Vor verschlossener Ladentür: Gehen Bäckereien und Metzgereien die Leute aus?

Weiden/Tirschenreuth. Geschäfte sind zu, Öffnungszeiten werden reduziert. Der Kunde steht vor verschlossenen Türen. Das Personal scheint mittlerweile rar geworden zu sein. Dafür gibts Gründe.

Auch die Bäckereien in der Region suchen händeringend Personal, ob in der Backstube oder im Laden. Symbolbild: Pixabay

Den herzhaften Biss in eine warme Leberkässemmel muss man sich verkneifen. Wegen Personalknappheit hat die Metzgereifiliale, die man angesteuert hat, geschlossen. Zumindest vorübergehend. Eine andere macht bereits täglich um 14 Uhr dicht. Derselbe Grund: Keine Leute. Auch eine Bäckereifiliale in der Weidener Innenstadt ist zu. Krankheitsbedingt, heißt es im Aushang an der Geschäftstür. Gehen dem Lebensmittel-Einzelhandel die Leute aus?

24 Prozent weniger Personal

Ein Blick in die Statistik sorgt für Klarheit: 2016 hatten im Arbeitsagenturbezirk Weiden in den Bäckereien und den Verkaufsläden noch 1.610 Männer und Frauen einen Job, 2021 waren es nur mehr 1.230. Ein sattes Minus von nahezu 24 Prozent. Da wurden aber keine Stellen abgebaut. Der demografische Faktor ist schuld, er schlägt in der Region gnadenlos zu. Die Nordoberpfalz hat mit einem Bevölkerungsschwund zu kämpfen. Mit gravierenden Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: Jedes Jahr geht die Zahl der Erwerbstätigen zwischen einem und 1,5 Prozent zurück. Das sind in einem Jahrzehnt bis zu 15 Prozent. Gleichzeitig aber brummt die Wirtschaft in der Region.

116 offene Stellen in den Bäckereien

Thomas Würdinger, Chef der Weidener Arbeitsagentur, hat sich die Beschäftigtenzahlen gerade im Bäckerhandwerk näher angesehen. “Aktuell sind bei uns 116 offene Stellen gemeldet”, erzählt er. Da ist alles dabei, von der Produktion bis zum Verkauf. Interessant auch der Blick auf die Altersstruktur. 23 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind über 55, bei den geringfügig Beschäftigten liegt deren Anteil sogar bei mehr als 50 Prozent.

Kampf um die Talente

Viele offene Stellen und immer weniger Leute, die sie besetzen könnten. Der “Kampf um die Talente hat längst begonnen”, betont Würdinger. Und er wird sich weiter verschärfen. Attraktive Arbeitgeber werden die Nase vorne haben. Der Arbeitsagenturchef kann an die Handwerksbetriebe nur appellieren, sich entsprechend aufzustellen. “Dazu gehören auch ein attraktives Arbeitsentgelt und interessante Arbeitszeitmodelle”, findet er.

Wie wäre es mit einer viereinhalb Tage-Woche für die Verkäuferinnen in den Bäckereiläden oder ein freier Montag für den Bäcker, weil an dem Tag nicht gearbeitet wird? Apropos Bäcker. Würdinger hat mal in deren Lohntüte nachgesehen und dort ein durchschnittliches Brutto-Monatsgehalt von 2.378 Euro ausgemacht. Eine Kassenkraft bei einem Discounter hat einen höheren Stundenlohn.

Experten der Arbeitsagentur beraten

Der Arbeitsagenturchef hat bei einigen Betrieben schon ein Umdenken ausgemacht. Da gibt es neben dem Grundgehalt Sonn- und Feiertagszuschläge, Mitarbeiterrabatte, Vermögenswirksame Leistungen, Betriebliche Altersvorsorge und Weiterbildungsmöglichkeiten. Die Arbeitsagentur hilft weiter, bietet einen eigenen Arbeitgeber-Service an. Experten suchen Lösungen bei beschäftigungsrelevanten Problemen oder führen Qualifizierungsberatungen für kleine und mittelständische Unternehmen durch. Denn Würdinger ist überzeugt. “Wer nicht umdenkt und sich den Herausforderungen stellt, wird es schwer haben zu überleben.”

Betriebe schlagen neue Vertriebswege ein

Auch der Obermeister der Metzgerinnung Weiden, Hans Braun, kennt das Personalproblem. So manche Metzgerei müsse schließen, weil sie einfach keine Leute mehr bekomme. Dabei gäbe es Aufträge noch und nöcher, ist er überzeugt. Viele Betriebe würden auf diese angespannte Situation bereits reagieren, indem sie ihre Öffnungszeiten ändern oder andere Vertriebswege einschlagen.

Sie bieten zum Beispiel ihre Produkte in Verkaufsautomaten oder gekühlten Abholstationen, sogenannten Cool Lockers, an. “Wir stellen uns aber auch auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ein”, erläutert Braun. Niemand müsse am Samstag arbeiten, wenn er nicht will. “Nahezu alle Betriebe bieten Arbeitszeitmodelle an und sind bei den Arbeitszeiten absolut flexibel.”

Erhöhung des Mindestlohns verschärft die Situation

“Wir müssen durchhalten”, beschreibt Andreas Hauer, stellvertretender Obermeister der Bäckerinnung Nordoberpfalz die Situation. Die Branche hat gleich mit einem Strauß an massiven Problemen zu kämpfen. Das sind die extremen Energiekosten, hohe Rohstoffpreise, eine überbordende Bürokratie und dann auch noch der Personalmangel. Der habe sich durch die Erhöhung des Mindeststundenlohns auf zwölf Euro sogar noch weiter verschärft, betont Hauer. Nicht wenige Verkäuferinnen sind ganz bewusst nur Minijobber.

Um die steuerfreie Zuverdienstgrenze, die zwar auf 520 Euro angehoben wurde, nicht zu überschreiten, müssen sie weniger arbeiten. “Ich bräuchte eigentlich zusätzliche Kräfte, die das wieder auffangen.” In seinem Hauptgeschäft in Wurz und in seiner Filiale in Neustadt/WN sperrt er bereits um 6 Uhr morgens auf. Dafür, zumindest in Wurz, wieder um 12.30 Uhr zu. “Am Morgen machen wir halt unser Hauptgeschäft”, erzählt er. Für diese Zeiten Verkäuferinnen zu finden, die schulpflichtige Kinder daheim haben, ist extrem schwierig oder fast unmöglich.

Verringerung der Öffnungszeiten

“Wir versuchen daher, unsere Leute zu halten”, betont Hauer. Und mit denen und mit reduzierten Öffnungszeiten oder tageweise Geschäftsschließungen wollen er und viele seiner Kollegen die Personalmisere in den Griff bekommen. Doch Hauer ist sich im Klaren darüber, dass das nur eine kurzfristige Lösung sein kann. Für Entspannung könnte aus seiner Sicht eine Änderung des Ladenschlussgesetzes sorgen. Ob aber der Gesetzgeber tatsächlich einmal ein Einsehen mit dem Bäckerhandwerk haben wird?

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