Zwischen Stammtisch und Hochkultur (2): So gelingt kulturelle Teilhabe!
Tirschenreuth. Opernabend oder Kirwa? Stadtflair oder Dorfschuppen? Kultur auf dem Land ist facettenreich – und nicht immer konfliktfrei. Im zweiten Teil unseres Gesprächs erklärt Dr. Maria Rammelmeier, warum gegenseitiges Verständnis zwischen Kulturschaffenden und Einheimischen entscheidend ist.

In ihrer Forschung unterscheidet Dr. Maria Rammelmeier zwischen einheimischen, zugezogenen und rückkehrenden Kulturschaffenden. „Verbundenheit ist ein Erfolgsfaktor“, sagt sie. Aber auch Rückkehrer hätten oft Startschwierigkeiten – und Zugezogene müssten sich mühsam Netzwerke aufbauen. Entscheidend sei: Wer sich mit den Interessen der Dorfbevölkerung auseinandersetzt, wird eher akzeptiert.
„Wir haben Kulturschaffende, die Kleinkunstveranstaltungen initiieren, bezüglich ihrer Verortung befragt – ob einheimisch, zurückgekehrt oder zugezogen.“ Für Zugezogene sei es eine Herausforderung, sich ein soziales Netzwerk zu schaffen. „Einheimische sind ja in der Regel von Geburt an in soziale Strukturen eingebunden.“
Auch einige Rückkehrer hätten sich isoliert und eher ein Programm für die umliegenden Städte angeboten. Es gibt aber auch den Satz, vom Propheten, der im eigenen Land nichts zählt. „Auch Einheimische müssen es erst einmal schaffen, die Leute vor Ort mitzunehmen.“
Wenn Welten aufeinanderprallen
Manche Künstler halten Einheimische für „Bierdimpfln“, manche Dorfbewohner wiederum Künstler für „verrückte Exoten“. Das führe zu gegenseitigem Unverständnis. Besonders bei Kulturschaffenden, die leerstehende Kirchenräume bespielen, entstehe teils ein elitärer Eindruck: „Wenn der Bürgermeister nicht zur Vernissage kommt, fehlt ein wichtiges Signal: Kultur ist gewollt.“ Allgemein könne man feststellen, dass eine Region umso stärker ist, je besser die unterschiedlichen Institutionen und Ebenen zusammenarbeiten: „Wo Bürgermeister, die Kreisentwicklung, das Regionalmanagement, die Tourismusbeauftragte und der Kulturbereich koordiniert vorgehen.“
Es gebe aber auch ländliche Räume, in denen der Kulturbereich wenig mit der Regionalentwicklung zusammenarbeite. Wo Bürgermeister, Regionalentwicklung und Kulturszene an einem Strang ziehen, funktioniere es besser: „Wir brauchen klare Zuständigkeiten und kurze Wege“, sagt Rammelmeier.
Kulturakteure sind oft Multitalente – Feuerwehrvorstand und Festivalgründer in einem. Solche Menschen brauchen keine Kontrolle, sondern Rückenwind. Dr. Maria Rammelmeier

Überheblichkeit ist nie förderlich
Manchmal liege die Ursache für gegenseitige Missverständnisse aber auch an den Kulturschaffenden selbst, die sich zu wenig mit den Interessen und Bedürfnissen der Einheimischen beschäftigen.„Überheblichkeit ist nie förderlich.“ Es gebe eine gegenseitige Fremdheit. „Da gibt es dann eine gegenseitige Abwehr.“
Gerade bei manchen Akteuren, die leerstehende Kirchen bespielen, habe sie das festgestellt. „Sie sind von sich und ihren Kulturveranstaltungen sehr überzeugt.“ Und dann stelle man fest, dass in ihrem Organisationskreis nur Kirchenleute drinsäßen.
Da sagen die Einheimischen dann nicht zu Unrecht: Die kochen ihr eigenes Süppchen. Dr. Maria Rammelmeier

Gegenseitiges Fremdeln
Dieses gegenseitige Fremdeln führe manchmal sogar zur Aufgabe. Für eine allgemeine Aussage reiche der Zeitraum ihrer Studie zwar nicht. Aber: „Eine Kleinkunstbühne hat schließen müssen, weil der Betreiber sauviel Geld in den Brandschutz reinstecken hätte müssen.“ Der könne jetzt nur noch mobile Programme anbieten. Von Kultur zu leben, sei schwierig. „Die meisten Kulturschaffenden machen das aus Leidenschaft, weil sie dafür brennen.“ Daran könne man aber auch verbrennen. „Viele haben gesundheitliche Probleme, weil sie sich so reinhängen.“
Wie sehr hängen Erfolg und Misserfolg, Motivation und Frustration von der Anerkennung durch die Dorfprominenz ab? „In den Gemeinden, wo die Bürgermeister sagen, das ist eine super Sache, läuft es auf jeden Fall reibungsfreier.“ Bei anderen habe es geheißen: „Man braucht zumindest jemanden, der die Schirmherrschaft übernimmt.“
→ Teil III: Kultur als Standortfaktor – Warum das Dorf der Zukunft kulturell glänzen muss
Zur Person: Dr. Maria Rammelmeier
- Maria Rammelmeier stammt aus einem 200-Seelen-Dorf in der Oberpfalz,
- hat in Regensburg, Nürnberg, Hannover und Vechta studiert und promoviert.
- Sie ist Medienreferentin des Bezirks Oberpfalz,
- Lehrbeauftragte an mehreren Hochschulen
- und betreibt mit ihrer Familie eine eigene Kleinkunstbühne.
- Als staatlich geprüfte Kirchenmusikerin kennt sie die Verbindung von Kultur, Bildung und Gemeinsinn nicht nur theoretisch – sondern aus eigener Erfahrung.
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