Urteil nach Überfall auf einen unschuldigen Senior (85) in Kohlberg

Weiden/Kohlberg. Zwei Brüder aus Tschechien streichen auf der Suche nach Diebesgut um ein Haus in Kohlberg herum und stoßen zufällig auf einen 85-jährigen. Er wird brutal niedergeschlagen; aus dem Haus fehlt danach eine Schmuckschatulle. Das Landgericht Weiden schickt die Brüder (21 und 31) dafür 5 und 7,5 Jahre ins Gefängnis.

Zwei Brüder müssen sich vor dem Landgericht Weiden wegen des Überfalls in Kohlberg verantworten. Der 31-Jährige mit dem markanten Irokesenschnitt ist der ältere der beiden. Foto: Christine Ascherl

Verurteilt werden beide wegen schweren Raubs und gefährlicher Körperverletzung – so wie angeklagt. Die Strafkammer glaubt damit den Brüdern nicht, das Haus nie betreten zu haben. Richter Peter Werner rekonstruiert die Tat und ihre Vorgeschichte: Die Brüder waren in Geldnot, hatten am Tag vorher ihre Handys in Tschechien verpfändet. „Warum die Reise aus Nordböhmen ausgerechnet nach Kohlberg geführt hat, das bleibt rätselhaft.“

Sie hätten das Haus gewählt, weil die Garage leer war. Sie dachten, es sei niemand daheim. Vor dem Haus kam den Angeklagten der Hausherr (85) in die Quere. Der Jüngere überwältigte den Senior und traktierte ihn mehrere Minuten mit dem Schlagring. Die Strafkammer geht von mindestens 90 Sekunden aus. In dieser Zeit habe sich der 31-Jährige in das Haus begeben und aus dem Schlafzimmer – unmittelbar gegenüber der Tür – die Schmuckschatulle genommen. „Der Schmuck war nicht schwer zu finden. Hier hätte ihn jeder gesucht“, ist Richter Werner überzeugt. „Das war eine Sache von Sekunden.“

Das Gericht hat keinen Zweifel am Verschwinden der Schmuckschatulle. Beide Senioren sind geistig topfit. Die Brutalität – das minutenlange Schlagen, das Stehen auf der Hand des Opfers – erklärt sich aus Sicht der Richter nur damit, dass Zeit verstreichen sollte, bis der Mittäter wieder aus dem Haus kommt. Die Brüder waren mit Schlagring, Messer und Elektroschocker ausgerüstet: Wer so etwas dabei habe, kalkuliere das Verletzen von Menschen ein.

Staatsanwältin plädiert auf 8,5 und 6 Jahre

Staatsanwältin Anja Panzer hatte zuvor für den jüngeren Angeklagten 6 Jahre Jugendhaft und für den älteren Bruder 8,5 Jahre Freiheitsstrafe gefordert. Aus ihrer Sicht haben sich beide des schweren Raubs und der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht. Sie zitiert einen Beamten der Spurensicherung: Nur weil man keine Spuren im Haus findet, heißt das nicht, dass keiner drin war.

Der Ermittlungsleiter der Kripo habe zudem nicht ausgeschlossen, dass die Schmuckschatulle noch auf dem Grund des Weihers in Kohlberg liegt. Das Gewässer sei nur „abgetastet“ worden. Alle Angehörigen seien sich einig, so die Staatsanwältin: Das Kästchen war vorher im Schlafzimmerschrank, danach nicht mehr.

Verteidigerinnen: Es gibt keine objektiven Beweise für Diebstahl

Rechtsanwältin Simone Bayer bat um ein weit milderes Urteil für ihren Mandanten, den jüngeren Bruder. Und zwar nur wegen Körperverletzung. Sie trug vor, dass die Beweisaufnahme den Diebstahl eben nicht bestätigt habe. Es gibt kein objektives Beweismittel dafür, dass einer der beiden das Wohnhaus betreten hat. „Keine Fingerabdrücke, keine DNA-Spuren, keine Fußspuren.“ Die Männer hatten die Nacht im Wald verbracht. „Sie hätten eine Fußspur hinterlassen müssen.“

Die Schmuckkassette ist bis heute verschwunden. Die Polizei habe mit Hunden und mit Tauchern das Gelände entlang des rekonstruierten Fluchtwegs akribisch abgesucht. Der Schrank mit Winterkleidung werde nur selten aufgemacht. „Es wäre nur menschlich, dass diese Schatulle einfach nur verlegt worden ist“, so Anwältin Simone Bayer.  

Verteidigerin Christin Kiener beantragte 3 Jahre und 3 Monate für den älteren Bruder. Ihm könne die Körperverletzung des Jüngeren nicht angerechnet werden. Aus ihrer Sicht bleibt beim 31-Jährigen „nur“ ein versuchter Wohnungseinbruchsdiebstahl übrig.

Das Urteil fiel am Dienstagabend gegen 19 Uhr. Für alle Beteiligten ging ein langer Tag zu Ende. Auch für die Tochter des geschädigten Ehepaars, deren Vater noch heute an den Folgen des Überfalls laboriert. Sie verfolgte mit ihrem Mann den ganzen Prozesstag und machte sich am Abend direkt auf den Weg zu den Eltern. Sie hofft, das Urteil hilft ihnen. Die 62-Jährige fand sogar noch Worte für die Angeklagten: „Schlimm, was die erlebt haben.“

Völlig verkorkste Jugend

Am Dienstag waren die letzten Zeugen und Sachverständigen angehört worden. Erkenntnis: Die Halbbrüder haben eine verkorkste Jugend hinter sich. Mit zwei Geschwistern wuchsen sie bei ihrer alleinerziehenden Mutter auf, die viel arbeitete, um das Auskommen zu sichern. Der Ältere erzählte Landgerichtsarzt Dr. Bruno Rieder von seinem Abrutschen in die Punker-Szene. Er trank früh Alkohol, später kamen Opioid-Tabletten dazu. Er hat mehrere Entzugstherapien hinter sich. Ein Stiefvater habe ihn sexuell missbraucht; als dies auffiel, habe ihm die Mutter vorgeworfen, ihr Leben ruiniert zu haben.

Der Jüngere landete mit 15 Jahren im Heim, wo er nach zwei Jahren weglief. Auch er war mehr oder minder von einer Straßenclique sozialisiert worden. Beide saßen bereits mehrfach in Haft. Der 21-Jährige ist wegen neun Straftaten vorbestraft und war erst im Januar 2024 nach drei Jahren aus dem Jugendknast entlassen worden. Er schlüpfte bei seinem Halbbruder in Nordböhmen unter.

Brüder bestreiten hartnäckig, im Haus gewesen zu sein

Vor der Tat in Kohlberg betranken sich die beiden schon den ganzen Tag und die ganze Nacht. Sie seien mit dem Zug nach Deutschland gefahren, um zu stehlen. So schilderte es der 21-Jährige in der JVA in einem Gespräch mit der Jugendgerichtshilfe Amberg. Der Ältere hatte nach der Tat ein Promille beim Alkotest. Die Blutentnahmen ergaben für beide Cannabis-Konsum.

Das deckt sich mit der Story, die der ältere Bruder der Polizei erzählte. Angekommen am Weidener Bahnhof habe man sich mit Bier und Schnaps eingedeckt und sei Richtung Westen gewandert. In der Nacht schlief man in einem Hochsitz. Am Vormittag sei man in der Wohnsiedlung in Kohlberg auf der Suche nach Diebesgut gewesen. Beim Rundgang um das Wohnhaus sei man durch den Senior überrascht worden. Der 21-Jährige gestand von Anfang an den Angriff auf den 85-Jährigen mit einem Schlagring. Aber beide bestritten hartnäckig, je im Haus gewesen zu sein.

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