Ungewöhnliches Diebesgut: Mitarbeiter stiehlt 10,9 Tonnen Wolfram-Schrott
Weiden/Tirschenreuth. Das Metall ist schwerer als Blei: Wolfram. Und ungewöhnlich wertvoll. Am Donnerstag stand ein 59-Jähriger aus dem Landkreis Neustadt vor Gericht. Er hat ein Unternehmen um 10,9 Tonnen Wolfram-Schrott bestohlen. Wert: über 112.000 Euro.
Fast 20 Jahre war der ITler im Betrieb tätig. Dann wurde er schwach. Er arbeitete bei einem Logistiker im Landkreis Tirschenreuth, der für seine Kunden auch Recycling von Rohstoffen übernimmt. Unter anderem entsorgte die Firma tonnenweise Wolfram-Späne, ein Abfallprodukt aus der Herstellung von Medizintechnik. Eher zufällig bekam der Systemadministrator mit, was der „Müll“ wert war.
Fünf Jahre lang – von 2018 bis 2023 – zweigte er fortan tonnenweise Wolfram-Schrott ab. Insgesamt 15 Mal brachte er zwischen 250 und 1600 Kilogramm zu einem Entsorgungsbetrieb nach Würzburg und verhökerte es dort. Der Händler zahlte ihm 11.000 Euro pro Tonne. Dem Kunden – einem Medizintechnik-Unternehmen im Landkreis Tirschenreuth – entstand damit der respektable Schaden von mindestens 113.000 Euro.
Was ist Wolfram?
„Wolfram ist ein Metall, so schwer wie Gold, so hart wie Diamant und so hitzebeständig, dass Eisen schon lange kocht, bevor Wolfram schmilzt (Schmelzpunkt: 3422 °C).“ So beschreibt das österreichische Bergbauunternehmen „Wolfram“ das Produkt.
Die Einsatzgebiete seien vielseitig: in Energie- und Lichttechnik, der Raumfahrt, als Schwungmasse, Gegengewicht oder Schwingungsdämpfung in Luftfahrt-, Automobil- und Telekommunikationstechnik genutzt.
Darüber hinaus diene Wolfram als Ersatz für Blei und schirme in der Medizintechnik Strahlung ab. In Verbindung mit Kohlenstoff (als Wolframcarbid) besitzt es außerdem diamantähnliche Härte für Bohrer. Eingesetzt wird es auch in der Waffenindustrie als Munition oder Abwehr.
Der Angeklagte gestand in der ersten Sekunde der Verhandlung. „Herr Richter, ich bin da in was hineingerutscht, ich bin kein schlechter Mensch“, beteuerte der 59-jährige Vater von erwachsenen Kindern. Den Schaden in Höhe von 112.000 Euro hat er bereits zurückgezahlt. Das Geld dafür gab ihm seine Mutter, die dafür eine Immobilie verkaufen musste.
Ein Kommissar der Kriminalpolizei Weiden berichtete über die Ermittlungen. Erst 2022 war einem Mitarbeiter des Medizintechnik-Unternehmens die Unregelmäßigkeit aufgefallen. Ehe der wertvolle Wolfram-Schrott das Gelände verließ, wurde der Container gewogen. Der Wert stimmte nicht mit dem Gewicht auf der Quittung des Entsorgers zusammen. Man fand heraus, dass sich das Material wie von Geisterhand übers Wochenende reduzierte. Die Firma las daraufhin die Statistik für die Zugangs-Transponder der Mitarbeiter aus.
Ein Kilo: ein Würfel von 3,8 mal 3,8 Zentimeter
Der Verdacht richtete sich schnell gegen den Computerfachmann. Er hatte sich sonntags mit seinem Zugangschip auf das Firmengelände eingeloggt. Mit seinem Privat-Pkw fuhr er zur Rampe. Dort befüllte er Pappschachteln mit den Spänen aus dem Container. Dabei kam ihm die Besonderheit von Wolfram zugute: Es braucht nicht viel Platz. Wolfram ist ein extrem dichtes Material. Ein Kilogramm reines Wolfram entspricht einem Würfel von 3,8 mal 3,8 Zentimeter.
Die Kripo startete eine Observation. An einem Sonntag im Juli 2023 erwischte die Polizei den 59-Jährigen auf frischer Tat. Auf dem Rücksitz und im Kofferraum befanden sich Schachteln mit Wolfram-Spänen. Gewicht: 600 Kilogramm. Auch in der Wohnung im Landkreis Neustadt/WN fand sich Diebesgut, außerdem Empfangsquittungen des Würzburger Schrotthändlers.
Das Motiv: „reine Gier“
Der 59-Jährige schrammte am Donnerstag haarscharf an einer Haftstrafe vorbei. Zu seinen Lasten wertete Staatsanwalt Thomas Wosch die „hohe kriminelle Energie“: Über fünf Jahre lang sei der Angeklagte sehr organisiert vorgegangen. „Er hätte wohl bis in alle Ewigkeiten weitergemacht.“ Negativ wertete Wosch auch das Motiv: „reine Gier.“ Er wollte 2 Jahre und 10 Monate Haft, ohne Bewährung.
Verteidiger Matthias Haberl warf das Geständnis und die Wiedergutmachung in die Waagschale. Und ein besonders kriminelles Vorgehen sah der Anwalt nicht: „Er hat letztlich nichts anderes gemacht, als am Sonntag in die Arbeit zu gehen. Er musste nur in den Container hineingreifen.“ Dem Angeklagten ist fristlos gekündigt worden. Er hat inzwischen wieder Arbeit. Der 59-Jährige bat inständig um Bewährung: „Die drei Wochen Untersuchungshaft waren mir eine große Lehre. Man lernt, die einfachen Dinge wieder zu schätzen.“
2 Jahre Haft plus 9000 Euro Geldauflage
Das Schöffengericht mit Richter Hans-Jürgen Schnappauf entsprach der Hoffnung auf Bewährung und verhängte 2 Jahre Haft. „Fast eine Gnadenentscheidung.“ Den fast 60-Jährigen retteten sein bis dato straffreies Leben, das frühe Geständnis, die Wiedergutmachung. Das Gericht brummte dem 59-Jährigen aber eine recht hohe Auflage auf: Er muss 9000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen zahlen.
Der 59-Jährige nahm das Urteil sofort an, es ist damit bereits rechtskräftig.
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