Weidener Industriegeschichte (2): Anton Forster erfindet sich neu
[Advertorial] Weiden. Oberpfälzer Wirtschaftsgeschichte in drei Generationen: Was bei Anton Forster senior als Hufschmiede in Kohlberg und Neunburg begann, entwickelt Johann Forster zum Autohaus weiter. Anton Forster junior bewältigt eine Insolvenz und hat Erfolg mit industriellem Hallenbau.
Geschichten aus der Geschichte: Mit unserer neuen Serie aus der Wirtschaftsgeschichte der Oberpfalz wollen wir zeigen, wie sich regionale Unternehmen im Lauf der Jahrzehnte weiterentwickeln, anpassen und Krisen meistern.
Im ersten Teil unserer Weidener Wirtschaftsgeschichte hat Anton Forster den Aufstieg einer kleinen Schmiede seines Großvaters aus dem Oberpfälzer Wald zu einem angesehenen Kfz-Betrieb mit Werkstatt und Metallverarbeitung seines Vaters Johann geschildert – und das Schlittern in die Insolvenz als Folge einer allgemeinen Krise kleinerer Autohäuser: Von der Hufschmiede zu Forsters Stahlbau.
Im zweiten Teil erfahren wir, wie sich Anton Forster – mit eiserner Disziplin, Mut und Durchhaltevermögen – aus der Krise herauskämpft und neu erfindet. „Out of the box denken“, nennt man das auf Neudeutsch. Auch mal um die Ecke denken, anstatt mit dem Schädel durch die Wand zu wollen. Oder um bei beliebten Kalendersprüchen zu bleiben: Wo sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere. Die Wirklichkeit ist komplizierter, und Türen zum Erfolg gehen selten von allein auf.
Schlosserei in der Ukraine
„Das Wichtigste für mich war die ukrainische Firma, die nicht insolvent war“, nennt er die Basis für den Neuanfang, mit der sich der Weidener Unternehmer damals über Wasser halten kann. „Wenn alle Stricke gerissen wären, wäre ich in der Ukraine geblieben und hätte dort weitere Aufträge akquiriert.“ Aber was hat Anton Forster in jenes osteuropäische Land geführt, dessen Menschen heute so brutal unter dem russischen Angriffskrieg leiden?
Forster gründet 2003 zusammen mit zwei Partnern in der Ukraine eine Schlosserei – eine GmbH oder auf Ukrainisch eine Tovarystvo z Obmezhenoju Vidpovidal’nistju (TOV). Forsters ehemaliger Schweißfachingenieur aus Ostdeutschland, der 1996 in Chemnitz einen eigenen Betrieb aufbaute, wandte sich zuvor mit seiner Idee an ihn: „Produkte, in denen viel Handarbeit steckt, kannst du in Deutschland nicht mehr herstellen.“
Russisch mit dem Wörterbuch
Zusammen mit einem weiteren Bekannten aus Chemnitz, der Kontakte in die Ukraine hat und sich um den Vertrieb kümmern will, ziehen die drei Geschäftspartner eine Halle hoch und transportieren Maschinen aus Deutschland an den neuen Standort. „Beide konnten etwas Russisch“, sagt Forster, „ich habe versucht, die Sprache mit dem Wörterbuch zu lernen.“ Spannend sei das gewesen, auch wenn bei der Auftragsakquise in der Ukraine „viele die Hand aufgehalten“ hätten. „Das muss man vorher wissen, wir wussten es nicht.“
Das Trio entscheidet sich, dann doch lieber für deutsche Firmen zu bauen. Der allererste Auftrag geht von der nach wie vor bestehenden Forster Metallbau an die neu gegründete Steelart TOV: „300 Glasgestelle, um einfach mal ins Rennen zu kommen“, erklärt der Unternehmer. Forster fungiert dabei als Zwischenhändler. „Kein deutsches Unternehmen wollte direkt mit ukrainischen Firmen Geschäfte machen.“ So produziert das ukrainische Start-up über Umwege für die Glasindustrie fahrbare und stationäre Glasgestelle.
Privater Glücksfall
Die ukrainische Niederlassung beschäftigt damals 18 Mitarbeiter, vor allem Schlosser und Schweißer. „Wir zahlten einen höheren Lohn, und auch die Weiterbezahlung im Krankheitsfall war in der Ukraine unüblich“, erklärt Forster, warum das Unternehmen sehr schnell gutes Personal anlockt. Das Ost-Abenteuer wird für den Oberpfälzer Unternehmer auch zum privaten Glücksfall. Bei einem Geschäftsessen lernt er seine spätere Frau kennen. „Ich sprach noch kaum Russisch und war froh, dass sie etwas Englisch konnte“, erinnert er sich an die zarten Anfänge.
Als er sie das nächste Mal wieder trifft, fasst er sich ein Herz und bittet um ein Rendezvous. Aus der bayerisch-ukrainischen Bekanntschaft wird eine zweijährige Fernbeziehung mit der Friseurmeisterin. „Und es dauerte einige Jahre, in denen wir hart darum kämpfen mussten, eine Ehefähigkeitsbescheinigung zu bekommen“, sagt er zähneknirschend. „Im deutschen Konsulat in Kiew wurden wir getrennt voneinander befragt, wie bei einem Verhör – der Schnösel im Konsulat konnte nicht einmal Russisch.“
Neustart mit Hürden
Heute kann sich Forster gut auf Russisch unterhalten: „Bei uns in der Oberpfalz bin ich ein Exot, ein Bayer, der Russisch spricht“, sagt er lachend, auch wenn das ukrainische Abenteuer inzwischen zumindest vorläufig zu Ende ist. „Als die Aufträge in Weiden wieder mehr wurden, habe ich eingesehen, dass der Betrieb zu Hause unter meinem ukrainischen Engagement leidet.“ Und man brauche zwingend Leute vor Ort, auf die man sich verlassen könne. „Das war leider nicht der Fall.“
In Weiden kommt der Neustart langsam wieder in Schwung. „Wir mussten gar nicht so viel verändern“, erklärt Forster, „zuerst einmal neue Räume suchen, weil das Gelände verkauft worden ist.“ Für die Grundschulden auf den Grundstücken muss Forster bürgen und geht in die Privatinsolvenz. „Ich konnte acht Jahre nur einen gewissen Betrag verdienen, der Rest geht an den Insolvenzverwalter.“ Für die Bonität kein guter Start, weshalb Vater Johann als Inhaber zeichnet.
Floatanlagen für die Flachglasherstellung
Man beginnt mit kleiner Belegschaft, der Auto- und Großhandel ist passé. „Wir haben von unseren treuesten Kunden wieder die ersten kleinen Aufträge bekommen“, sagt Forster. „In der Zeit haben wir begonnen, Float-Anlagen zu bauen – fünf weltweit.“ Wie Pilkington in Weiherhammer: „Aber damals konnten sie das noch nicht.“ Wieder gelingt es Forster, eine neue Nische zu besetzen: „Von der Schlosserei über einen kleinen Metallbau zum Hallenbau mit Floatanlagen in Deutschland, Weißrussland, Russland und Südkorea.“
Auch dieses Geschäft kommt auf Umwegen zustande: „Maschinenbau-Ingenieur Ulrich Schattauer arbeitete früher für Pilkington“, erklärt Forster, „er hatte das Know-how, solche Anlagen zu bauen.“ Mit ihm zusammen gründet er in Mantel die German Floatglass Manufacturing GmbH (GFM). „Die erste Anlage haben wir für Horn gebaut, der sie weiter nach Russland verkaufte.“ Die Herstellung von Floatanlagen für die Flachglasherstellung ist nicht trivial: „Das ist eine Wanne aus Blech, 8 Meter breit, 60 Meter lang, die in der Diagonale nur 1,5 Millimeter Toleranz haben darf, weil es ansonsten sein kann, dass sich flüssiges Zinn, auf dem flüssiges Glas schwimmt, durch die Wanne frisst.“
Turbo für den Neustart
Den letzten derartigen Auftrag unterschreibt Dmytro Firtasch 2013 persönlich, einer – mit einem im März 2014 auf 10 Milliarden Euro geschätzten Vermögen – der reichsten ukrainischen Oligarchen, der sich wegen Korruptionsvorwürfen derzeit noch immer in Österreich gegen eine Auslieferung an die USA wehrt. Der Auftrag kam wegen der Unruhen in der Ukraine 2014 nie zustande. „Die Herstellung solcher Floatanlagen war für etwa fünf Jahre unser Hauptgeschäft“, sagt Forster. „Wir haben 5 Stück gebaut, eine im Jahr und die ein oder andere für unsere Stammkundschaft.“ Sie waren gut für den Neustart.
„Wir durften erst vergangenes Jahr wieder eine für eines der etabliertesten Industrieunternehmen der Türkei mit einer mehr als 88-jährigen Unternehmensgeschichte bauen. Seine Anteile an der ukrainischen Steelart verkauft Forster 2007, „weil ich gesehen habe, dass wir in Deutschland wieder auf Kurs sind“. Sein Know-how aus dieser Zeit will er aber eines Tages wieder nutzen: „Wenn der Krieg endlich zu Ende ist, werden wir auf alle Fälle in die Akquisition gehen – und die Ukraine wieder mit aufbauen.“
Im dritten Teil unserer Forster-Reihe erfahren wir, welche neuen Wege der umtriebige Weidener Unternehmer beschreitet.
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