Walter Winklers Lebenswerk: Witron kennt keine Grenzen des Wachstums (2)

Parkstein. Walter Winkler vermacht sein unternehmerisches Erbe einer Stiftung und den Mitarbeitern, die den Milliarden-Umsatz mit geschaffen haben. Der besessene Oberpfälzer Ausnahmeunternehmer über Klimawandel, Krieg, sein Leben als Sportskanone und den gelassenen Umgang mit dem Tod.

Witron-Gründer Walter Winkler empfängt OberpfalzECHO in seinem Bauernhaus im alpenländischen Stil in Parkstein. Foto: Jürgen Herda

Herr Winkler, Sie haben sich selbst eine gewisse Besessenheit konstatiert. Wie viele Stunden arbeiten Sie am Tag – oder besser: Wie würde die Kurve ihrer Lebensarbeitszeit verlaufen – wird die auch mal flacher?

Winkler: (lacht) Die Arbeitszeit war mir immer zu kurz, deshalb arbeitet mein Gehirn nachts weiter.

Viele Unternehmen blockieren sich selbst mit internen Rangkämpfen – wie haben Sie das Hierarchie-Problem gelöst?

Winkler: Ich bestimme die große Linie, meine Leute setzen sie um. Ich bin kritisch, aber ohne Vertrauen in die Mitarbeiter kannst du gleich aufhören. Bei uns werden Fehler nicht großartig diskutiert. Entscheidend ist nicht, einen Schuldigen zu suchen, sondern das Problem zu lösen.

Gehören Sie zu den Unternehmern, die sagen, wir brauchen keine Gewerkschaft, wir sind Familie? Oder zu denen, die meinen, die betriebliche Mitbestimmung stärkt die Motivation und den Betriebsfrieden?

Winkler: Wir haben einen Betriebsrat, mit dem wir sehr gut zusammenarbeiten und richten uns bei den Lohnerhöhungen nach den Tarifabschlüssen der IG-Metall.

Beim Pressegespräch mit der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie stand wieder das Schlüsselthema Fachkräftemangel auf der Agenda – Witrons Strahlkraft, das Image als sozialer Arbeitgeber hilft, aber der demografische Wandel lügt nicht. Wo sehen Sie noch Potenziale?

Winkler: Wir haben Mitarbeiter aus 68 Nationen beschäftigt, holen viele Leute aus dem Ausland. Wir haben jetzt eine Ingenieursschule im Niger eröffnet, um Mitarbeiter für den US-Markt auszubilden. Aber im Wesentlichen sehe ich unser Potenzial in der Ausbildung von jungen Menschen aus der Region. Bis heute haben wir 1.500 Fachkräfte ausgebildet. Auch das Thema Umschulung und Weiterbildung wird künftig noch wichtiger werden.

Wir haben jetzt eine Ingenieursschule im Niger eröffnet, um Mitarbeiter für den US-Markt auszubilden.Walter Winkler

Von Walter Winklers Logistikhof reicht der Blick über die halbe Nordoberpfalz – vom Steinwald über den Grenzkamm mit der Silberhütte bis zum Fahrenberg. Bild: Jürgen Herda

OberpfalzECHO begleitet die Kampagne Ihres Personalchefs Theo Zeitler „Stärken stärken“ – während alle über Qualifikations- und Motivationsdefizite der Jugend jammern, versuchen Sie Orientierung zu geben?

Winkler: Es gehört zu meinen Grundprinzipien, nicht auf Schwächen zu schauen. Jeder Mensch hat Stärken, die musst du suchen und finden, dann gehen die auf. Ich sage allen Vorgesetzten, der Mensch ist unentbehrlich. Wenn er nur noch Routine macht, suchen wir einen anderen Arbeitsplatz.

Wie kommen Sie mit jungen Leuten zurecht, die gendern, sich für Ihre Überzeugung auf der Straße festkleben und für die Arbeit allenfalls ein notwendiges Übel in ihrem Lebensentwurf ist?

Winkler: Solange sich die Leute an demokratische Regeln halten und ihre Überzeugung nicht mit Gewalt durchsetzen wollen, kann ich damit leben.

Wie ernst nehmen Sie den Klimawandel – und wie viel erneuerbare Energie steckt in Witron?

Winkler: Den nehme ich furchtbar ernst. Teil unseres Kerngeschäftes ist es, die Lieferwege unserer Kunden zu optimieren. Natürlich wollen wir da auch unsere Transporte strukturieren. Witron setzt künftig auf die Bahn, etwa zum Hafen nach Hamburg und danach nach Übersee. Wir prüfen hier unterschiedliche Möglichkeiten.

Wir sitzen hier in Ihrem prächtigen Bauernhof im oberbayerischen Stil. Sie und Ihre Frau haben eine große Affinität für den nachhaltigen Werkstoff Holz – da haben Sie eine Gemeinsamkeit mit Ihrem jüngeren Power-Unternehmerkollegen Stefan Ziegler. Was halten Sie von seiner Idee einer Bauwende in Holz?

Winkler: Wir haben ja bereits seit langem viele Gebäude in Holzbauweise errichtet. Gestern saß auf Ihrem Stuhl Stefan Ziegler. Ich denke, wir haben da einiges gemeinsam und da könnten auch noch gemeinsame Projekte entstehen.

Gestern saß auf Ihrem Stuhl Stefan Ziegler. Ich denke, wir haben da einiges gemeinsam und da könnten auch noch gemeinsame Projekte entstehen.Walter Winkler

Ziegler-Projekt am See in Kemnath als Blaupause für ein gemeinsames Projekt? Auch Walter Winkler ist ein Holzhaus-Fan. Bild: Ziegler-Group

Sie waren 7 Jahre alt, als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging – haben Sie noch eine Erinnerung daran?

Winkler: Mein Vater war nur einmal auf Heimaturlaub, als ich 6 Jahre alt war. Eine sehr genaue Erinnerung habe ich aber daran, als der Zug in Weiden explodiert ist. Wir wohnten in der Seltmann-Straße direkt neben der Fabrik, ich war zu der Zeit im Keller. Mein Bruder stand am Hoftor – der ist 20 Meter weit geflogen. Von einem Buben und einem Mädl, die zu Besuch waren, hat man danach nichts mehr gefunden. An recht viel mehr kann ich mich nicht erinnern. Für mich begann eine wunderschöne Zeit nach dem Krieg. Wir hatten eine Spenglerei, hatten einen Geschäftsführer eingestellt, materiell ging‘s uns nicht schlecht.

Hätten Sie gedacht, dass zu Ihren Lebzeiten in Europa noch einmal ein Angriffskrieg wie der in der Ukraine möglich wäre?

Winkler: Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass in Europa mit Atomwaffen gedroht wird.

Welche Folgen hat der Konflikt für Ihr Unternehmen – in puncto Inflation, Energiepreise, Lieferketten?

Winkler: Wir haben das recht gut abgefedert, haben langfristige Verträge gemacht und im Vorrat eingekauft, so dass uns das bis jetzt nicht so sehr belastet.

Die Pandemie hat gezeigt, dass die Verlagerung von Schlüsselproduktionen nach Asien zu enormen Lieferschwierigkeiten führen kann. Der Krieg hat uns unsere Abhängigkeit von russischen Ressourcen vor Augen geführt. Betrifft die Zeitenwende auch die Globalisierung?

Winkler: Wir haben Stahl und Eisen gekauft und gelagert, als die Preise stiegen. Deshalb hatten wir keine Terminverschiebungen, keinen einzigen Tag Kurzarbeit. Wir haben alle Mitarbeiter weiter beschäftigt, auch wenn es für unseren Bräuwirt etwas schwierig war. Mein größtes Ziel war immer, dass niemals ein Mitarbeiter wegen Arbeitslosigkeit daheimbleiben muss.

Apropos Stahl: Was hat Sie zum Kauf von Stahlfertiger Voit bewogen?

Winkler: Ich habe alles aus eigener Kraft geschafft. Beim Stahlbau hatten wir eine Sondersituation, weil die Ressourcen so knapp sind. Ich war schon in Italien, und habe mir dort eine Firma angeschaut. Dann hat mich Stefan Voit angerufen und gesagt, er verkauft nur an mich, weil er sich darauf verlässt, dass sein Lebenswerk bei mir in besten Händen ist. Ich brauchte die Kapazität, warum sollte ich dann in Italien kaufen, wenn ich sie auch in der Oberpfalz bekommen kann? Wie schon gesagt, bin ich überzeugter Oberpfälzer und von den Menschen hier begeistert.

Ich bin überzeugter Oberpfälzer und von den Menschen hier begeistert.Walter Winkler

WITRON ist ein gefragter Ausbildungsbetrieb. Foto: WITRON

Für wie gefährlich halten Sie die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China – VW wäre ohne chinesischen Markt nur noch die Hälfte wert?

Winkler: Wir haben die Produktion zu 95 Prozent vor Ort, weil wir immer die höchste Qualität liefern müssen. Das größte Problem ist, zu jeder Zeit die Verfügbarkeit zu garantieren. Ich habe von der Automobilindustrie gelernt, immer nur die besten Komponenten zu verwenden, die sämtlich in Europa hergestellt werden. Alles andere würden wir nur selbst ausbaden, weil wir die Maschinen ja auch warten.

Wann hat das begonnen, dass Deutschland seine Kernkompetenz „Ingenieurskunst“ verloren hat und sich beim Bau von Flughäfen lächerlich macht?

Winkler: Die Leute haben die Bodenhaftung verloren, weil es uns zu gut gegangen ist. Das Engagement hat einfach nachgelassen.

Sie sind eine Sportskanone und Fan vom Fußball-Weltmeister Messi. Trotz aller Kritik wurde der mutmaßlich korrupte Fifa-Boss Gianni Infantino erneut in seinem Amt bestätigt – sollten wir schleunigst aus der kriminellen Vereinigung Fifa austreten?

Winkler: Die Leute merken, dass der Kommerz immer stärker im Vordergrund steht. Auch der Kult um Messi, den ich für seine Fähigkeiten sehr schätze, ist ein Problem. Ich bin ein Mensch, der dafür steht, wenn ich’s versprochen habe, gilt‘s. Das ist leider nicht mehr überall der Fall.

Haben Sie selbst im Verein gespielt und auf welcher Position?

Winkler: Ich habe in München in der A-Klasse bei der Betriebsmannschaft von Shell gespielt. Zuhause bei Gambrinus und den Alten Herren der SpVgg. Dann natürlich hier bei uns in der Betriebsmannschaft. Am Schluss war ich Stürmer, früher eher Verteidiger.

Mit dem Tod habe ich nichts zu schaffen. Bin ich, ist er nicht. Ist er, bin ich nicht“, schrieb Epikur von Samos. Welches Verhältnis haben Sie zu Krankheit und Tod?

Winkler: Ich war schon einmal klinisch tot. Später fiel ich noch zweimal ins Koma. Solange die Firma gut läuft, ist mir alles egal. Ich bin sehr gläubig, sehe den Glauben aber weniger hinsichtlich eines Lebens nach dem Tod. Wenn man ein gerechtes Leben führt, und meine Leute in der Firma zufrieden sind, bin ich es auch. Was nach dem Tod kommt, das kommt.

Ich war schon einmal klinisch tot. … Was nach dem Tod kommt, das kommt.Walter Winkler

Walter Winkler, der Mann mit dem fotografischen Gedächtnis: „Ich baue Anlagen mit 60.000 Motoren und 120.000 Sensoren. Ich sehe in meinem Layout das Ineinandergreifen der verschiedenen Abläufe – so viele Paletten durchlaufen so viele Förderstränge.“ Bildbearbeitung: Jürgen Herda

Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man nie beginnen wird, zu leben“, riet Marc Aurel. Was haben Sie noch vor bis zu Ihrem 100. Geburtstag?

Winkler: Solange ich in der Früh aufstehen kann, werde ich mit großer Freude in die Firma gehen und mit meinen Erfolgen und Erfahrungen gerne als Ratgeber bereitsehen.

War die Eröffnung der 200-Millionen-Euro-Investition „Werk II Nord“ mit 120.000 m² zusätzlicher Fertigungsfläche für die Fördertechnik- und Schaltschrank-Produktion bereits eine Denkmal-Setzung für Walter Winkler – oder kommt da noch mehr?

Winkler: Da lassen wir uns überraschen – bei der Geschwindigkeit, mit der wir uns entwickeln, kann noch viel passieren. Meine Ausrichtung ist auf Erfolg und Wachstum gepolt. Die letzten vier Jahre sind wir in puncto Umsatz, Mitarbeiter und Produktionsfläche so stark gewachsen wie in meinen ersten 50 Unternehmerjahren.

Witron liefert Intralogistik für automatisiertes Aldi-Zentrallager

Aldi-Süd erweitert seinen Logistikstandort in Mörfelden südlich von Frankfurt am Main in automatisiertes Distributionszentrum für Tiefkühlwaren sowie Obst und Gemüse mit überregionaler Bedeutung. Nach Angaben des Discounters wird das Verteilzentrum am Sitz der Aldi-Region Mörfelden ab Fertigstellung voraussichtlich im ersten Halbjahr 2025 auch die Filialen anderer Regionalgesellschaften im Umkreis mit Tiefkühlwaren sowie mit frischem Obst und Gemüse beliefern. Den Bau des hochmodernen Logistikzentrums will Aldi-Süd noch im ersten Halbjahr 2023 beginnen.

Die Intralogistik-Technik kommt nach Unternehmensangaben von Witron. „Die Firma Witron ist sehr stolz darauf“, kommentiert Unternehmensgründer Walter Winkler den Auftrag, „dass man mit Aldi einen weiteren renommierten und international erfolgreichen Retailer von der Witron-Technologie überzeugen konnte.“

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1 Kommentare

Barbara Möller - 02.06.2023

Ich habe den Beitrag mit Freude gelesen. Zumal er mich an den Namensvetter Bernfried in Mönkebude erinnert, der ebenfalls mit seinen Mitteln der Region am Stettiner Haff viel Gutes beschert hat. Sei es als Firmenchef, im Gewerbeverein, mit dem Friedenslicht oder als Organisator der LineDance-Treffen. Solche Menschen braucht Deutschland! Danke für Ihre Denke, Walter Winkler. Beste Grüße aus Abuja