Missbrauchsprozess: Nachbarn gaben den Kindern zu essen

Weiden. Bis 2021 missbrauchte ein Vater (heute 54) seinen Sohn. Besonders dreist: Zu dieser Zeit stand die Familie schon unter Beobachtung des Jugendamtes Tirschenreuth.

Strafkammer Missbrauch Ohlendorf
Ein Vater aus dem Landkreis Tirschenreuth (hier mit Verteidiger Matthias Haberl) muss sich wegen Missbrauchs seines Sohnes verantworten. Foto: Christine Ascherl

Ein 54-Jähriger aus dem Landkreis Tirschenreuth steht seit Dienstag vor der Jugendschutzkammer des Landgerichts Weiden. Ihm werden schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes sowie der Besitz von Kinderpornografie vorgeworfen.

Nachbarn gaben Kindern zu essen

Man kann dem Jugendamt Tirschenreuth nicht vorwerfen, hier untätig geblieben zu sein. Seit 2016 hatte es immer wieder Anzeigen wegen Kindeswohlgefährdungen gegeben. Nachbarn berichteten dem Jugendamt, dass die beiden Kinder um Nahrung bettelten und sie ihnen zu essen gaben. Die Kinder waren viel draußen, bei “Wind und Wetter”. Nachts hörte man Schreie. Ein Nachbar beobachtete Vater und Sohn auf einer Decke liegend. Für ihn sah es nach sexueller Aktivität aus. Auch das meldete er dem Jugendamt des Landkreises Tirschenreuth.

Dort läuteten alle Alarmglocken. Das Jugendamt setzte Erziehungsbeistände ein, um ein Auge auf die Kinder zu haben. Die Sozialpädagogen führten regelmäßige Elterngespräche. Parallel dazu nahmen sie die Kinder zu freizeitpädagogischen Maßnahmen heraus. Eine Sozialpädagogin berichtet vor Gericht von einer sonderbaren Atmosphäre in der Familie: “Ich komme in viele Familien. Aber so eine Eiseskälte habe ich noch nicht erlebt.”

Ich komme in viele Familien. Aber so eine Eiseskälte habe ich noch nicht erlebt. Sozialpädagogin (59) der Katholischen Jugendfürsorge

Nie sei auch nur ein gutes Wort gefallen. Der Vater machte die Ansagen – und “alle tanzten nach seiner Pfeife”. Aber auch die Mutter habe sich gegenüber Sohn und Tochter sehr repressiv (unterdrückend) verhalten. Die Kinder hatten Pläne, was sie alles putzen sollten. Vor allem das Mädchen sei behandelt worden “wie Aschenputtel”, sagt die Sozialpädagogin.

Das Jugendamt hatte den Verdacht auf sexuellen Missbrauch, aber keine Beweise. So vertraute der Bub dem Erziehungsbeistand an, nicht länger im Ehebett schlafen zu wollen. Auch das Baden mit dem Vater wolle er eigentlich nicht. Im Sommer 2021 gelang endlich die Inobhutnahme. Der Junge kam ins Heim. Seine Schwester war schon dort: auf eigenen Wunsch.

Noch immer war der Missbrauch nur eine Vermutung. Fast ein halbes Jahr schwieg der Elfjährige, dann vertraute er sich im Winter 2021 einem Psychologen im Kinderheim an. Immer sonntags habe sich der Vater an ihm in der Badewanne vergangen. Die Kripo Weiden übernahm den Fall.

Kripo fand massenweise Kinderpornographie

Die Kriminalpolizei Weiden durchsuchte das Haus. An einem Dezember-Nachmittag 2021 rollte die Polizei auf den Hof – zeitgleich mit dem Hausherren. Einem Kriminalbeamten fiel auf, dass der 54-Jährige nervös an seinem Rucksack nestelte. In der Tasche fanden sich zwei Mikro-Speicherkarten. Der Angeklagte sagte: “Wenn Sie die sicherstellen, können Sie mich gleich verhaften.”

Die IT-Forensik GmbH in München sichtete die Speicherkarten. Gefunden wurden 59.443 Bilddateien mit strafbarem Inhalt, abgespeichert zwischen 2003 und 2021. Sie zeigten Kindesmissbrauch von Mädchen und Buben, auch von Säuglingen, teils mit mehreren Männern. Der Geschäftsführer der IT-Forensik kennt manche Fotos: “Das ist eine russische Webseite, wo die Leute Bilder einstellen und sich welche runterladen.” In einschlägigen Kreisen sei die Seite bekannt. Die Experten haben einen Knochenjob: Alle tausende Fotos mussten händisch gesichtet und nach Kategorien sortiert werden.

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