Weidens Stadttore weit offen für ukrainische Flüchtlinge [mit Video]

Weiden. Es ist ein symbolischer Akt: Oberbürgermeister Jens Meyer (SPD) betont bei der Solidaritätskundgebung vor dem Alten Rathaus, dass Weidens Stadttore für die ukrainischen Flüchtlinge weit offenstehen.

Gemeinsame Solidaritätsbekundung für die Ukraine: An diesem Aschermittwoch kennt der Weidener Stadtrat kein Parteiengezänk. Bild: Jürgen Herda

Am Mittwochabend kennt der Stadtrat keine Parteien, nur das gemeinsame Eintreten für die Opfer von Putins Aggression. Bei der gemeinsamen Solidaritätskundgebung vor Weidens Altem Rathaus beschwören Vertreter aller Parteien das Eintreten für gemeinsame Werte, die Aggressor Putin in der Ukraine mit Füßen tritt.

„Dass wir zusammenstehen“, sagt Versammlungsleiterin Sabine Zeidler, ist ein Zeichen dafür, dass unsere Demokratie lebt.“ Heute zählten weder Partei, noch Hautfarbe, Geschlecht oder sexuelle Orientierung, sondern nur der Mensch. Mit Blick nach Moskau sagt die SPD-Stadtverbandsvorsitzende: „Russische Bürger müssen bei solchen Kundgebungen um ihre Freiheit fürchten.“

Jens Meyer: „Offen für Menschen, die Zuflucht suchen“

Hauptredner Jens Meyer betont die traditionelle Weltoffenheit einer Stadt, in der mehr als 100 Nationen friedlich zusammenleben: „Viele sagen mir immer wieder, wie wohl sie sich hier fühlen“, beschreibt der Oberbürgermeister die tolerante Stadtgesellschaft. „Weil sie sich hier aufgenommen fühlen, egal welcher Herkunft sie sind.“ Weiden, nach dem Zweiten Weltkrieg eine Stadt mit 24.000 Einwohnern, habe 12.000 Vertriebene vor den Toren empfangen. Man habe in den Jahrzehnten danach Menschen aus dem zerfallenen Jugoslawien, nach 2015 aus Syrien, dem Irak und Afghanistan integriert. „Wir werden immer offen sein, für Menschen die Zuflucht suchen.“

Eine Gänsehaut bekomme er bei dem Gedanken an vergangenen Donnerstag, als Putin Unheil über ein friedliches Land gebracht habe: „Menschen werden zu Flüchtlingen, Väter verabschieden sich an der Grenze, ohne zu wissen, ob sie überleben, Frauen werden zu Witwen, Kinder zu Waisen.“ Begeistert zeigt sich das Stadtoberhaupt von der Hilfsbereitschaft der Bürger, die täglich in Anrufen und Mails Spenden, Hilfsgüter oder eine Unterkunft anböten. „Wir wissen nicht, wie viele kommen, aber wir empfangen sie mit offenen Armen, sie haben Schreckliches erlebt und einen weiten Weg hinter sich.“

SPD-Stadträtin Hilde Ziegler hält die Europa-Fahne hoch. Bild: Jürgen Herda

Uli Grötsch: „Putin völlig entrückt“

Der Weidener Bundestagsabgeordnete Uli Grötsch hätte sich ein solches Szenario nie vorstellen können: „In dieser Stunde kämpfen Menschen, die sich der russischen Aggression entgegenstellen, um ihr Überleben und ihre nationale Souveränität.“ Dies sei keine Aggression des russischen Volkes: „Es ist der Krieg Putins, der völlig entrückt in seinem Palast hockt.“ Eine Zäsur sei das: „Für uns alle bricht eine andere Zeit an“, sagt Grötsch, „ich bin froh, dass die Bundesregierung und der Bundeskanzler ein unmissverständliches Zeichen gesetzt haben.“

Die Weidener Landtagsabgeordnete Annette Karl (SPD) gibt eine Loyalitätserklärung ab: „Weiden steht fest an der Seite der Ukraine.“ Sie sei 1960 geboren, habe die Entspannungspolitik Willy Brandts, den Fall des Eisernen Vorhangs erlebt und gedacht, dass so ein Konflikt in Europa nicht mehr möglich sei. „Das war vielleicht etwas naiv.“ Putin wolle sich die Ukraine aus völkischen und nationalistischen Motiven unter den Nagel reißen. „Weiden und die Landkreise sind darauf vorbereitet, Flüchtlinge aufzunehmen.“

Stephan Oetzinger: „So weit entfernt wie Flensburg“

Wie nah uns dieser Krieg nicht nur emotional, sondern im wahrsten Sinne des Wortes auch geographisch geht, macht der Weidener Landtagsabgeordnete Stephan Oetzinger (CSU) deutlich: „Die westliche Grenze der Ukraine ist von uns so weit weg wie Flensburg, wie manche unserer Urlaubsorte.“ Dieser Krieg sei ein Paradigmenwechsel, weil Putin nicht nur die Ukraine angegriffen, sondern unseren Wertekodex erschüttert habe. „Es sind auch viele Menschen in der Region betroffen“, fährt er fort, „Angehörige von Ukrainern, wie die Neffen und Nichten eines Bekannten, die nicht wissen, wie es ihren Verwandten geht.“

Der CSU-Fraktionsvorsitzende Benjamin Zeitler beschreibt die allgemeine Gefühlslage: „Was wir erleben, hat uns erschüttert, fassungslos, auch wütend gemacht.“ Lange habe man Kriege in Europa für undenkbar gehalten. Dann kam Jugoslawien. „Jetzt bringt wieder eine kleine Clique großes Leid über ein Land.“ Es herrsche Skepsis über die Sinnhaftigkeit solcher Kundgebungen: „Aber wir zeigen gemeinsam, die Politik und die Zivilgesellschaft, dass Putin allein ist.“ Man habe verlernt, für die eigene Freiheit einzustehen. Aber: „Ohne Sicherheit kann es keine Freiheit geben.“ Was in der Ukraine passiere, geschehe auch anderswo. „Wir müssen die Aggressoren dieser Welt in die Ecke drängen.“

Foto: OberpfalzECHO/David Trott
Foto: OberpfalzECHO/David Trott

Roland Richter: Ende des „Wind of Change“

SPD-Fraktionsvorsitzender Roland Richter bedauert, dass es windstill geworden sei in Europa: „Der Wind of Change, in den wir so viel Hoffnung und Zuversicht gesetzt haben, ist vorbei.“ Selbst das Undenkbare, ein nuklearer Konflikt, sei nicht mehr ausgeschlossen. „Es gibt keine Worte, die das beschreiben.“ Jetzt müsse man Taten statt Worte sprechen lassen. „Die Tore dieser Stadt sind immer offen.“ Er erinnert daran, dass in Weiden auch viele Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion heimisch geworden seien: „Sorgen Sie alle miteinander dafür, dass Hass diese Stadtgemeinschaft nicht auseinanderdividiert.“

Auch Sprecher der Fraktionsgemeinschaften von Grünen und Linken sowie Freien Wählern und FDP beschwören an diesem außergewöhnlichen Aschermittwoch, an dem Polemik keinen Platz habe, die Gemeinschaft der freiheitlichen Welt – bei aller Skepsis, ob Waffenlieferungen Putin zum Umdenken bewegen könnten. Laut Redaktionsnetzwerk Deutschland gebe es nach ersten Schätzungen bereits jetzt Tausende Kriegsopfer und mindestens 800.000 Menschen auf der Flucht.

Solidarität auch mit den Klitschko-Brüdern, die Kiew verteidigen. Bild: Jürgen Herda

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