Leben in der NS-Zeit: Zeitzeuge Ernst Grube im Gespräch mit Wirtschaftsschülern

Weiden. Zur Ausstellungseröffnung “Endstation Vernichtung – Diensteifer und Pflichterfüllung bei der Reichsbahn in München 1933 –1945” hat sich die Wirtschaftsschule einen ganz besonderen Gast eingeladen. Zeitzeuge Ernst Grube berichtete von seiner frühen Kindheit und dem Leben als Jude während der Nazi-Herrschaft. Eine unbeschwerte Kindheit war für ihn kaum möglich. Die Ausstellung soll die Schüler für diese Zeit sensibilisieren. 

Von Jasmina Vaskovic

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Der Holocaust-Überlebende Ernst Grube erzählt den Schülern der Gustl-Lang-Wirtschaftsschule von seinen traumatisierenden Erlebnissen.

Prägende Erinnerungen trägt der Holocaust-Überlebende Ernst Grube seit den schrecklichen Jahren Tag für Tag mit sich herum. Als Sohn eines evangelischen Sozialisten und einer jüdischen Krankenschwester hatte er es in der Zeit der Nationalsozialisten nicht leicht. Der im Jahr 1932 in München geborene Ernst Grube kam in einer Zeit auf die Welt, in der die Stimmung von der Politik bewegt wurde: “Wir sind von der Bevölkerung komplett ausgegrenzt worden, denn nur das reine deutsche Blut, war zu dieser Zeit etwas wert.” Obwohl er noch ein Kind war, kann Grube sich noch genau daran erinnern, als die Nachbarn anfingen sie nicht mehr zu grüßen und die Kinder nicht mehr mit ihm spielen durften.

Die Synagoge war damals mehr als nur eine Kirche für uns. Sie war unser Zufluchtsort,

erzählt Grube den zwei neunten Klassen und der Abschlussklasse der Gustl-Lang-Schule aus Weiden. Nur da konnte Ernst Grube er selbst sein und sich sicher fühlen. 1938 kam dann das Schrecken, als die Synagoge zerstört wurde. Der Holocaust-Überlebende war zu dieser Zeit gerade einmal sechs Jahre alt. Er kann sich aber noch sehr gut an das Leben im dritten Stock im Haus neben der geliebten Synagoge erinnern. Ohne Wasser, Gas und Strom lebte die Familie Grube auf engstem Raum. “Mein Vater wusste einfach nicht mehr wohin mit uns, vor allem weil der Winter nahte und wir uns auf Dauer nicht mehr warm halten konnten. So kam ich dann mit meinem zwei Jahre älteren Bruder Werner in ein jüdisches Kinderheim in München.

Holocaust-Überlebender hat auch positive Erinnerungen

Ich habe positive Erinnerungen an das Kinderheim, denn da habe ich das erste Mal ein richtiges jüdisches Leben erfahren,

erzählt Ernst Grube mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Dreieinhalb Jahre verbrachte er, zusammen mit 46 weiteren Kindern, in dem Heim. Dort lernte er auch zum ersten Mal die jüdischen Feiertage kennen, wie den Sabbat und das achttägige Chanukka-Fest. Er hat aber auch noch das Bild vor Augen, dass die Jugendlichen aus der Nachbarschaft die Heimkinder außerhalb ihrer schützenden Wände bespuckt und als “Juden-Säue” beschimpft haben. Trotz alledem war das Heim für den Holocaust-Überlebenden immer ein Ort der Geborgenheit, Hilfe und Zuflucht, wie er den Schülern der Wirtschaftsschule erzählt.

Vom jüdischen Kinderheim ins Ghetto

Doch das friedliche Leben im Heim wurde bald zum Albtraum. Viele der Kinder wurden nach und nach in Konzentrationslager gebracht.

Den Moment werde ich nie in meinem Leben vergessen, als die anderen Kinder abtransportiert wurden,

so Ernst Grube. Letztendlich blieben nur noch zehn Jugendliche übrig. Das Heim wurde daraufhin aufgelöst und sie wurden in einer Kinderbaracke in dem “Ghetto” untergebracht. “Wir hatten dort kein Klo, lagen wie Sardinen nebeneinander und hatten keine private Atmosphäre,” weiß Ernst Grube noch genau. Erst im April 1943 kamen die beiden Jungs wieder zu ihren Eltern zurück. Aber auch da ging es nicht besonders gut, für die Familie Grube weiter, denn Ernst durfte keine Schule besuchen, musste einen Judenstern tragen und durfte, als ein Bombenangriff München erreichte nicht einmal mit in einen Luftschutzkeller.

Abtransport in Konzentrationslager kurz vor Kriegsende

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“Mein Vater lies sich trotz der schwierigen Situation nicht von meiner Mutter scheiden. Ich war dumm zu glauben, dass das ein Garant dafür ist, das wir nicht in so ein Lager müssen,” so Ernst Grube. 1945 holte sie dann aber die Realität ein, als sie in das Konzentrationslager nach Theresienstadt deportiert wurden. “Meine Gedanken kreisten ständig um die Frage, wieso die Nationalsozialisten uns so kurz vor Ende des Krieges noch wegbrachten.”

Drei Monate musste er unter harten Bedingungen mit 12 Kindern in einem kleinen Raum leben. Das Lager war für 6.000 bis 7.000 Menschen errichtet worden. Letztendlich waren aber immer 40.000 bis 50.000 Inhaftierte in Theresienstadt, wie sich Ernst Grube noch erinnern kann: “Es war für uns kein menschenwürdiges Dasein mehr. Wir stellten uns immer wieder die Frage, ob es ein Morgen für uns geben wird. Wir mussten selbst mit unseren Ängsten fertig werden, um nicht kaputt zu gehen.”

Das einzige was mich am Leben hielt, waren die täglichen Gespräche mit meinen Zimmergenossen.

Am 26. Juni kehrte Ernst Grube endlich wieder in seine Heimat nach München zurück.

“Endstation Vernichtung”

Mit diesem Zeitzeugengespräch und der Ausstellung “Endstation Vernichtung – Diensteifer und Pflichterfüllung bei der Reichsbahn in München 1933 –1945” will die Gustl-Lang-Wirtschaftsschule die Schüler für diese Zeit sensibilisieren, wie Schulleiter Thomas Reitmeier zum Abschluss erzählt. Bis Ende Mai können sich Schulklassen anmelden, um sich die Ausstellung näher anzusehen. Mit dem Lied “Hör nicht auf” von der Band Stolen Josie traf die Schülerin der Abschlussklasse und Teilnehmer der “The Voice of Germany”-Show, Jacqueline Thoma, den Vortrag von Ernst Grube auf den Punkt und beendete das Zeitzeugengespräch mit einem emotionalen Song.

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