Gerichtsverhandlung endet mit Überraschung
Weiden. Mit einer faustdicken Überraschung endete der Prozess gegen einen syrischen Angeklagten, der wegen bandenmäßiger Schleusung vor dem Schöffengericht angeklagt war.
Ein syrischer Staatsangehöriger musste sich vor dem Weidener Schöffengericht wegen Schleusung verantworten. Staatsanwältin Antonia Heitmann-Gordon warf dem 49-jährigen Mann vor, im September 2022 mit zwei Komplizen insgesamt 14 Türken und Syrern zur illegalen Einreise am Grenzübergang Waidhaus verholfen zu haben.
Unschuldig im Sinne der Anklage
Die sorgfältig vorbereitete Anklage ging davon aus, dass der Mann, der sich seit dem Frühjahr 2024 in Untersuchungshaft befindet, Beteiligter einer Schleusungsaktion war. Diese nahm im Herbst 2022 in Prag ihren Anfang. Schon während der Verlesung der Anklageschrift, die simultan in arabische Sprache übersetzt wurde, schüttelte der Angeklagte vehement den Kopf. Sowohl die vorgeworfene Schleusung, als auch die in die Verhandlung einbezogene Beschaffung falscher amtlicher Dokumente, verneinte der Mann. Zudem stritt er jegliche Beteiligung – auch als Drahtzieher – ab. Vielmehr sei er das Opfer einer Intrige.
Das forderte vom Schöffengericht unter dem Vorsitz von Hans-Jürgen Schnappauf eine akribische Beweisaufnahme, die letztlich erst am späten Nachmittag beendet war.
Rache für nicht beglichene Schulden
Zur Erklärung gab der Angeklagte an, dass ein bereits wegen dieser Schleusung Verurteilter Rache nehmen wollte. Dieser angebliche Komplize wurde mit einem weiteren Mittäter bei der Schleusung von der Bundespolizei erwischt und in Untersuchungshaft genommen. Er schrieb kurz vor Weihnachten – also fast drei Monate später – einen Brief an die Staatsanwaltsschaft, in dem er den nun Angeklagten der Mittäterschaft bezichtigte. Seiner Vermutung nach ging es bei der Anschwärzung um eine Retourkutsche für einen noch offenen Geldbetrag “unter (ehemaligen) Freunden”.
Die von der Staatsanwaltschaft als Schleuserlohn angesehenen Kontotransaktionen wollte der Angeklagte als Begleichung von geschäftlichen Schulden verstanden wissen. Sehr dubios wurde es bei der Erklärung des gefälschten Schweizer Führerscheins und des ebenfalls gefälschten Aufenthaltstitels für die Alpenrepublik. Aufgrund des damaligen übermäßigen Alkoholgenusses konnte er sich an die Zusammenhänge nicht mehr erinnern.
Umfangreiche Beweisaufnahme
Der in den Zeugenstand gerufene Beamte der lokalen Bundespolizei bestätigte dem Gericht, dass der Angeklagte in Waidhaus nicht verhaftet wurde. Nur die im Rahmen der Schleierfahndung aufgegriffenen Personen wurden teilweise mit dem Helikopter verfolgt und gegen Mitternacht am Bocklradweg festgenommen.
Im weiteren Verlauf der Verhandlung wurden Auszüge aus einem Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom Mai 2024 verlesen. Damals wurde der Angeklagte zu einem Jahr und sechs Monaten wegen Geiselnahme verurteilt. Das Gericht in Düsseldorf sah es als erwiesen an, dass der angeklagte Syrer gemeinsam mit Komplizen einen Schuldner mit einer vorgetäuschten Enthauptung mit einer Machete besonders grausam bedrohte.
Die aus Bremen angereiste Polizeibeamtin berichtete als weitere Zeugin von der Hausdurchsuchung und Verhaftung des Angeklagten im Frühjahr 2024. Dabei wurden verschiedene Autokennzeichen beschlagnahmt.
Ex-Freund belastet Angeklagten schwer
Spannend wurde es nach der Mittagspause, als der bereits verurteilte, angebliche Komplize als Zeuge aussagte. Dieser glänzte vor allem durch erstaunliches Detailwissen, gepaart mit völlig unglaubwürdigen Erinnerungslücken. Für Schmunzeln sorgte beispielsweise die Erklärung für sein dreimonatiges Schweigen und den plötzlichen Belastungsbrief: “Ich hatte in den drei Monaten U-Haft kein Geld und konnte mir keine Briefmarke leisten!” Auf seine teilweise widersprüchlichen Zeugenaussagen hingewiesen reagierte er sehr empfindlich mit den Worten: “Ich hasse es, wenn jemand lügt!” Seine eigene Rolle bei der Schleusung charakterisierter er mit den Worten: “Ich wurde vom jetzt angeklagten Syrer erpresst!”
Zeuge der Bundespolizei bringt die Wende
Der Sachbearbeiter der Bundespolizei brachte eine schnelle Wende des Verfahrens. Seiner Aussage zufolge konnte dem Angeklagten weder eine direkte noch indirekte Beteiligung nachgewiesen werden. Vor allem die Auswertung der Handydaten ließen keinerlei Rückschlüssen auf eine Tatbeteiligung zu. Es gab schlichtweg keinerlei Kommunikation mit den bereits verurteilten Schleusern rund um den Zeitpunkt der Tat. Auf nochmalige klare Nachfrage von Richter Hans-Jürgen Schnappauf bekräftigte der Zeuge seine Aussage, dass der Angeklagte für die Tat auch nicht als Drahtzieher infrage kommt.
Nach Rücksprache mit Staatsanwältin Antonia Heitmann-Gordon schlug das Gericht vor, das Verfahren sofort zu beenden und den Haftbefehl ebenfalls sofort außer Kraft zu setzen.
Strafverteidiger Wilfried Mehl aus Schieder-Schwalenberg (Nordrhein-Westfalen) nahm nach kurzer Rücksprache mit seinem Mandanten den Vorschlag des Gerichtes an. Noch im Gerichtssaal wurden dem Ex-Angeklagten die Fußfesseln abgenommen.
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