Wenn der Traum-Mann zum Prügel-Scheusal wird

Weiden. Die Fälle von häuslicher Gewalt nehmen wieder zu. Die Opfer sind in erster Linie die Frauen. Doch vielen fällt es schwer, einen Schlussstrich zu ziehen.

Angela Koch (links) und Eva Kett bearbeiten bei der Polizeiinspektion Weiden die Fälle von häuslicher Gewalt. Foto: Theo Kurtz

Alle drei Tage wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Häusliche Gewalt in ihrer extremsten Form. Die Hilfsorganisation Weißer Ring schlug Ende des vergangenen Jahres schon Alarm. Bundesweit wurden mehr als 3.000 Fälle registriert.

Nein, Tote durch häusliche Gewalt, die tauchen in der Statistik der Polizeiinspektion Weiden bislang noch nicht auf. Gott sei Dank. Trotzdem: die Fallzahlen steigen wieder, auch wenn für 2022 noch keine genaue Statistik vorliegt. “Ich denke, wir erreichen das Niveau wie vor Corona”, ist sich Presssprecher Mario Schieder ziemlich sicher. 2019 wurden in der Stadt Weiden 138 Fälle angezeigt, 2021 waren es “nur” 107.

Keine Chance auf ein Techtelmechtel

Seit September 2022 bearbeitet mit Eva Kett und Angela Koch ein Beamtinnenduo diese Straftaten. Dass es gerade in Zeiten, in denen die Leute sich in die eigenen vier Wände zurückziehen mussten, die Fallzahlen zurückgingen, mag überraschen. Es hat aber einen ganz plausiblen Grund. In der Hochphase der Pandemie waren auch die Kneipen dicht. Damit standen die Chancen, sich in ein promillegetriebenes außerhäusliches Techtelmechtel zu stürzen, extrem schlecht. “In nicht gerade wenigen Fällen ist gerade Eifersucht der Gewalt-Auslöser”, weiß Angela Koch

Frauen sind in erster Linie die Opfer

Häusliche Gewalt. Ein schwieriges Feld. In erster Linie sind Frauen die Leidtragenden. Genau das ist das Problem. Viele sind wirtschaftlich abhängig vom Prügel-Partner. “Sie sind von Existenzängsten geplagt”, erzählt Eva Kett. Sind auch noch Kinder im Haushalt, wird es noch schwieriger, sich vom gewalttätigen Mann loszusagen. Dabei muss die Gewalt nicht zwangsläufig physischer Naur sein. Die psychischen “Schläge” und Demütigungen sind viel schmerzhafter. Haben die Opfer den Mut gefasst, bei der Polizei anzurufen, rücken die Beamten aus. Sie sprechen vor Ort dann dem Aggressor ein Kontaktverbot aus. Zwei Wochen lang muss der sich fern halten. Zeit genug für das Opfer, die nächsten, auch gerichtlichen Schritte einzuleiten.

Und sie sind nicht alleine. Organisationen wie etwa der Weiße Ring beraten, helfen weiter. Frauenhäuser bieten ihnen und ihren Kindern Schutz vor ihrem prügelnden Mann. Danach werden die Gerichte aktiv. Aus dem zweiwöchigen Kontaktverbot wird ein dauerhaftes. Doch immer wieder kommt es vor, dass die Frauen ihre Anzeige zurückziehen.

Fälle, die unter die Haut gehen

So mancher Fall geht den beiden Polizeibeamtinnen unter die Haut. “Besonders wenn Kinder im Spiel sind”, erzählt Angela Koch. Und ihre Kollegin Eva Kett beschäftigt noch heute eine Situation. Trotz Kontaktverbots hatte sich der alkoholkranke Mann immer wieder seiner noch immer über alles geliebten Frau genähert, sie leicht berührt oder kurz an der Hand festgehalten. “Es waren aber keine strafrechtlich relevanten Taten, weswegen wir hätten einschreiten können”, erläutert Eva Kett das Dilemma. Es bestand aber tatsächlich eine abstrakte Gefahr, dass die Situation hätte eskalieren können. Doch das Problem löste sich von selbst. Die Frau zog weg – ins Ausland. Gott sei Dank.

Josef Wittmann betreut als Außenstellenleiter des Weißen Rings die Landkreise Neustadt/WN und Tirschenreuth, sowie die Stadt Weiden. Foto: Ann Marie Zell

Weißer Ring hilft Kriminalitätsopfern

Eine der Anlaufstellen, an die sich die Frauen wenden können, ist der Weiße Ring. Der frühere Weidener Polizeidirektor Josef Wittmann ist ehrenamtlicher Außenstellenleiter und zuständig für die Landkreise Neustadt/WN, Tirschenreuth und die Stadt Weiden. Elf Fälle von häuslicher Gewalt landeten 2022 auf seinem Schreibtisch, im noch relativ jungen Jahr 2023 sind es bereits drei. Bei einem der aktuellen Fälle hatte die Frau nach einer langjährigen Beziehung 2017 den Schlussstrich gezogen. Der Partner zog zwar damals aus, aber in unmittelbarer Nachbarschaft wieder ein. Unvermeidbar, dass sich die beiden also über den Weg laufen. Extrem unangenehm für die Frau. “Ihr Ex beleidigt sie übelst, spuckt sogar vor ihr Haus”, weiß Wittmann. Darum hat sie sich jetzt in ihrer Not an den Außenstellenleiter des Weißen Rings gewandt.

Wertvolle Ratschläge

Der hatte für sie gleich ein paar entscheidende Ratschläge parat. Sie sollte Anzeige bei der Polizei stellen und nach dem Gewaltschutzgesetz ein gerichtliches Kontaktverbot erwirken. “Es macht Sinn, einen Rechtsanwalt hinzuziehen”, betont der Außenstellenleiter. Der kostet natürlich Geld. Wer erwiesenermaßen knapp bei Kasse ist, der bekommt vom Weißen Ring einen Erstberatungsscheck über 190 Euro. Weil die Frau auch an Schlaflosigkeit und Angstzuständen leidet, hatte ihr Wittmann geraten, sich in psychotherapeutische Behandlung zu begeben. Auch dafür konnte er ihr einen Zuschuss über 190 Euro zur Verfügung stellen.

Stiftung Opferhilfe Bayern

Wittmann lässt nichts unversucht, um den Kriminalitätsopfern zu helfen, auch, wo es gerechtfertigt ist, finanziell. “Die bekommen ja in der Regel kein Schmerzensgeld.” In seiner fast 15-jährigen Tätigkeit als Außenstellenleiter hatte er schon drei Mal bei der Stiftung Opferhilfe Bayern angeklopft und jeweils die Maximalsumme von 10.000 Euro loseisen können. Bekommen hatte das Geld unter anderem das Mädchen (13), das 2013 in einer Fabrikhalle in Waldsassen von einem 15-Jährigen mit einem Stein fast erschlagen worden wäre.

Mitstreiter gesucht

Wittmann könnte übrigens ehrenamtliche Verstärkung für die Außenstelle des Weißen Rings brauchen. Zwei Dinge muss der- oder diejenige mitbringen: Gesunden Menschenverstand und einen guten Leumund. Interessenten können sich per Mail unter wittmann.josef@mail-weisser-ring.de oder telefonisch unter (09602) 9444707 melden.

Weißer Ring kann jeden Euro brauchen:

Der Weiße Ring finanziert seine Arbeit ohne staatliche Zuschüsse, nur mit Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Geldbußen und testamentarischen Zuwendungen. Wer den gemeinnützigen Verein unterstützen will, hier das Spendenkonto: Deutsche Bank Mainz, IBAN: DE26 5507 0040 0034 3434 00, BIC: DEUTDE5MXXX

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