Welchen Nutzen haben ‘Big Data’ für den Handel?

Weiden. Ob beim Bezahlvorgang an der Kasse, über Suchanfragen in Onlineshops oder Likes in Sozialen Netzwerken: Kunden generieren online wie offline durch eine Vielzahl an Berührungspunkten mit dem Handel täglich große Datenmengen. „Diese Masse an Rohdaten, der sogenannte ‘Big Data Lake‘, bietet per se aber noch keinerlei Mehrwert an Information“, sagte Dr. Matthias Segerer, Handelsexperte der IHK Regensburg für Oberpfalz/Kelheim.

Big Data im Handel OTH Weiden Hörsaal
„Big Data ist aus dem Handel nicht mehr wegzudenken“, so der Vorsitzende des IHK-Handelsausschuss Wolfgang Holzapfel bei der Veranstaltung zu Big Data im Handel. Bild: Götz

Wie Händler die Daten in ihrem Unternehmen nutzen können, darüber informierten sich rund 100 Teilnehmer bei einer gemeinsamen Veranstaltung von IHK und OTH Amberg-Weiden an der Hochschule in Weiden. „Die Zukunft des Handels ist datengetrieben“, sagte Georg Wittmann, Geschäftsführer bei ibi Research und des Kompetenzzentrums Handels des Bundeswirtschaftsministeriums. Doch Daten müssten nicht nur gesammelt, sondern auch ausgewertet werden, um einen Nutzen zu generieren.

„Es kommt darauf an, was der Händler daraus macht. Im besten Falle gibt es Analysemuster, die nicht nur Zusammenhänge im Nachhinein bestimmen, sondern in Echtzeit Kundenverhalten voraussagen“, bestätigt Prof. Dr. Christian Schieder von der OTH Amberg-Weiden. E-Commerce-Kollege Prof. Dr. Marco Nirschl konkretisiert für den Handel: „Big Data und künstliche Intelligenz ermöglichen für den Handel völlig neue Möglichkeiten, um individualisiert Produkte oder Werbemaßnahmen auszuspielen.“ Dabei ginge es bei Big Data nicht nur um einen Mehrwert für Händler, sondern auch um den Kunden auf der Suche nach dem Wunschprodukt.

Dynamische Preisgestaltung

Für die Analyse der stetig wachsenden Datenberge brauche es Künstliche Intelligenz (KI), die Algorithmen für Entscheidungen erstelle. Wie KI eingesetzt werden kann, das zeigte Jan Lippert von der Prudsys AG in Chemnitz unter dem Stichwort „Dynamic Pricing“. „Die Preisgestaltung wird von mehr beeinflusst als Angebot und Nachfrage“, so der Experte. Die Vielzahl weiterer Einflussgrößen wie beispielsweise Preise von Wettbewerbern und regionale Besonderheiten seien für den einzelnen Mitarbeiter nicht mehr überschaubar – mittels KI hingegen schon.

„Werden all diese Daten bei der Preisgestaltung berücksichtigt, wird das Absatzpotenzial deutlich besser ausgeschöpft“, ist sich Lippert sicher. „Früher hat man selbst Preise gesetzt, heute setzt ein Algorithmus die Preise“, stimmt Nirschl zu.

Digitale Daten offline nutzen

Wie Datenanalyse auch im stationären Geschäft zum Erfolg führen kann, zeigte Oliver Gießübel, Inhaber der gleichnamigen Intersport-Geschäfte in Oberfranken und den neuen Bundesländern. „Die Kunst ist es, eine relevante Kennzahl zu identifizieren, die messbar ist und an der sich auch die Mitarbeiter orientieren können.“ Hierbei machte er sich eine Maßzahl des E-Commerce zu Eigen: Die Conversion Rate. „Alle Entscheidungen und Aktivitäten sind darauf ausgerichtet, die Zahl der zahlenden Kunden zu erhöhen.“ Dadurch werde nicht nur der Umsatz optimiert, sondern die Kundenfrequenz und -bindung erhöht.

Die Argusto GmbH setzt ebenfalls auf den Nutzen von Daten im stationären Geschäft. Das Erbendorfer Unternehmen entwickelte eine digitale Plattform, um Marktinformationen aus der Lebensmittelbranche im Bereich des Eigenmarken- und des Marken-Sortiments zu erheben. Darüber informieren sie ihre Kunden aus der Lebensmittelindustrie oder dem Handel in Echtzeit über Marktsortimente und deren Verkaufszahlen.

„Wir wollen unseren Partnerproduzenten im Lebensmitteleinzelhandel relevante Entscheidungsinformationen zur Verfügung stellen“, so Geschäftsführer Norbert Klamt. Die gewonnenen Daten schaffen Transparenz über Produkte, erkennen Lücken in Marktsortimenten und damit potenzielle Absatzmärkte.

Auf verschiedenen Ebenen nutzen

Björn Eichler von Conrad SE berichtete, wie der Elektronikhändler mit verschiedenen Analysesystemen aus mehr als 55 Milliarden Datensätzen relevante Informationen herausfiltert. „Beim Empfehlungsmanagement geht es heute nicht mehr nur darum, ähnliche Produkte vorzuschlagen, sondern personalisierte Produktempfehlungen auszuspielen“, so Eichler. Zudem versucht Conrad über ein sogenanntes „Fraud Prediction“ Zahlungsausfälle auf ein Minimum zu reduzieren. Auf Basis eines komplexen Entscheidungsalgorithmus werden dazu Informationen über den Kunden aus möglichst vielen Datenquellen verbunden.

„Solche Einsatzbeispiele verdeutlichen, dass Big Data aus dem Handel nicht mehr wegzudenken ist. Jeder Händler sollte sich überlegen, wo er daraus einen Nutzen für sein Geschäftsmodell ziehen kann“, resümierte Wolfgang Holzapfel, Vorsitzender des IHK-Handelsausschusses. OTH-Vizepräsidentin Prof. Dr. Christiane Hellbach bestätigte die Dringlichkeit für die Unternehmer, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen: „Big Data bedeutet die größte Veränderung im Handel seit der Einführung der Selbstbedienung.“

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