Unsere (Ober-) Bürgermeister (12): Michael Cernys Paukenschlag in Amberg zum 60. Geburtstag
Amberg. Von wegen, unsere Politiker kleben an ihrem Amtssessel: Ambergs Oberbürgermeister Michael Cerny (CSU) kündigt vor seinem 60. Geburtstag am Donnerstag überraschend an, dass nach dieser Periode Schluss ist. Der plötzliche Tod seines Vorgängers gab ihm zu denken.
Man braucht viel Sitzfleisch als Kommunalpolitiker: Am Ende seiner Amtszeit wird Michael Cerny 30 Jahre im Amberger Stadtrat gesessen sein – davon sechs Jahre als dritter, sechs Jahre als zweiter und zwölf Jahre als Oberbürgermeister der ehemaligen Hauptstadt der Oberpfalz.
„24 Jahre sind genug“, hat der Informatiker entschieden, der seinen Lebensunterhalt vor seiner hauptamtlichen Politkarriere bei Siemens verdiente. Das Schicksal seines Vorgängers und Freundes Wolfgang Dandorfer, der im vergangenen Juli völlig unerwartet mit 74 Jahren an einem Herzinfarkt verstarb, hat ihn ins Grübeln gebracht.
Besser man geht, solange es noch bedauert wird
„Das war schon ein Einschnitt“, sagt er zu OberpfalzECHO. „Wir waren uns nicht in allen Fragen einig, aber wir haben über viele Jahre vieles zusammen gemacht.“ Dandorfer habe sich so sehr auf den Ruhestand gefreut. „Und dann ist plötzlich alles vorbei.“ Da frage man sich: „Willst du wirklich bis zum letzten Schnaufer an deinem Amtssessel kleben?“ Zumal er die vergangenen 24 Jahre kaum ein freies Wochenende mit der Familie verbracht habe.
Der Stadt-Konzernchef von rund 3000 Beschäftigten – 700 in der Stadtverwaltung und 2300 bei den Stadttöchtern – lädt am Donnerstag, 16. Mai, zum kleinen Umtrunk mit Händeschütteln in den Großen Rathaussaal: „Ich bin von 11 bis 15 Uhr vor Ort, da kann jeder kommen, der kommen will.“ Ob er mit Unverständnis einiger Gäste rechnet? „Bisher habe ich nur positive Resonanz auf meine Ankündigung bekommen.“ Besser, man geht, solange das noch bedauert wird.
Wie Tuchel bis zum letzten Tag
Als erste kleine Maßnahme seines Rückzugs ins Familiäre kann man den geplanten Pfingstausflug mit seiner Frau Christiane nach Paris, in die Stadt der Liebe, betrachten. „Paris war für mich bisher ein weißer Fleck“, sagt er vor seinem Städtetrip. „Einen Tag lang werden wir uns die Highlights anschauen.“ Auch eine Bootsfahrt auf der Seine würde ihn reizen. „Wenn das Wetter passt, setze ich mich irgendwo in ein Straßencafé, um die Atmosphäre aufzusaugen.“
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die Woche in der Hauptstadt des „Laissez-faire“ ist keineswegs der Beginn einer Dolce Vita als „lahme Ente“ der Amberger Politik. Da hält es Cerny lieber mit Thomas Tuchel. „Ich setze mich bis zum letzten Tag mit voller Kraft für meine Stadt ein!“ Ob es wie bei Tuchel allerdings eine Rolle rückwärts geben kann, die sich gerade anzudeuten scheint, ist bei dem gebürtigen Vilsecker eher unwahrscheinlich. Fragte man seinen Vorgänger danach, was von der Ära Dandorfer bleibt, hat der gerne geantwortet: „Das ACC, die FH und, und, und …“
Cernys Meilensteine
Welche Meilensteine hinterlässt Cerny? „Das ACC und die FH waren Jahrhundert-Entscheidungen, die gab es in meiner Amtszeit nicht.“ Sein bisheriges Jahrzehnt stünde unter dem Eindruck von Krisen – von der Unterbringung von Flüchtlingen bis zur Umsetzung von Corona-Maßnahmen. „Das sucht sich keiner aus.“ Er sei mit dem Motto „Gemeinsam für Amberg“ in die erste Amtsperiode gestartet. „Das haben wir sowohl im Stadtrat als auch zusammen mit den Landkreisgemeinden durch einen gemeinsamen Wirtschaftsraum umgesetzt.“
Über Jahrzehnte schwärte eine Wunde im Herzen der Altstadt: der Leerstand des ehemaligen Kaufhauses Forum. Das ist jetzt Geschichte: „Das neue Hotel ,Drei Höfe‘ im Forum läuft gut, auch die Walküre-Sky-Bar auf der Dachterrasse.“ Bis man allerdings Betreiber für die Gastro und Läden für die Passage finden werde, dauere es noch etwas. „Aber die Chancen stehen gut, weil wieder Leben drin ist.“
Amberg schöner als die Seychellen
Im Nachhinein sei der Einzug des Hotels eine gute Lösung gewesen. „Die Innenstädte verändern sich, wir haben im Tourismus noch Potenziale, wenn man an den Erfolg des Bootshauses denkt.“ Die Touristenzahlen steigen, man verzeichne mehr Plättenfahrten – einer der wenigen positiven Effekte durch Corona: „Die Leute stellten fest, dass auch Amberg ein attraktives Ziel ist, nicht nur die Seychellen.“
Wirtschaftlich habe die Stadt von der Ämterverlagerung profitiert: „Etwa durch das Landesamt für Pflege.“ Außerdem verzeichne man eine positive Entwicklung bei Wohn- und Gewerbeflächen. „Wir haben die Realschule fertig gebaut und sind mit unseren Schulen generell ganztags unterwegs.“ Auf dem Areal der Leopoldkaserne soll ein neues Viertel entstehen. „Da sind wir in finalen Verhandlungen.“
Campus-Feeling auf dem Leopold-Areal?
Auf immerhin 10 Hektar Fläche gebe es dort eine Mischung aus historischem Bestand und Freiflächen mit einer Entwicklungsachse für Wohnen, Gewerbe und Dienstleister. „Hier soll auch das Thema Bildung neu gedacht werden“, kündigt Cerny an. „Wir werden prüfen, wohin sich die OTH entwickelt.“ Wenn die Hochschule mehr Platzbedarf habe, könne hier ein zweiter Standort Potenziale bieten – etwa für internationale Studiengänge.
„Wir haben viele Stundeten aus Indien, da ist Wohnen am Campus Usus.“ Man könnte sich Studentenwohnungen neben Forschungseinrichtungen vorstellen. „Das wäre für Amberg neu.“ Wie ist da der Zeithorizont? „Leider nicht mehr innerhalb meiner verbleibenden zwei Jahre.“ Der Erwerb gehe noch dieses Jahr über die Bühne, in 2026 könnte der Spatenstich für die Erschließung sein, 2027 die ersten Maßnahmen für den Wohnungsbau.
Neustart für Bürgerspitalgelände
Das ursprüngliche Konzept für das Bürgerspitalgelände wurde durch einen Bürgerentscheid abgelehnt. Jetzt soll eine neue Planung kommen: „Wir wollen einen Neustart mit Bürgerbeteiligung.“ Cernys Idee: „Mit dem Bürgerrat, der viel befriedet hat, ein Grobkonzept mit Grünfläche und Park zu entwickeln.“ Momentan befinde man sich in der Ausschreibung. „Ich hoffe, wir finden Investoren, was nicht mehr selbstverständlich ist.“
Die Grundidee sei, einen Platzcharakter um die Spitalkirche zu schaffen, weil das Bürgerspital selbst zu sehr nach hinten versetzt ist, um es erlebbar zu machen. „Dann hätten die Fußgänger, die vom Bahnhof kommen, auf der linken Seite das Forum mit Innenhof und auf der rechten Seite das Bürgerspital.“
Kliniken: Gibt Sulzbach Ambergs Werben nach?
Wie in allen vergleichbaren Kommunen lastet die Finanzierung des Marien-Klinikums auch auf Ambergs städtischem Haushalt. Was erwartet Cerny von der Lauterbach‘schen Krankenhausreform? „Ich bin nicht gegen die Reform, sondern dagegen, wie sie gemacht wird.“ Lauterbach plane Mindestanforderungen in Bezug auf Fallzahlen, Zahl der Ärzte und Equipment: „Das wird dazu führen, dass einige Leistungsspektren in kleineren Häusern wegfallen.“ Möglicherweise auch in Amberg.
„Gemeinsam mit dem Anna-Krankenhaus in Sulzbach-Rosenberg könnten wir die Kriterien dagegen ziemlich sicher erfüllen.“ Deshalb wäre es so schade, wenn sich der Landkreis aus Angst, als kleineres Haus benachteiligt zu sein, nicht mit den Ambergern zusammenschließe. „Ansonsten wird es bestimmte Leistungen dann nur noch in Regensburg geben.“ Beim Landkreis spielten vielleicht noch alte Wunden aus der Zeit der Sparkassen-Fusion eine Rolle, vermutet der OB.
Zu klein für die großen Konflikte?
Die gesellschaftliche Polarisierung geht auch an Amberg nicht spurlos vorbei: „Es gibt einzelne Bürger, die tief enttäuscht sind, weil sie sich durch die Corona-Maßnahmen in ihren Freiheitsrechten massiv eingeschränkt sahen.“ Die montäglichen Spaziergänge richteten sich dabei weniger gegen die Kommune als vielmehr gegen den Staat an sich.
„Wenn ich mit Kollegen aus den großen Städten spreche, bereiten mir manche Entwicklungen schon Sorgen“, sagt der Oberbürgermeister. „Wenn Moslems und Juden in Demos und Gegendemos aufeinanderprallen, läuft etwas schief.“ Da habe man es in Amberg zum Glück noch geschafft, den Zusammenhalt zu sichern. „Vielleicht, weil wir klein genug sind.“
Bundesweit in den Schlagzeilen
Bundesweit in die Schlagzeilen brachten Amberg vier pöbelnde Jugendliche mit Migrationshintergrund: Was sagt der Presseansturm von FAZ, SAT 1 über SZ bis Welt über die Medienlandschaft aus? „Nicht alles, was eine große Headline ist, ist auch inhaltlich so wichtig, dass man es bundesweit publizieren muss“, sagt er rückblickend.
„Wir leben in einer Welt von Social Media, die Medien sind einem wirtschaftlichen Druck unterworfen.“ Früher hätten regionale Medien einen kritischen Bericht verfasst, und das wäre es gewesen. „Wenn aber die BILD eine Headline braucht und noch keine hat, dann kommen die Reporter auch nach Amberg.“
Amberger CSU: Respekt vor der Entscheidung
„Die Amberger CSU nimmt mit Respekt die Entscheidung unseres Oberbürgermeisters Michael Cerny zu Kenntnis, bei der nächsten Kommunalwahl nicht mehr als Kandidat für die Stadtspitze zur Verfügung zu stehen“, teilt Kreisvorsitzender Thomas Bärthlein in einer Pressemitteilung mit. „Michael Cerny wird im Jahr 2026 fast ein viertel Jahrhundert herausragende Verantwortung für unsere Stadt getragen haben.“ Er habe dabei viel erreicht und in den kommenden zwei Jahren noch Einiges vor: „Als Oberbürgermeister wird er bis zum Ende der Legislaturperiode mit vollem Einsatz für Amberg arbeiten!“
„Unsere gemeinsame Arbeit im Kreisverband und in der Fraktion ändert sich durch die Ankündigung von Michael Cerny nicht“, ergänzt Fraktionschef Matthias Schöberl. „Unsere weiteren Ziele für die Kommune stehen fest und neue Herausforderungen bewältigen wir wie bisher engagiert und in enger Abstimmung mit den Bürgerinnen und Bürgern.“
Nach der Ankündigung Cernys, nicht mehr anzutreten, habe es CSU-intern bereits Gespräche über einen zeitlichen Fahrplan bis zur Kommunalwahl 2026 gegeben. Im Frühjahr kommenden Jahres soll der Kandidat oder die Kandidatin für den Oberbürgermeisterposten gekürt werden, die Stadtratsliste im Herbst 2025 feststehen.
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