Weidener Juden im Gespräch mit Ludwig Spaenle: „Wir sind ganz normale Leute“
Weiden. Ludwig Spaenle, Antisemitismus-Beauftragter der bayerischen Staatsregierung, hat am Montag die Synagoge in Weiden besucht. Vertreter der jüdischen Gemeinde berichteten über die Situation vor Ort.

Minister a. D. Ludwig Spaenle war jüngst vor der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er suchte das Gespräch mit den Demonstrierenden eines Protestcamps, die hier „From the river to the sea“ und „From Columbia to Munich“ schrien. Der CSU-Mann war schockiert. „Das hat mit Gaza nichts zu tun. Das war nackter Antisemitismus.“
Die bayerische Staatsregierung will dem entgegenwirken. Am Montag ist Spaenle auf Tour durch den Freistaat und spricht bei Hochschulen vor, in Weiden ist ein internes Gespräch bei der OTH anberaumt. Auch rechtlich will man solchen Ausschreitungen entgegen wirken. Im neuen Hochschulrecht gibt es derzeit keine Instrumente, wie Exmatrikulation bei Fällen von Antisemitismus. „Wir sind dabei nachzuschärfen“, erklärt Landtagsabgeordneter Stephan Oetzinger. Es soll eine rechtliche Basis für Sanktionen geschaffen werden.
Imam ist in Synagoge gern gesehener Gast
Spaenle und Oetzinger besuchen am Montag – begleitet von den lokalen CSU-Vertretern Benjamin Zeitler und Stephan Gollwitzer – die jüdische Gemeinde in Weiden. Beim Gespräch in der Synagoge sitzen neben Vorsitzenden Leonid Shaulov und Marina Jurowetzkaja auch Werner Friedmann und Pfarrer Alfons Forster dabei. Die beiden sind die Vorsitzenden der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ).
Forster berichtet, dass im interreligiösen Gesprächskreis auch ein Imam vertreten ist: Maher Khedr vom deutschsprachigen Muslimkreis. Khedr habe nach dem Hamas-Überfall am 7. Oktober 2022 sofort Shaulov in der Synagoge besucht. „Der war hier? Nach dem 7. Oktober?“, fragt Spaenle verblüfft. Er kenne das anders. Er habe sich damals an islamische Verbände mit der Bitte um Gespräche gewandt: keine Resonanz. „Das ist ein ganz seltener Fall in Bayern.“ In Weiden pflegt die jüdische Gemeinde auch einen guten Kontakt zur türkischen Moschee; Shaulov spricht Türkisch.
Dank an Polizei Weiden
Tatsächlich scheint es so, als ob antisemitische Kampagnen in der 42.000-Einwohner-Stadt Weiden nicht in der Breite verfangen. Warum? „Weil wir uns hier persönlich kennen“, meint Pfarrer Forster. Werner Friedmann, jüdischer Vorsitzender der GCJZ, bietet jederzeit und jedermann Führungen durch die Synagoge und den jüdischen Friedhof an. Auch Schulklassen sind hochwillkommen. „Wir zeigen dabei, dass wir ganz normal sind.“ Ein Dank geht an die Polizei Weiden, „die immer für uns da ist, sensibel und aufgeschlossen“.
Ein wunder Punkt bleibt trotzdem: das Islamische Zentrum in Weiden, das vom Verfassungsschutz seit Jahren als Treffpunkt von Salafisten bezeichnet wird. Man hält es auch für das Verdienst des Imam, „dass vor der Weidener Synagoge keine aufgehetzten Muslime herumlaufen“, so Friedmann.
Freilassung der ersten Geiseln: „kleiner Hoffnungsschimmer“
Damit die Situation so bleibt, haben die Vertreter der jüdischen Gemeinde einige Anliegen, etwa mehr Bildung zum Thema an Hochschulen, gerade für Lehrer. Friedmann empfahl Prof. Stephan Grigat von der katholischen Hochschule Aachen als Referenten. Dessen Vortrag über Antisemitismus hörten letzte Woche rund 100 Besuchern in der Volkshochschule in Weiden. Selbst gut informierten Zuhörern war vieles neu, berichtet Vorstandsmitglied Constanze Schöner. Den wenigsten war beispielsweise bekannt, dass ein islamischer arabischer Nationalist, Mohammed Amin Al-Husseini, „best friend“ von Adolf Hitler war.
Mit Befremden verfolgen Juden in Weiden in Nachrichten und auf Social Media, wie in erster Linie das Elend der Bevölkerung im Gaza-Streifen thematisiert wird, nicht aber der Terrorismus als Auslöser. Spaenle nannte die Freilassung von drei Geiseln am Sonntag „ein gutes Signal“, aber insgesamt bleibe die Situation sehr schwierig. Er hat im Dezember 2023 den Kibbuz Nir Oz besucht, aus dem unter anderem das Baby Kfir Bibas verschleppt wurde. „In diesem Kibbuz war kein Stein mehr auf dem anderen.“ Ihm sei berichtet worden, wie die Terroristen gewütet und „Menschen einfach abgeschlachtet“ haben. „Ich hoffe nun, dass der kleine Hoffnungsschimmer jetzt greift.“
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