Tötungsprozess: “Ich war es nicht”

Weiden. Für die Angeklagte ginge es um viel, macht Landgerichtspräsident Walter Leupold deutlich. Gründe für eine Schuldunfähigkeit sehe er momentan eher nicht. Auch wenn die Anklage auf Tötung lautet, kommt eine Verurteilung wegen Mordes in Betracht. Das Mordmerkmal “grausam” könnte vorliegen. Die Angeklagte bestreitet aber, das Neugeborene mit Papierhandtüchern erstickt zu haben.

Von Benedikt Grimm

Steffi D. sagt, sie habe das Kind in die Papierhandtücher gebettet und im Papierkorb abgelegt. Später, als sie sich von einem Bekannten ins Krankenhaus fahren ließ, habe sie es abholen wollen. Am ersten Verhandlungstag des Prozesses vor der Schwurgerichtskammer gilt das Hauptaugenmerk von Vorsitzendem Richter Walter Leupold der Klärung des Geschehens in der Kundentoilette des Verbrauchermarktes.

Die Angeklagte bricht immer wieder in Tränen aus, als sie von der Geburt und dem Verhältnis zu ihrer Familie und dem Vater des kleinen Mädchens berichtet. In der Nacht zuvor habe Steffi D. erste Wehen verspürt. Am Vormittag des 25. April fährt sie mit ihrem Vater und ihren zwei Kindern in die Kreisstadt zum Einkaufen. Gegen halb elf Uhr, als sie mit ihrer Familie den Supermarkt betritt, habe sie zur Toilette gemusst. Ihr zweijähriger Sohn wollte mit. Dass die Geburt unmittelbar bevorstand, habe sie nicht bemerkt. In der Toilette habe sie nicht mehr aufstehen können, ihr Bauch habe sich verkrampft und sie müsse wohl unbewusst zu pressen begonnen haben. Als sie sich erhebt, sieht sie zwischen ihren Beinen die Nabelschnur. Sie reißt sie mit den Händen ab.

Keine genaue Erinnerung

Der Säugling habe kopfüber im WC-Becken gelegen. In welcher Reihenfolge sie dann weiter vorgegangen ist, daran könne sie sich nicht mehr erinnern. Sie habe versucht dass ihr Sohn möglichst nichts mitbekommt. Auf dem Boden sei überall Blut gewesen. Das habe sie mit Papierhandtüchern aufgewischt. Den Müllbeutel habe sie mit Papiertüchern gepolstert, den Säugling darauf in der “stabilen Seitenlage” gebetet. Bevor sie die Kundentoilette verlassen hat, habe sie den unverschlossenen Müllbeutel im Papierkorb abgelegt und einen weiteren Beutel darüber eingehängt, um den Säugling zu verstecken. Wie die Papierhandtücher, die bei der Obduktion der Leiche gefunden wurden, in den Mund des Säuglings kamen, könne sie sich nicht erklären.

Prof. Dr. Stephan Seidl, der Rechtsmediziner, der die Leiche des kleinen Mädchens obduziert hat, spricht von einer regelrechten Tamponade, die nicht auf einmal entfernt werden konnte. Der Papierklumpen habe die Form der Mundhöhle nachgebildet. “Es ist eingequetscht worden”, bestätigt Prof. Dr. Seidl auf Nachfrage.

Ich weiß dass es beim Strafmaß berücksichtigt werden würde, wenn ich gestehe. Aber ich kann es nicht gestehen, weil ich es nicht gewesen bin

beteuert Steffi D. nach dem Bericht des Gerichtsmediziners und einer Pause zur Beratung mit ihrem Verteidiger.

Leupold spricht eindringlich auf die 21-Jährige ein. Dass ein Fremder in die Toilette gegangen sei und das Papier in den Mund des Säuglings gestopft hätte, sei äußerst abwegig. Oberstaatsanwalt Rainer Lehner spricht von der unvorhergesehenen Situation, dass die Metzgereifachverkäuferin ausgerechnet an ihrem Arbeitsplatz das Kind zur Welt bringt, wo sie doch zuvor die Schwangerschaft vor ihren Kollegen und ihrer Familie verheimlicht habe. “Ich frage nochmal: Hatten Sie Sorge, dass das Kind schreit?”, frägt der Staatsanwalt die Angeklagte.

Alle Umstände sprechen dafür, dass nur Sie es gewesen sein können

bekräftigt Lehner. Steffi D. bleibt dabei. “Nein”, sie sei es nicht gewesen.

Steffi D. Totschlag Säugling
Die Angeklagte Steffi D. mit ihrem Verteidiger Christoph Scharf – am ersten Prozesstag vor dem Schwurgericht Weiden waren beinahe alle Zuhörerplätze besetzt. Bild: B. Grimm
DSC_2974

* Diese Felder sind erforderlich.