Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: Sind wir nicht alle ein bisschen Klankermeier?

Nordoberpfalz. An Walter Klankermeier scheiden sich noch heute die Geister, wer war der Rotlichtkönig von Weiden: Spektakulärer Cold-Case, schillernder Paradiesvogel, schmieriger Gauner oder einer, der den selbsternannten Moralisten den Spiegel vorgehalten hat?

Flanieren mit Uschi – was will man mehr? Foto: Stadtarchiv Weiden / Montage: Ann-Marie Zell

Wer hätte das gedacht – vom regionalen Coldcase zur Kultfigur, 2023 wird das Jahr von Walter Klankermeier. Das Landestheater Oberpfalz legte mit “Pfui – die Klankermeier-Saga” vor, die Tickets gingen weg wie geschnitten Brot, die Touristinfo hat mit einer Klankermeier-Stadtführung nachgezogen.

Und der Hype könnte sich fortführen mit dem “Walterzoigl” mit triebstarker Hefe oder auch mit der Verfilmung “Klanki – der Film” mit Christine Neubauer als Uschi. Wir wollen doch der Kreativität nicht durch guten Geschmack Grenzen setzen. Ich freue mich auf jeden Fall schon auf den thematischen Mittagssnack – die Leberkäs’semmel “Fortuna” mit dem extrasaftigen Softbiss.

Faszination des Frivolen

Schwinger statt Swinger – selbst die fleißigsten Schwinger der Moralkeule konnten den Weidener Rotlichtkönig nicht aus der Bahn werfen. Frivolität steckt in uns allen, gerade das halbseidene Milieu hat die Menschen schon immer angezogen. Und wie so viele, die sich um nichts was scheißen, finden wir halt auch den Walter Klankermeier gut.

Die Sache mit der Moral

Der Klankermeier ist ein moralisches No-Go, der Maschmeyer in der Höhle des Löwen eine wertvolle Stütze der Gesellschaft, Uschi feat. Ferres, die bürgerliche Mitte gegen den Mindestlohn. Da stimmt doch was nicht? Die Zeiten haben sich geändert, vielleicht ist das jetzt auch ein guter Anlass, das Thema Moral neu zu überdenken.

Als Moral wird der Teil der Handlungskonventionen beziehungsweise -regeln bezeichnet, deren Befolgung im zwischenmenschlichen Miteinander als “gut”/”richtig” und deren Nichtbefolgung als “böse”/”falsch” bewertet wird.Wikipedia

Statt vor Neid zu belfern und diverse Bettdecken zu lupfen, sollte man als denkender Mensch den Begriff Moral lieber selbst neu definieren. Zumindest könnten wir uns bemühen, die Sozialmoral über die Sexualmoral zu stellen. Denn schließlich gilt: Was zwei Erwachsene in beiderseitigem Einvernehmen machen, geht keinem etwas an.

Wenn die Buben mit den Buben…

“Jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden”, das wusste schon der Alte Fritz. Hauptsache, die Kerls waren stramm, lang und konnten ein Gewehr bedienen. Gerüchteweise wird auch gemunkelt, dass es der Klankermeier gar nicht so mit den Frauen hatte. Eigentlich sollten wir doch heute sagen: “So what – wann kommt der Bus (…mit den Leuten, die das interessiert)?” Trotzdem ist das irgendwie auch im Jahr 2023 noch Thema. Legen wir doch einfach unsere latente Homophobie ganz ab, vor allem, wenn zwei Menschen sich lieben.

So geht Liebe heute

Apropos Liebe. Der Zeitgeist spukt in unseren Köpfen und hindert uns immer wieder daran, das zu tun, was wir doch irgendwo alle in der DNA verankert haben – nämlich einfach Mensch zu sein. Vor allem in Sachen Sexualmoral sind wir heute vielleicht sogar spießiger als vor 40 Jahren – gerade weil wir auch hier unseren umfassenden Leistungsgedanken nicht ein einziges Mal ausblenden können.

Deshalb wird auch die Liebe optimiert und sowohl die Beziehung wie das Liebesleben organisiert wie der Aufmarschplan Ost. Wo ist da dann bitte der Fortschritt? Singlebörsen und Resterampen-Apps garantieren uns das große Glück, denn schließlich kann sich der Algorithmus gar nicht irren. Allerdings kennt der nur null und eins, das klingt nach dem wöchentlichen Verkehr und Optionen sexueller Ekstase nach 30 Jahren Eheleben. Mein Glückwunsch zu Freiheit.

“Love is the answer”

Dieser Satz von John Lennon ist leider immer mehr in Vergessenheit geraten. Gerade in Zeiten der ausgefahrenen Ellbogen, des Niedergangs der gesellschaftlichen Verantwortung und der als Livestyle getarnten Egotripps ist eines besonders wichtig: die Liebe zueinander, die körperliche Liebe und auch die Nächstenliebe. Denn wer liebt und geliebt wird, redet vielleicht auch die Kassiererin im Supermarkt nicht mehr so blöd an. Warum? Weil Liebe die Antwort ist.

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1 Kommentare

Jürgen Huber - 01.02.2023

Lieber Franz Rieger, vielen Dank für ihre Worte, ganz mitgekommen bin ich nicht, mit dem Hin und Her in dem wilden Text. Ein “Zeitungs-Artikel” ist es eh nicht, da wäre mehr Information wichtig gewesen und Fragen, zum Beispiel, warum das Stück von Uli Scherr grad so erfolgreich ist und das Boxoffice schier überrannt wurde? Ist es ein Weidener Stück? Und die Reaktionen dazu, Weidener Reaktionen? Geht es immer noch um die Weidener Selbstsuche, um Identität? Oder um was Grundsätzliches, um Moral? Wie es hier behauptet wird.

Ich bin dankbar für den letzten Absatz, da steht eigentlich alles (mit John Lennon) drin. Merci. Den Rest kann man aber trotzdem diskutieren, könnte man. Aber vielleicht mit ein bissl mehr Sozio-Logie und nicht nur den schier herausbrechenden Gefühlen? Nichts für ungut und beste Grüße jürgen huber