Enkeltrick: Betrüger scheitern an cleverem Weidener

Weiden. Damit hatten die Damen nicht gerechnet. Zwei Enkeltrick-Betrügerinnen reisten im März 2022 nach Weiden an, um die Beute abzuholen. Dabei waren sie längst durchschaut.

Justiz Weiden Landgericht Prozess Enkeltrick
Die beiden Angeklagten mit ihren Verteidigern (von links) Dominik Polynice aus Düsseldorf, Jürgen Dammeyer aus Hannover und Jan-Hendrik Heinz aus Dortmund. Foto: Christine Ascherl/Oberpfalzecho

Der Sohn (59) eines fast 90-Jährigen war damals zufällig an den Apparat gegangen. Erst dachte er an einen schlechten Scherz. “Dann habe ich geschnallt, dass das ein Fake ist.” Er hörte eine Frau weinen, dann meldete sich eine “Kriminalbeamtin”. Die Story: Seine Nichte habe jemanden tot gefahren, Kaution müsse bezahlt werden. Der Weidener reagierte clever: “Julia? Bist es du?”, habe er gefragt. Die Betrüger seien sofort darauf eingestiegen und sprachen fortan von “Julia”. Tatsache ist: Eine Nichte namens Julia hat die Familie gar nicht.

Der 59-Jährige spielte mit und rief in einer kurzen Telefonpause heimlich die Polizei an. Zwei Stunden später schnappte die Falle zu. Als Übergabeort von 20.000 Euro Bargeld und Schmuck war ein Computerladen am Rehbühl vereinbart worden. Kaum hatte der 59-Jährige einen blauen Stoffbeutel (Inhalt: Eierkartons) an die Abholerin (29) übergeben, stand auch schon die Polizei da. In der Folge nahmen Ermittler auch eine Aufpasserin (26) fest, die im Auto gewartet hatte.

Die Urteile: 3 bzw. 2 Jahre Haft

Dieser gescheiterte Coup bringt die beiden Frauen am Montag vor das Landgericht Weiden. Die 2. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Florian Bauer verurteilt die mehrfach vorbestrafte 26-Jährige zu 3 Jahren Haft wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Betrug. Die bisher straffreie 29-Jährige bekommt 2 Jahre, zur Bewährung ausgesetzt. Zwar sei der Tatbeitrag der Frauen im Gesamtkonstrukt der Banden eher gering, so Bauer. Aber es sei “sehr, sehr verwerflich”, ausgerechnet “vermeintlich Schwache der Gesellschaft” um ihr Geld zu bringen.

Der Sachbearbeiter der Kripo Weiden berichtet, dass Weiden am 16. März 2022 mit Schockanrufen dieser Art regelrecht überzogen wurde. Die Callcenter befanden sich in diesem Fall vermutlich in Düsseldorf und Polen. Abtelefoniert werden Festnetzanschlüsse, die möglichst kurze (alte) Nummern haben. Den Senioren werden Storys von toten Enkeln, kranken Töchtern – oder eben der eingesperrten Nichte erzählt. Hauptsache, keiner kann mehr einen klaren Gedanken fassen und rückt seinen Spargroschen heraus.

Goldbarren für 250.000 Euro bereit zur Übergabe

Viel zu oft geht der Plan auf. Die Aufpasserin (26) im Weidener Fall war eine Woche zuvor schon in Braunschweig dabei. Dort sollte ein betagtes Ehepaar um Gold erleichtert werden. Der Senior stand mit den Goldbarren im Wert von einer Viertelmillion Euro am Eiermarkt mitten in Braunschweig. Als die Abholerin aufkreuzte, verlangte er in letzter Minute einen Ausweis. Die Täter zogen ab.

Was motiviert junge Frauen, sich in den Dienst der Enkeltrick-Mafia zu stellen? Beide Frauen kommen aus dem Ruhrgebiet und kennen sich seit der Kindheit, ebenso die Dritte im Auto, die anderweitig verfolgt wird. Angeheuert habe sie ein Bekannter aus der Kirchengemeinde.

Fröhlicher “Roadtrip” unter Frauen

Die Tour durch Deutschland empfand die 26-Jährige als eine Art “kriminell hinterlegten Roadtrip”, wie es Verteidiger Jan-Hendrik Heinz (Dortmund) formuliert. Sie beschreibt die ausgelassene Stimmung im Auto der drei Frauen: “Wir verlassen Krefeld, wir haben ein Auto, rauchen ein bisschen Gras, übernachten in Hotels und machen nachts ein wenig Party.” Als Lohn waren ihnen 6 Prozent der Tatbeute versprochen, vorab gab es 1500 Euro für Spesen. Man habe viel gelacht im Auto, sagt die 29-Jährige aus.

Vor Ort sah die Sache dann angeblich anders aus. “Ich hatte kein gutes Gefühl dabei”, schildert die 29-Jährige. Sie sollte vor dem Computergeschäft einen älteren Herrn ansprechen und sich als Bote von “Herrn Grünwald” ausgeben. Sollte sie geschnappt werden, sollte sie so wenig sagen wie möglich: Dass sie nicht gewusst habe, was sie da abhole; dass sie die Auftraggeber nur von Facebook oder Instagram kenne.

Brief aus dem Gefängnis sorgt für Unbehagen

Der 59-Jährige, der die Angeklagten auffliegen ließ, fühlt sich im Nachgang nicht mehr wohl. Er bekam einen Brief der 26-Jährigen aus dem Gefängnis, in dem sie sich entschuldigte. Sie schloss mit “Gott schütze dich”. Der ehemalige Gastronom fand dies eher bedrohlich, denn vertrauensbildend. Sein Unbehagen geht soweit, dass er einen Schockanruf nicht mehr anzeigen würde: “Nächstes Mal leg’ ich einfach auf.”

* Diese Felder sind erforderlich.