Von wegen Totengräber: Keller und der Jahn schaufeln sich gegenseitig ein Grab

Köln. „Wenn der Kölner Keller als Totengräber dein Ex ist“, hatten wir getitelt. Jetzt stellt sich raus: Mit dem Remis vom Samstagabend hat sich Ex-Jahn- und nun auch Ex-Effzeh-Sportchef Christian Keller sein eigenes sportliches Grab geschaufelt. Weil er loyal zu Trainer Gerhard Struber stand.

Der große Kölner Keller-Knall: Christian Keller (Mitte) und Gerhard Struber (links) vom Effzeh nach dem Remis gegen Schlusslicht Regensburg gefeuert, der SSV Jahn mit Sportchef Achim Beierlorzer (unten rechts) und Trainer Andi Patz (oben) abgestiegen, wenn auch schon vor dem Spiel. Grafik/Collage: Jürgen Herda/Gipi

Nach dem 1:1 gegen den bereits rechnerisch abgestiegenen SSV Jahn Regensburg bleibt beim 1. FC Köln kein Stein mehr auf dem anderen – was viel über den Zustand des chronisch hyperaktiven Aufstiegskandidaten aussagt.

Christian Keller, Fußball-Professor mit Regensburger Vergangenheit, und Sportchef mit ruhiger Hand muss gehen. Gerhard Struber, der Trainer mit Aufstiegsversprechen, ebenfalls. Beide innerhalb von 24 Stunden nach dem Spiel. Beide Opfer einer sportlichen Panikattacke, die sich eher wie Selbstsabotage liest.

Und das, obwohl der 1. FC Köln zu diesem Zeitpunkt auf dem direkten Aufstiegsplatz 2 steht. Mit drei Punkten Vorsprung. Mit immer noch realer Chance auf den Aufstieg. Bei zwei verbleibenden Spielen. Und nun? Ein Scherbenhaufen – selbst angerichtet.

Mann mit Prinzipien

Der Autor dieser Zeilen hat Christian Keller in seiner Regensburger Zeit nicht selten kritisiert. Etwa für eine Präsentation, ein Marketing-Versprechen, als Keller noch für eine Beratungsfirma tätig war. Damals ging es darum, Franz Gerber als Sportchef abzusägen. Zugegeben: Finanziell stand Regensburg damals am Abgrund. Fakt ist aber: Keller hat in seiner Zeit als Sportchef die strukturelle Zukunftsfähigkeit des Vereins auf den Weg gebracht – frei nach seinem Motto „Steine statt Beine“.

Aus heutiger Sicht war Keller kein gewöhnlicher Sportchef. Er ist einer mit Haltung. Der für Kontinuität sorgte. Mit Erfolg. Bis zu seinem Abgang. Dass er immer noch ein Mensch mit Prinzipien ist, zeigt sein jetziges Verhalten. Als am Samstagabend die „Struber raus!“-Rufe durchs RheinEnergieStadion hallten, stellte Keller sich vor seinen Coach. Wortwörtlich. Er verband sein Schicksal mit dem seines Trainers – auch auf Kosten seines eigenen Rauswurfs. Wow, Respekt!

Ex-Jahn-Sportchef Christian Keller bleibt nach dem Spiel gewohnt cool, verteidigt das Spiel des Effzeh und stärkt dem Trainer den Rücken. Foto: jrh

Die Entlassungs-Falle: Reflex statt Reform

Große Teile der Kritik an Keller in Köln basieren auf Fake-News. Die Transfersperre, die ihm viele Fans bis zuletzt anlasteten, ging auf eine Verpflichtung vor seiner Amtszeit zurück. Keller hat den Verein wirtschaftlich saniert, die Kaderstruktur neu aufgestellt und – wie man mit Blick auf die Tabelle sieht – mit beachtlich schmalem Budget konkurrenzfähig gehalten hatte. Aber Ethik ist im Fußball ein wackliges Geläuf. Zumindest dann, wenn der angepeilte Aufstieg in Gefahr gerät.

Dass Köln ausgerechnet jetzt die Nerven verliert, ist symptomatisch für ein Phänomen, das sich quer durch den deutschen Fußball zieht: Trainer raus. Sportchef raus. Neuer Impuls. Altes Spiel. Man erinnere sich nur an Schalke. Oder Hertha. Oder Nürnberg. In wie vielen Fällen hat eine Entlassung zwei Spieltage vor Schluss wirklich das Ruder herumgerissen? In etwa so oft wie eine gewonnene Meisterschaft durch einen Trikotwechsel.

Jahn-Sportchef Achim Beierlorzer soll Trainer Andi Patz als ersten Ansprechpartner auch für den Trainer-Chefposten in Liga 3 betrachten. Foto: jrh

Jahn: Applaus für Anstand – aber Analyse statt Alibi

Und Regensburg? Ein Team, das sich beim designierten Aufsteiger einen Punkt erkämpft – nach Monaten ohne Auswärtssieg. Ein Team, das mit Anstand untergeht. Aber eben auch: Ein Team, das untergeht. Die üblichen Phrasen reichen jetzt nicht: Nur zu sagen, „wir stellen jetzt alles auf den Prüfstand“ oder „arbeiten die Saison intern auf“ wäre mir zu viel Alibi. Die Fragen liegen auf der Hand:

  • Warum hat diese Mannschaft über Monate keinen konstruktiven Spielaufbau hinbekommen?
  • Warum gab es kein sichtbares Entwicklungsmuster?
  • Warum sind Spieler wie Bryan Hein oder Noah Ganaus trotz erkennbaren Potenzials nicht weitergekommen?

Hein, offensiv mutig, defensiv wacklig, scheint entschlossen, durch jede Wand zu rennen – notfalls mit dem Kopf. Ganaus, ein eleganter Läufer mit Offensivdrang, scheitert regelmäßig an Ballverarbeitung und Durchsetzung. Talent ist da. Umsetzung: Fehlanzeige.

OMG: Noah Ganaus kann’s nicht fassen, dass sein Volley-Kunstschuss gegen H96 in der 90. Minute nur an den Pfosten knallt. Foto: SSV Jahn

Beierlorzer verdient Vertrauen – aber keinen Freibrief

Sportchef Achim Beierlorzer sollte dennoch bleiben. Dass er es kann, hat er bereits bewiesen. Dass die Kaderplanung mit wenig Budget nicht jedes Mal gelingt, haben selbst große Vereine wie Schalke, Hertha, HSV oder Köln Jahr für Jahr leidvoll erfahren müssen. Sie haben mit riesigem Etat und glanzvollen Transfers unter ihren Möglichkeiten gespielt. Und tun es noch. Und warum? Weil Fußball keine höhere Mathematik ist. Sondern ein Spiel mit vielen Unbekannten.

Ein Spieler mit Potenzial kann bei einer Mannschaft performen und trotzdem nicht ins eigene Team passen. Der Kopf, die Psyche müssen mitspielen. Das, was Fußballexperten heute gerne Momentum nennen, ist nichts anderes als Glück: Ob die Kugel an die Latte, drei Zentimeter neben den Pfosten oder über die Torlinie rollt, kann kaum ein Stürmer planen. Und wenn einmal ein Negativtrend einsetzt, werden die Beine schwer. Erfolg braucht System, Geduld, Kontext – und eben eine Portion Glück.

Kommentar zum Jahn: Keine Show, sondern Substanz

Köln hat auf Druck falsch reagiert. Der Jahn sollte das besser machen. Kein Aktionismus, sondern Reflexion. Keine Floskel, sondern Systemkritik. Sicher, dieser Abstieg ist kein Betriebsunfall. Regensburg hat als Einheit zu selten existiert. Es ist nicht gelungen, eine konkurrenzfähige Mannschaft auf den Rasen zu schicken. Apropos Rasen: Ein Profiverein sollte auch in der Lage sein, die Platzverhältnisse in Ordnung zu bringen.

Der Kölner Keller ist geschlossen. Der Regensburger Keller muss umgebaut werden. Der SSV Jahn ist mit Sportchef Achim Beierlorzer direkt wieder auf- und abgestiegen. Beides war so nicht geplant. Keiner weiß, ob es ein anderer besser hinbekommen hätte. Niemand sollte glauben, dass demnächst ein Mega-Motivator der Marke Kloppo beim Jahn anklopft und Wunder bewirkt. Kein Pep Guardiola träumt von einem Projekt in der Dritten Liga – wenn nicht gerade Red Bull oder ein Scheich den Durchmarsch in die Champions League finanziert.

Und davon, was ein Scheich anrichten kann, können die Löwen ein Lied singen. Von der alten Größe ist auf Giesings Höhen wenig zu bestaunen. Deshalb sollte sich jeder Jahn-Fan freuen, wenn der ehrliche und korrekte Fußballexperte Beierlorzer bleiben und in Regensburg langfristig etwas entwickeln möchte. Ohne wieder ganz von vorne anfangen zu müssen. Stattdessen sollte er gezielt umbauen. Vielleicht ein wenig ausmisten. Vor allem aber weiterentwickeln.

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