Überfall auf Uhren Heinz 2018: Das letzte Urteil ist gesprochen

Weiden. Das letzte Urteil nach dem Überfall auf Uhren Heinz im Jahr 2018 ist gesprochen. Die 1. Strafkammer am Landgericht Weiden verhängt zwei Jahre Haft auf Bewährung. Der Angeklagte hat sich in der Verhandlung als kleines Rädchen im Getriebe erwiesen. Noch heute will er zurück nach Litauen aufbrechen.

Letzte Abstimmung mit den Vorführbeamten. Der Angeklagte (links) verlässt am Mittwoch das Gericht als freier Mann. Foto: Christine Ascherl

Der Angeklagte lebt seit der Tat ein unbescholtenes Leben in seiner Heimat. In dieses Leben darf er zurückkehren. Das Landgericht Weiden verurteilt ihn am Mittwoch zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Sprich: Noch im Gerichtssaal kommen Hand- und Fußfesseln ab. Der 31-Jährige packt in der Justizvollzugsanstalt Weiden seinen Koffer. Er plant die sofortige Rückreise per Bus nach Litauen: zurück zu Arbeit, Wohnung und dem vierjährigen Sohn.

Festnahme auf dem Weg nach Kanada

Der 31-Jährige war im Januar 2025 auf dem Flughafen Frankfurt festgenommen worden. Er war auf dem Weg nach Kanada für eine sechsmonatige Montage-Arbeit. Der Zwischenstopp auf einem deutschen Flughafen wurde ihm zum Verhängnis. Im Computer der Bundespolizei ploppte der Haftbefehl aus Weiden in der Oberpfalz auf. Seither saß der Mann in Untersuchungshaft.

Die Strafkammer unter Vorsitz von Richter Peter Werner bekam in den beiden Verhandlungstagen den Eindruck eines redlichen Mannes, der 2017 – erstmalig und einmalig – in kriminelle Kreise geriet. Eine Gruppierung in Litauen warb damals junge Leute für Raubüberfälle in Deutschland an, teilweise Jugendliche. “Sie wurden sehr ahnungslos gehalten und möglicherweise bedroht”, so die Überzeugung des Gerichts. Nur der Aufpasser und der Fahrer – die Ältesten der Sechs – waren stärker eingebunden (und wurden mit 4 Jahren 10 Monaten bzw. 3 Jahren auch härter bestraft).

Sein Tatbeitrag bestand darin, dass er für 15 Sekunden dieses Geschäft betreten hat und es verlassen hat, ohne etwas zu tun.

Der “Job” des jetzt Angeklagten wäre gewesen, mit dem Brecheisen die Vitrinen zu zerschlagen und die Beute in eine Plastiktüte zu stecken. So weit kam es bekanntlich nicht: Der 62-jährige Inhaber warf die Bande resolut aus dem Laden. Kurzum: “Der Tatbeitrag des Angeklagten bestand darin, dass er für 15 Sekunden dieses Geschäft betreten hat und es verlassen hat, ohne etwas zu tun”, fasst es Richter Werner zusammen.

Das Gericht verhängt die Strafe, die der Litauer bekommen hätte, wenn er schon 2019 mit auf der Anklagebank gesessen hätte – mit einem Abzug von etwa sechs Monaten. Werner begründet das mit der langen Dauer, bis es jetzt zum Prozess kam: “Warum auch immer die Strafverfolgungsbehörden keinen internationalen Haftbefehl erwirkt hatten.” Zugunsten des Angeklagten wertet das Gericht sein “vorbehaltloses Geständnis”: “Er ist uns keine Antworten schuldig geblieben, er hat auch nichts beschönigt.”

Verteidiger: “Brave Jungs ohne kriminelle Karriere”

Das Gericht bleibt damit weit unter der Forderung von Staatsanwältin Anja Ackermann auf 3,5 Jahre wegen versuchten Raubs und gefährlicher Körperverletzung. Sie betont die erhebliche kriminelle Energie: “Das war keine spontane Tat.” Dazu kamen die echt aussehenden Waffenattrappen (eine mit Wachs ausgegossene Handgranate und eine Softair-Pistole), die mitgeführt wurden.

Verteidiger Maximilian Schewe sieht sich indessen bestätigt. Er spricht von “braven Jungs” ohne kriminelle Karriere. Die Hintermänner in Litauen hätten die jungen Männer für die Überfälle vorgeschickt, angeworben mit der Aussicht auf legale Jobs. Er wolle “nicht auf die Tränendrüse drücken”, so Schewe: “Aber da wurde Druck gemacht.”

Das letzte Wort des Angeklagten: “Ich möchte ein tugendhaftes Leben führen und meinen Sohn zu einem tugendhaften Menschen erziehen.” Der Verteidiger legt ein Dutzend Fotos vom letzten Sommer vor, die Vater und Sohn zeigen.

Einer der Mittäter sagt als Zeuge aus

Geholfen hat am Mittwoch wohl auch die Aussage des letzten Zeugen. Es handelt sich dabei um einen der drei Minderjährigen, die damals an der Tat beteiligt waren. Der damals 17-Jährige ist als Zeuge geladen, weil er seinen Wohnsitz inzwischen in Deutschland hat. Der 25-Jährige arbeitet im IT-Bereich, spricht fließend Deutsch. “Ich habe mir hier ein Leben aufgebaut.” Die Ladung als Zeuge hat ihn eiskalt erwischt. “Ich werde von der Vergangenheit eingeholt”, sagt er vor der Verhandlung.

Vor Gericht berichtet er noch einmal, wie die Gruppe das Geschäft betrat, wie er der Besitzerin das Pfefferspray ins Gesicht sprühte, wie er vor dem Ladenbesitzer floh. “Ich habe die letzten acht Jahre versucht, das alles zu vergessen.”

Das Phänomen “Jugendbanden aus Litauen”

Ab 2016 häuften sich in Deutschland Überfälle durch litauische Jugendbanden, hinter denen möglicherweise organisierte Kriminalität stand. Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte damals das Ergebnis einer aufwändigen Recherche (“Nach Deutschland gelockt und zum Stehlen gezwungen”).

Die Recherchen von SZ und WDR hatten ergeben, dass litauische Banden systematisch arbeitslose Jugendliche mit falschen Versprechungen nach Deutschland locken, damit sie hier Diebstähle begehen. Wenn die Jugendlichen aussteigen wollen, würden sie bedroht, geschlagen und erpresst. Ermittler sprachen von einem “System von Gewalt”. Zitiert wurde auch das Caritashilfswerk in Litauen, das von einem “rasanten Anstieg” dieser Fälle sprach.

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