Widerstand in Nazi-Zeit: Pfarrer steht tausenden Todeskandidaten bei

Weiden. Ein Berliner Gefängnispfarrer stand ab 1933 verurteilten Widerstandskämpfern bei. Bis zum Tod durch Guillotine oder Galgen.

Pfarrer Harald Poelchau zählt zu den weniger bekannten Widerstandskämpfern gegen den nationalsozialistischen Terror. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde allgemein bekannt, dass der Anstaltsgeistliche von Berlin-Tegel Mitglied der Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis war.

Ein Vortragsabend beleuchtete das Lebenswerk von Harald Poelchau. Eingeladen hatte der Freundeskreis Weiden der Evangelischen Akademie Tutzing zusammen mit dem Evangelischen Bildungswerk Oberpfalz. Selten werden Zuhörern eines Vortrags mit einer solchen Fülle von extremsten Grausamkeiten konfrontiert. Es ging um eine minutiöse Schilderung von Vorgängen im Zusammenhang mit der Hinrichtung von Gefangenen in Berlin-Tegel.

Tausende in den letzten Stunden begleitet

In ihren letzten Stunden wurden die Todeskandidaten von Gefängnispfarrer Harald Poelchau begleitet. Das Leben und Wirken dieses Geistlichen stand im Mittelpunkt des Vortrags des Historikers Professor em. Dr. Christoph Schminck-Gustavus aus Bremen. Die Dunkelheit im Saal des Martin-Schalling-Hauses verstärkte die Eindrücke der schrecklichen Bilder und Wortinhalte auf der Leinwand.

Der Gefängnispfarrer Poelchau begleitete von 1933 bis zum Kriegsende mehr als tausend zum Tode verurteilte Häftlinge auf dem Weg zur Guillotine, zur Galgenschiene oder zur Erschießungsstätte. Poelchau kümmerte sich auch um Angehörige der Getöteten, überbrachte Abschiedsbriefe und sorgte auch für zahlreiche versteckte Juden, die er bei Vertrauenspersonen untergebracht hatte.

Immer wieder wechselte der Referent Schminck-Gustavus auch zu Bilddokumenten der NS-Zeit, zum Beispiel Massenaufmärschen, um die Einordnung der Arbeit des Gefängnispfarrers in das Zeitgeschehen zu dokumentieren. Niedergeschrieben hat Schminck-Gustavus die Geschehnisse in seinem Buch „Helfen verboten?“ in dem er aus schriftlich festgehaltenen Erinnerungen des Pfarrers Poelchau zitiert.

In Tegel 20 Guillotinen

Hieraus geht unter anderem hervor, dass in der Gefängniswerkstatt in Tegel 20 Guillotinen hergestellt wurden, dass die ersten Hinrichtungen noch mit dem Handbeil vollzogen wurden und dass „in drei Septembernächten 360 Menschen den Tod am Galgen starben: Lehrer, Beamte, Arbeiter, Kaufleute, Offiziere und Künstler“. Gezeigt wurde im Vortrag auch eine Kostenrechnung der Staatsanwaltschaft von 766,80 Reichsmark für die eine Hinrichtung. „Ordnung musste auch im Nazi-Staat sein“, kommentierte der Referent solche Vorgänge.

Berichtet wurde auch vom genauen Ablauf der Hinrichtung mit der Guillotine, die meistens in 11 bis 13 Sekunden abgeschlossen war. 30 bis 40 Hinrichtungen hätte es „in einem Zuge“ gegeben. Anschließend sei von den Verantwortlichen auf eine gelungene Aktion angestoßen worden. Gefängnispfarrer Poelchau begegnete während seiner Tätigkeit unter anderem dem Widerstandskämpfer Helmuth James Graf von Moltke und dem später in Flossenbürg ermordeten Dietrich Bonhoeffer.

An den Gefängnispfarrer Poelchau wird zwischenzeitlich an zahlreichen Stellen gedacht. Unter anderem wurde vor vier Jahren in Berlin-Tegel ein Denkmal für ihn eingeweiht und ein Ehrengrab besteht in Berlin-Zehlendorf. Auch eine Straße in Berlin wurde nach Poelchau benannt. Und er wird seit 1971 in Jerusalem in der Gedenkstätte Yad Vashem in der Allee der Gerechten geehrt. Bis zu seinem Tod im Jahre 1972 war Poelchau Sozialpfarrer der Evangelischen Kirche Berlins.  

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