Wie macht man bayerisch-böhmische Städtepartnerschaften fit für die Zukunft?

Bärnau. Vier Bürgermeister, zwei oberpfälzisch-westböhmische Städtepartnerschaften: Bei der Podiumsdiskussion im Geschichtspark schildern die Stadtoberhäupter von Bärnau, Tachov, Floß und Tlučná ihre Erfahrungen mit dem jeweils anderen Partner – und überlegen gemeinsam, wie die Jugend besser eingebunden werden kann.

Auf Bärnaus Städtepartnerschafts-Podium (von links): Die Bürgermeister Alfred Stier (Bärnau), Ladislav Macák (Tachov), Jan Opl (Tlučná) und Robert Lindner (Floß). Im Hintergrund Gastgeber Alfred Wolf. Bild: Jürgen Herda

Über 6000 Städte- und Gemeindepartnerschaften sind im Lauf der Jahrzehnte zwischen deutschen und meist anderen europäischen Kommunen entstanden. Sie ermöglichen vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg ungezwungene Begegnungen zwischen ehemals verfeindeten Völkern. Städtepartnerschaften sind eine Art EU von unten, die zeigen, dass Europa kein „Eliten-Projekt“ ist.

Partnerschaftsmüde?

Inzwischen stellt sich allerdings eine gewisse Partnerschaftsmüdigkeit ein. Nach einer Umfrage in großen und mittleren Städten können viele Bürger kaum eine Partnerstadt ihrer Heimatstadt nennen. Tendenz: Seit 2001 werden immer weniger Verträge geschlossen – lobende Ausnahmen: die hier vertretenen Partnergemeinden.

So stellen immer mehr Bürgermeister die Sinnfrage: „Nicht nur, weil Städtepartnerschaften Menschen erfordern, die sich dafür interessieren, darum kümmern und Projekte auf den Weg bringen, die Bürger aus beiden Städten zusammenführen und die Verbindung wachsen lassen“, fordert etwa Oberbürgermeister Bernhard Gmehling (CSU) aus der großen Kreisstadt Neuburg an der Donau. „Sondern auch, weil eine Beziehung Geld kostet: 69.000 Euro sind im städtischen Haushalt für die engeren Partnerschaften und loseren Freundschaften zu anderen Städten im Jahr 2018 veranschlagt.“

Wie belebt man die Partnerschaft?

Als weitere Hindernisse werden genannt: Entfernungen und damit verbundene geringe Begegnungsmöglichkeiten und hoher Finanzbedarf, mangelnde Sprachkenntnisse, Überalterung der Pioniere und Nachwuchsprobleme, fehlende Krisenerfahrung der nächsten Generation.

Deshalb stellt sich die Frage: Wie belebt man eine Partnerschaft, wie hält man sie am Laufen und wie kann man auf Veränderungen eingehen? Antworten darauf erhoffen wir uns von den vier Bürgermeistern auf dem Podium:

• Alfred Stier (CSU), Bärnau, seit 2012 nicht nur Meister der Bürger, sondern schon länger der Fischerei, weshalb er auch beruflich in Tschechien unterwegs ist.

Rechtsanwalt Ladislav Macák, (Sozialdemokrat/ČSSD), mit Pause seit 1998 Bürgermeister der Stadt Tachov und von 2002 bis 2008 Senator der zweiten Parlamentskammer der Tschechischen Republik.

Der gelernte Medizincontroller bei der Kliniken Nordoberpfalz AG Robert Lindner (SPD) ist seit 2020 Bürgermeistermeister des Marktes Floß.Der studierte Politikwissenschaftler (Westböhmische Universität Pilsen)

• Jan Opl ist seit 2018 Bürgermeister des früheren Bergbauortes Tlučná unweit von Pilsen. Er startete seine Laufbahn als Assistent des Bezirkshauptmanns bei der Region Pilsen mit Schwerpunkt Regionalentwicklung und grenzüberschreitende Beziehungen.

Auf Bärnaus Städtepartnerschafts-Podium (von links): Die Bürgermeister Alfred Stier (Bärnau), Ladislav Macák (Tachov), Jan Opl (Tlučná) und Robert Lindner (Floß). Im Hintergrund Gastgeber Alfred Wolf. Bild: Jürgen Herda

Alfred Stier: „Ständig neue Projekte“

„In der Stadt Bärnau wurde die Partnerschaft zu einem großen Teil vom Sport vorangetrieben. Das Skigebiet Silberhütte war eine grenzüberschreitende Attraktion, wir wollten die persönlichen Kontakte intensivieren. Dazu kam die Entwicklung des Geschichtsparks durch Alfred Wolf, der auch die grenzüberschreitende Theatergemeinschaft initiierte, von der die Leute heute noch sprechen.  Man muss klar sagen, wir hätten die Partnerschaft selbst nicht so umsetzen können, der Geschichtspark hat es uns vorgelebt.“

Die Bärnauer hätten das Glück mit Alfred Wolf, Václav Vrbík und vielen anderen Akteuren des Vereins „Via Carolina – Goldene Straße“ engagierte Bürger in der Gemeinde zu haben, die die bayerisch-böhmischen Beziehungen immer wieder anschöben. „Es werden immer mehr“, freut sich Stier, „die Fangemeinde wechselt dynamisch.“ Die Stars des Vereins würden aber nie nicht nachlassen, immer wieder neue Projekte aus dem Boden zu stampfen.

Ladislav Macák: „Am besten kommen Feste an“

„Ich kann sagen, dass es mit der Stadt Bärnau immer nur die beste Zusammenarbeit gab, nicht nur zwischen den Bürgermeistern. Auch die Schulen kamen dazu. Insbesondere das Engagement von Alfred Wolf hat dazu beigetragen. Wir haben selbst in Tachov schon früher historische Feste veranstaltet, und ich freue mich, dass wir unsere Erfahrungen weitergeben konnten – beim ersten Stadtfest haben wir mitgeholfen.“

Welche Bedeutung haben die gemeinsamen Projekte wie Geschichtspark, AchaeoCentrum, Grünes Band oder die zweisprachigen Theaterfestivals für Tachov – wie stark nehmen die Bürger daran Anteil? „Wir bewerben diese Aktivitäten natürlich auch bei uns.“ Die Resonanz hänge davon ab, inwieweit die Tachauer das jeweilige Thema interessiere. Zugegeben: „Feiern kommen natürlich am besten an.“

Der Geschichtspark Bärnau als Heimat ständig neuer bayerisch-böhmischer Aktivitäten: Das Filmprojekt zwischen der Universität Pilsen und der OTH Amberg-Weiden,. initiiert vom Kulturverein Bohème. Bild: Jürgen Herda

Robert Lindner: „Viele sprechen ja Deutsch“

„2018 gab es eine Anfrage an den Landkreis, die an den Marktrat weitergeleitet wurde. Wir haben uns zu dritt getroffen, mein Vorgänger Günter Stich, eine Marktratskollege und ich, und haben die Idee besprochen. Wir waren dann auf dem Gemeindefest, auf dem Weihnachtsmarkt in Tlučná und schließlich kam es zur feierlichen Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde. Ich bin seit 2020 Bürgermeister, und, tja, am 15. März 2020 ging‘s mit Corona los – wir haben den Kontakt so gut es ging gehalten, und ich denke, wir können das jetzt nahtlos wieder aufgreifen.“

Der Markt Floß hat zur Stärkung der Partnerschaft versucht, die Vereine miteinander zu verbandeln – wie ist das beim Fußballverein, bei der Feuerwehr und der Landwehr angekommen?„Das Interesse war von Anfang an da, alle sind gerne mit nach Tlučná gefahren.“ Wenn auch mit einem etwas mulmigen Gefühl: „Was kommt da auf uns zu, wir können kein Wort Tschechisch“, hätten einige gedacht. Erleichterung bei der Ankunft: „Dort sprechen ja viele Deutsch – als wir beim ersten Mal drüben waren, waren alle Feuer und Flamme.“ Und jetzt seien alle heiß darauf, dass endlich wieder etwas passiert.

Jan Opl: „Das gute Flosser Bier als Eisbrecher“

„Wir haben uns bereits gegenseitig besucht und schätzen gelernt. In meiner Zeit als Referent des Bezirks Pilsen war eine meiner ersten Veranstaltungen, für ich verantwortlich war, ein Symposium zum ländlichen Raum, der auch dadurch geprägt ist, dass wir 40 Jahre durch den Eisernen Vorhang getrennt waren. Dadurch konnte ich erste Erfahrungen mit grenzüberschreitender Zusammenarbeit sammeln. Als Geburtshelfer war Václav Vrbík, der im Geschichtspark arbeitet und bei uns lebt, eine große Hilfe. Ich glaube fest daran, dass wir an die Projekte von vor Corona anknüpfen werden.“

Wie erklärt man seinen Bürgern eine Partnerschaft mit einem Oberpfälzer Marktstädtchen, das bis dahin, genauso wie umgekehrt, wohl kaum einer gekannt hat – wie groß war das Interesse, Floß besser kennenzulernen? „Ich muss das nicht mehr erklären“, sagt Opl amüsiert, „viele waren ja inzwischen schon in Floß, und haben festgestellt, das ist ein schönes Städtchen.“ Man sei stolz auf die Partnerschaft. Umgekehrt profitierten gerade auch die Flosser Schüler bei ihrem Besuch von der Nähe zur Großstadt Pilsen: „Wir waren gemeinsam im Depot Pilsen, eine coole Location.“ Und endgültig gewonnen hätten die Flosser, als sie ihr Mitbringsel ausgepackt hätten: „Sie haben ihr gutes Bier mitgebracht!“

Die Flosser Landwehr beim Gemeindefest in in Tlučná. Bild: Markt Floß

Trennende Pandemie

„Und dann kam Corona.“ Ein Satz, der immer wieder fällt. Wie ging die Stadt Tachov mit den Grenzschließungen um – gab es eine Abstimmung bezüglich der Pendler, möglicherweise auch Bitten an die Prager Regierung, die Belange der Grenzregion besonders zu berücksichtigen? „Auf jeden Fall kam das sehr überraschend von einen Tag auf den anderen“, erinnert sich Macák, der versucht habe, viele Probleme im Austausch mit der Bezirksregierung zu lösen.

Wie groß war die Akzeptanz der Bürger in Tlučná für die Corona-Maßnahmen?„Man muss die erste Welle und die folgenden unterscheiden“, erklärt Opl. Zu Beginn habe die Solidarität überwogen, jüngere Leute hätten für die Älteren eingekauft, man habe Rücksicht aufeinander genommen. „Man wollte die Eltern und Großeltern nicht anstecken.“ Mit der Zeit seien immer häufiger kritische Kommentare laut geworden. „Vor allem, seit der bekannte Zahnarzt und Corona-Skeptiker Roman Šmucler seine Thesen publiziert hatte.“

Krankentransporte und kleiner Grenzverkehr

Lindner, der von seiner Amtszeit als Controller im Klinikum profunde Einblicke ins Gesundheitswesen hat, weiß von Engpässen im Herbst und Winter: „Ich habe von Transporten aus Tschechien gehört. Die Belastung im Klinikum Weiden und der AG  war durchgehend hoch – das Personal arbeitete zwei Jahre fast immer unter Hochlast.“

Für die Bürger Bärnaus sei Tachov und Umgebung ein Naherholungsgebiet: „Unsere Leute wollen auch über den Tellerrand schauen“, sagt Stier, „da ist Tachov natürlich prädestiniert, auch wegen seiner guten und günstigen Mahlzeiten.“ An dem Tag, als der Lockdown begann, hätten alle noch kurz vor Torschluss tanken wollen. Dann sei man Adressat der Bitten Bärnauer Unternehmen geworden, die als systemrelevante Betriebe von den rund 6000 tschechischen Pendler abhängig seien: „Die Stiftländer Wirtschaft würde ohne sie zusammenbrechen.“

Wo g’redt wird, kumma d’Leit zam. Das gilt auch für den Besuch der Flosser Delegation beim Gemeindefest in Tlučná. Bild: Markt Floß

Mluvíte česky? Sprechen Sie Deutsch?

Nach der Grenzöffnung herrschte auf beiden Seiten Euphorie. In Tschechien sprachen viele ältere Menschen Deutsch, und selbst in Bayern florierten Tschechisch-Kurse der Volkshochschulen. Inzwischen hat sich Ernüchterung eingestellt. Tschechisch-Unterricht an Oberpfälzer Schulen bleibt die Ausnahme, und in Tschechien ist der Deutsch-Unterricht auf dem Rückzug. „Mein Tschechisch tendiert gegen Null“, gibt Alfred Stier gerne zu, der als Unternehmer im Nachbarland unterwegs ist. „Außer einigen Fachbegriffen und landläufigen internationalen Vokabeln.“

Etwas besser sieht’s da in Tlučná aus: „Ich habe so um 2004 herum während meines Studiums ganz anständig Deutsch gesprochen“, sagt Jan Opl, „da ich es aber nicht genutzt habe, habe ich es auch anständig wieder vergessen.“ Immerhin: „Ich verstehe noch das Wirtshausdeutsch ganz gut.“ Mit Ver- und Bewunderung sei er bei einem Praktikum in Brüssel auf eine junge Oberpfälzerin getroffen: „Ich war beeindruckt, wie gut sie Tschechisch spricht.“ Die Sprache sei für das gegenseitige Verständnis wichtig.

Pflichtfach Deutsch in Tachov

Gute Nachrichten aus Tachov: „Mit großer Freude kann ich sagen, dass in allen unserer drei Grundschulen Deutschunterricht auf der ersten Stufe, also ab der 3. Klasse obligatorisch angeboten wird“, sagt Ladislav Macák. „Es stimmt allerdings auch, dass Englisch auf dem Vormarsch ist.“ Nicht nur in Tschechien, auch in Deutschland und dem Rest der Welt sei das eben die Lingua franca.

Da Robert Lindner sein Abitur vor der Grenzöffnung gemacht habe, sei er in puncto Tschechisch-Unterricht an deutschen Schulen überfragt. „Ich weiß, dass es das an manchen Schulen als Wahlfach gibt“, fügt er hinzu. Es sei weder bei Schülern noch bei Eltern so richtig auf dem Schirm. „Ich persönlich fände es wichtig, für unsere Zukunft, für unseren gemeinsamen Wirtschaftsraum, der zusammenwächst.“

Ladislav Macák (links) freut sich, dass in seinen Grundschulen noch Deutsch unterrichtet wird. Bild: Jürgen Herda

Gemeinsamer Wirtschaftsraum auf Augenhöhe?

Bayerische und tschechische Unternehmen konkurrieren um Fachpersonal – auch um Ärzte und Pflegepersonal. Kann es hier sich einen gemeinsamen Ansatz geben oder gewinnt einfach, wer mehr zahlen kann? „Bei den Löhnen kann Tschechien nicht konkurrieren“, stellt Jan Opl nüchtern fest. Immerhin: „Die Zusammenarbeit im integrierten Rettungssystem funktioniert gut“, nennt er ein dreijähriges EU-Projekt als Best-Practice-Beispiel.

Die IHK spricht angesichts von 13.000 tschechischen Pendlern und vielen deutschen Unternehmen in Westböhmen bereits von einem gemeinsamen Wirtschaftsraum. Aber wirtschaftet man auch auf Augenhöhe? „Fairness herrscht da eher nicht“, bedauert Robert Lindner. „Im Klinikum sind etliche tschechische Ärzte beschäftigt, wenn die nicht mehr dort wären, würde das nicht funktionieren.“

Oberzentrum Waldsassen-Cheb als Modell?

Welchen konkreten Mehrwert hat eigentlich das gemeinsame Oberzentrum Waldsassen-Cheb – ist das ein Titel ohne Mittel oder ein Modell auch für andere Städtepartner? „Der Titel ist schon mal schön“, frotzelt Stier, „oder wie Söder sagen würde, ,angemessen’.“ Ein Oberzentrum müsse sich entwickeln: „Strategisch finde ich das super, schon allein aus fördertechnischen Überlegungen heraus höchst sinnvoll.“ Er selbst arbeite gut mit der Stadt Waldsassen zusammen, Bürgermeister Bernd Sommer mache seine Sache als Vorsitzender der „Ikom Stiftland“ ausgezeichnet.

Aus dem Publikum ergänzt dazu ein Mann, der’s wissen muss: „Von einem Oberzentrum profitiert die ganze Region“, erklärt Markus Scharnagl, 3. Bürgermeister von Waldsassen, „aber das muss auch politisch gestützt, gefördert und mit Leben gefüllt werden.“ Dazu gehöre die entsprechende gesundheitliche Versorgung statt Krankenhausschließungen, dazu gehöre eine ausreichende Ausstattung mit Polizei statt Zusammenlegungen. Ein anderes Modell für die Region könnte die Ansiedlung des BMW-Zentrums für autonomes Fahren in Sokolov sein: „Solche Schritte sind zu begrüßen“, freut sich Ladislav Macák über die Ausstrahlung dieser innovativen Ansiedlung auf die gesamte Grenzregion.

Jan Opl sagt nüchtern, dass tschechische Unternehmen im Wettbewerb um Fachkräfte noch nicht mit deutschen Löhnen konkurrieren können. Bild: Jürgen Herda

Wie lockt man die Generation Y bis Z?

Selbst die besten Partnerschaften können über kurz oder lang am Desinteresse des Nachwuchses scheitern. Wie gut kennen die Rathauschefs die Bedürfnisse der Generation Y und Z, die Millenials und Nachfolger zwischen Handysucht und Fridays for Future? Wie wäre es, wenn Floß im neu gestalteten Marktzentrum eine Art Jugend-Begegnungszentrum einrichtet, in dem junge Blogger aus Tlučná zwei Wochen leben und Video-Reportagen über ihre Nachbargemeinde aufzeichnen könnten? „Wir bauen hier tatsächlich gerade mit Städtebauförderung um“, sinniert Robert Lindner. „Da soll eine Bücherei rein, ein Markt-Café, ein Co-Working-Space – und es gibt Multifunktionsräume, für die das eine gute Idee wäre.“

Der jüngste der vier Bürgermeister tut sich mit der Frage gleichwohl schwer: „Die Mehrheit meiner Freunde sind Ü50“, sagt Jan Opl süffisant, „ich verstehe selbst meinen 22-jährigen Bruder manchmal gar nicht.“ Er finde allerdings, dass die Jugend bereits über ihr Engagement bei der Feuerwehr und den Vereinen eingebunden sei. Er wolle die Schulzusammenarbeit stärken, damit hier Freundschaften entstünden. Und schließlich prophezeit er: „Den deutschen Jungs gefallen bestimmt unsere Mädels und umgekehrt.“

Vogelgesang und Bands auf Tour

Wie sieht es mit „Fridays for Future“ in Tachov aus – welche Rolle spielt Klima und Umwelt bei den Jugendlichen dort und lassen sie sich vielleicht für gemeinsame Projekte rund um das Grüne Band begeistern? „Ich sage jetzt fast, zum Glück haben wir das nicht“, zeigt Macák keine große Begeisterung für die Jugendbewegung. „Aber dennoch spielt Naturschutz eine Rolle, die auch helfen kann.“ So biete das Naturkundemuseum Tachov etwa Veranstaltungen, bei denen Jugendliche lernen könnten, Vögel über ihren Gesang zu identifizieren. „Außerdem funktioniert die Zusammenarbeit der Schulen ganz gut“, ergänzt er, „bei den Grenzlandspielen gehen die Jugendlichen zusammen Schwimmen oder Bowling-Spielen.“

Böte sich der Bärnauer Geschichtspark nicht auch als Historien-Fantasyland an – als Basislager für analoge Zeitreisen von Schülern aus Tachov in das Mittelalter als Alternative zu Ego-Shooter-Spielen am Rechner? Stier ist da skeptisch: „Stefan Wolters will als wissenschaftlicher Leiter alles andere als ein Disneyland“, sagt der Bürgermeister. „Er weiß aber in wissenschaftlicher Weise Menschen maximal für Geschichte zu begeistern.“ Man müsse die jungen Leute bei dem abholen, was sie gerne tun: „Und das ist in erster Linie Musik.“ Deutsche Bands könnten nach Tschechien touren: „Gleichzeitig würden deutsche Jugendliche mitrüberfahren“, ergänzt er. „Wir können wir das mit Bussen unterstützen.“

Der wissenschaftliche Leiter Stefan Wolters (links) und ein traditioneller Steinmetz. Archivbild: Jürgen Herda

Drei Wünsche von der Partnerschaftsfee

Man stelle sich vor, eine Städtepartnerschafts-Fee besucht die Bürgermeister im Rathaus: Sie haben drei Wünsche frei – was wünschen sie sich von der EU, von der Regierung und von dem Städtepartner? Alfred Stier wünscht sich „in puncto Städtepartnerschaft von der EU, dass sie für die begonnenen Projekte nicht nur Geld als Einstiegsdroge gibt, sondern auch die nächsten Schritte unterstützt“.

Von der Regierung fordere er eine massive Unterstützung des kommunalen und zivilgesellschaftlichen Engagements anstelle bürokratischer Hürden. „Und von unserem Partner wünsche ich mir“, sagt er lachend zum Kollegen Macák, „einen tschechischen Arzt“. Und um der Runde das Anliegen schmackhaft zu machen, spricht er gleich eine Einladung aus: „Wann treffen wir uns bei Flosser Bier, was kann der Herr Opl mitbringen, Musik und gute Laune? Ich stelle Salzwassergarnelen und der Kollege Macák einen Arzt und fünf junge Leute.“

„Gesundheit“ – na zdraví eben

„Das ist überhaupt kein Problem“, scherzt Tachovs Rathauschef zurück, „ich kann einen Urologen mitbringen.“ Er selbst wünsche sich, da er und Alfred Wolf nicht mehr die Jüngsten seien, „dass wir genügend junge Leute auf beiden Seiten als Nachfolger finden.“ Robert Lindner schließt sich allen Wünschen an, und ergänzt: „Dass die EU mit der Ukraine-Krise fertig wird und Frieden schafft, dass die Regierung die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge vereinfacht – und dass die Euregio durch Corona beeinträchtigte Projekte verlängert.“

Partner Opl wiederum appelliert an die EU, „dass sie das Motto einhält, Einheit in Verschiedenheit, Prosperität und Frieden zu schaffen.“ Seine Gemeinde habe rund 50 ukrainische Flüchtlinge aufgenommen: „Es ist schlimm mit anzuschauen, wie mittellose Mütter mit Kindern auf unsere Hilfe angewiesen sind.“ Von der Regierung fordere er, „Gemeinden nicht durch noch mehr Bürokratie zu behindern, damit wir nicht Stunde um Stunde durch das Ausfüllen sinnloser Papiere blockiert sind“. Und natürlich wünsche er allen „Gesundheit“ – na zdraví eben.

Großer Bahnhof auf dem Geschichtspark bei der Grundsteinlegung des ArchaeoCentrums Bayern-Böhmen. Bild: Jürgen Herda

Zahlen, Daten, Fakten zu Städtepartnerschaften

Nach Zahlen des „Rats der europäischen Gemeinden und Regionen“ haben 320 deutsche und tschechische Städte und Gemeinden einen Partnerschaftsvertrag geschlossen. Tschechien unterhält insgesamt rund 1125 Partnerschaften. Aus deutscher Sicht rangiert Tschechien damit auf Platz 5, aus tschechischer Sicht Deutschland auf Platz 1.

Bayerische Kommunen unterhalten derzeit 1297 Partnerschaften, davon rund 90 Partnerschaften zwischen bayerischen und tschechischen Städten und Gemeinden.Laut der jüngsten Publikation bestehen innerhalb der Euregio Egrenis über 20 Städtepartnerschaften, dazu viele freundschaftliche Kooperationen zwischen Kommunen beiderseits der Grenze und kommunale Allianzen etwa zwischen bayerischen Zweckverbänden und tschechischen Mikroregionen.

tädtepartnerschaften sind historisch im 20. Jahrhundert als erster Schritt nach Kriegen, Krisen und Konflikten geschlossen worden – die erste deutsch-dänische Partnerschaft schon 1925 zwischen Kiel und Sonderburg. Der eigentliche Hype begann nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem mit französischen Städten (über 2000). Die EU unterstützte Partnerschaften mit annähernd 100 Millionen Euro im Förderzeitraum von 2014 bis 2020.

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