Zwischen Pandemie, Prävention und Popkultur (2): Wie BioVariance durch Krisen steuert und Zukunft denkt
Tirschenreuth. Die Pandemie brachte BioVariance wirtschaftlichen Aufwind, aber wenig Innovation. Jetzt geht es darum, Forschungsergebnisse in konkrete Produkte zu überführen – und dabei neue Märkte wie Nahrungsergänzungsmittel zu erschließen.

Ihre Analysen waren in der Pandemie sehr gefragt – wie hat sich das wirtschaftlich und inhaltlich ausgewirkt?
Dr. Josef Scheiber: Wirtschaftlich ist es uns aufgrund der Pandemie-Analysen sehr gut gegangen, für die Forschung und Entwicklung war das wenig innovativ. 2024 war sehr herausfordernd, wir mussten personell zurückfahren. Forschungsarbeit dauert eben. Ich muss wissen, wie kriege ich den Switch in eine echte Anwendung hin? Wenn man diese Expertise hat, steht man vor der Herausforderung, was man damit nachhaltig aufbauen kann.
Mit der Lifestyle-Diagnostik können wir einen schnelleren Marktzugang erreichen. Jetzt sind die Ergebnisse verfügbar, und wir können uns auf die Vermarktung fokussieren. Dr. Josef Scheiber
Deutschland hat in vielen Feldern immer wieder Innovationen angestoßen, etwa in der Entwicklung von Corona-Impfstoffen oder bei Erneuerbaren Energien. Anschließend hat man das Feld oft geräumt. Andere Länder haben die Ergebnisse kopiert oder zumindest wirtschaftlich erfolgreich implementiert. Wer oder was kann dabei helfen, dass man auch die Früchte ernten kann?
Scheiber: Förderprojekte können eine Anschubfinanzierung leisten, aber für den erfolgreichen Markteintritt braucht man starke Partner. Das müssen nicht zwangsläufig Konzerne sein, kleinere Unternehmen agieren oft schneller. Wir sind beim Thema Nahrungsergänzungsmittel mit Firmen in Kontakt, die in dem Bereich viel Forschung betrieben haben, die das gut personalisieren können.
Was genau bietet BioVariance im Bereich Lifestyle an?
Scheiber: Eine Analyse, die zeigt, welches Nahrungsergänzungsmittel in welcher Dosis individuell sinnvoll ist. Zwei Partnerunternehmen können diese Ergebnisse produktseitig umsetzen. Das funktioniert, weil wir nicht nur 50 Präparate kennen, sondern wissen, was der Körper individuell braucht.
Heute ist die ganze Welt im Internet unterwegs und trifft dort auch Kaufentscheidungen. Das wissen natürlich auch seriöse wie weniger seriöse Firmen, weshalb sich auf allen Plattformen Influencer gerade auch aus dem Gesundheits-, Fitness-, Wellness und Selbstoptimierungssektor tummeln und mit allen Mitteln versuchen ihre Produkte anzupreisen – eine Herausforderung für Konsumenten, sich da zu informieren, aber auch für seröse Anbieter, sich neben diesen marktschreierischen und manipulativen Werbungen zu positionieren …
Scheiber: Das Thema Marketing ist eine große Herausforderung, da unser Produkt aber komplett auf wissenschaftlicher Grundlage aufbaut, gibt es dafür auch eine gesundheitsbewusste Klientel. Der Markt dafür ist groß genug, gerade wenn es um Prävention und Selbstoptimierung geht.
Und wir verfolgen eine langfristige Strategie, uns wie etwa bei dem genannten EU-Projekt auch bei der Medikationsdosierung zu positionieren. Aber dazu braucht man Zeit und Ressourcen. Dr. Josef Scheiber
Welche Rolle spielen Krankenkassen bei Ihren Ideen zur Medikation?
Scheiber: Es gibt noch kein Projekt, aber erste Gespräche laufen. Optimierte Dosierung bringt bessere Ergebnisse – das spart Kosten. Da wird sich in Zukunft einiges bewegen.
Nächste Woche in Teil III: Über genetische Risiken, neue Krebsbehandlungen und die Frage, ob Seegurken der Schlüssel zur Unsterblichkeit sind.
Zur Person: Dr. Josef Scheiber
Dr. Josef Scheiber wurde für seine innovativen Ansätze in der Gesundheitsdatenanalyse mehrfach ausgezeichnet. So wurde er beispielsweise von CIO Views als einer der „10 Most Innovative Leaders to Follow in 2023“ geehrt.
Akademische Ausbildung
- Diplom in Biologie
Universität Regensburg (1998–2003)
Schwerpunkte: Biophysik, Bioinformatik, Zellbiologie, Organische Chemie - Promotion (Dr. rer. nat.) in Pharmazie
Universität Würzburg (2003–2006)
Fokus: Computergestütztes Wirkstoffdesign, Cheminformatik, Wirkstoffforschung
Wissenschaftliche und berufliche Stationen
- Diplomand
Institut für Biophysik und Physikalische Biochemie, Universität Regensburg
Entwicklung einer Methode zur Homologie-Modellierung der Tertiärstruktur von Proteinen - Doktorand
Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie, Universität Würzburg
Forschung im Bereich computergestütztes Wirkstoffdesign - Postdoctoral Fellow
Novartis Institutes for Biomedical Research, Cambridge, MA, USA (2003–2006)
Entwicklung statistischer Modelle zur Vorhersage von Medikamenten-Nebenwirkungen basierend auf der chemischen Struktur - Knowledge Engineer
Novartis Pharma AG, Basel, Schweiz (2006–2008)
Arbeit an datengetriebenen Projekten im Bereich Wirkstoffforschung - Senior Scientist Biomedical Informatics
Roche Diagnostics, Penzberg (2008–2009)
Fokus auf biomedizinische Informatik und Datenanalyse
Gründung und Entwicklung von BioVariance
- Gründung der BioVariance GmbH
Waldsassen (2013)
Ziel: Individualisierte Medizin durch genetische Datenanalysen direkt zum Patienten bringen - Unternehmensentwicklung
Anfangs als Einzelunternehmer tätig, gewann er frühzeitig große Kunden wie Roche und Novartis. Das Unternehmen wuchs rasch und beschäftigte innerhalb eines Jahres fünf Mitarbeiter. - Umzug nach Tirschenreuth
Tirschenreuth (2022)
Aufgrund des Wachstums zog BioVariance in größere Räumlichkeiten um, beschäftigte zwischenzeitlich rund 30 Mitarbeiter. Nach der Corona-Pandemie geriet das Unternehmen unter Druck, musste die Mitarbeiterzahl reduzieren – steht aber inzwischen vor der Markteinführung und erneutem Wachstum.
Forschungsschwerpunkte und Innovationsfelder
- Personalisierte Medizin
Entwicklung von Analysediensten zur individuellen Anpassung von Medikamenten basierend auf genetischen Daten. - Datensicherheit und Cloud-Computing
Implementierung sicherer Cloud-Lösungen zur Verarbeitung großer Datenmengen (bis zu 700 GB pro Patient). - Erweiterung der Anwendungsbereiche: Pläne zur Expansion in die Kosmetikbranche sowie in den Bereich der Tierernährung.
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