Dach müssten mindestens 500 Betten haben.

Starnbergs Landrat Frey; „Alarmstufe Rot“

Die Starnberger Kliniken hätten im Verbund von vier Kliniken derzeit 620 Betten. Leistungen sollen künftig eher ambulant als stationär erbracht werden. Aufgrund von Inflation, Pflegekräftemangel, Rückgang der Patientenzahlen und geringerer Zuschüsse vom Bund sieht Frey die „Alarmstufe Rot“. Die meist kommunalen Träger der Krankenhäuser müssten hohe Defizite ausgleichen. „Die Zentralisierung gefährdet vor allem die Akut- und Notfallversorgung in ländlichen Gebieten“, warnte der Landrat. „Die Notfallrettung muss komplett neu aufgestellt werden.“

Was für den reichen Landkreis Starnberg zutreffe, gelte für Tirschenreuth erst recht: „Einfach zu sagen, ,der Landkreis muss zahlen‘, kann auf Dauer nicht funktionieren“, sagt Grillmeier. „Wir sind an der Grenze des Leistbaren, und die Städte und Gemeinden sind auch nicht länger bereit, noch mehr Geld an den Landkreis abzugeben.“ Man stecke in einem Dilemma. „Deshalb führt kein Weg an einer zentralen Versorgung vom Standort Weiden und auch Marktredwitz aus vorbei.“ Das führe leider zu weiteren Wegen. „Aber es gefährdet deshalb noch lange keine Leben.“

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1 Kommentare

Deejan Kob - 02.09.2024

Grundsätzlich darf Wirtschaftlichkeit bei Krankenhäusern/Kliniken keine Rolle spielen. Defizite muss der Staat ausgleichen. Punkt ! Außerdem gehören Einrichtungen der Allgemein- bzw. Grundversorgung nicht in die Hand privater Betreiber. Dazu gehört u.a. alles (außer niedergelassener Ärzte) im Bereich Gesundheitsversorgung (Kliniken, Pflegeeinrichtungen usw.), Verkehrswege, Energie- und Wasserversorgung, Abfallentsorgung, Abwasserbeseitigung sowie Bildungs- und Erziehungseinrichtungen.