Automatenbomber: So gelang der Schlag gegen die organisierte Kriminalität

Nordoberpfalz. Am Montag werden in den Niederlanden mutmaßliche Automatenbomber verhaftet. Das Bayerische Landeskriminalamt gibt Einzelheiten bekannt, wie es zu dem erfolgreichen Schlag gegen die organisierte Kriminalität kam.

Im vergangenen Jahr wurde der Geldautomat der VR-Bank in Wernberg-Köblitz gesprengt. Screenshot: Theo Kurtz

Großeinsatz der niederländischen Polizei in den Provinzen Limburg und Utrecht. 270 Beamtinnen und Beamte durchsuchen am Montag dieser Woche mit Unterstützung von Kräften des bayerischen Landeskriminalamts (LKA) 15 Wohnungen. Neun Tatverdächtige werden festgenommen. Sie sollen für zahlreiche Geldautomatensprengungen im weiß-blauen Freistaat und Baden-Württemberg verantwortlich sein. Beim LKA in München wurden heute Einzelheiten der Aktion bekannt gegeben. Dabei wurde deutlich: Der Schlag gegen die organisierte Kriminalität gelang nur, weil eine Vielzahl von Ermittlungs- und Justizbehörden aus drei Ländern an einem Strang gezogen hatten.

Verantwortlich für 50 Sprengungen

Rund 50 Sprengungen sollen auf das Konto dieser Bande gehen. Bei ihren Brutalo-Attacken auf die Automaten sollen sie 5,2 Millionen Euro erbeutet und einen Sachschaden von rund 6,5 Millionen Euro angerichtet haben. Die Gangster gingen mit absoluter Skrupellosigkeit vor. Mit schweren Vorschlaghämmern schlugen sie mit Brachialgewalt die Glasfassaden der Bankfilialen ein und brachten den Feststoffsprengstoff an den Automaten an. Dabei nahmen sie auch in Kauf, dass durch die Explosionen Menschen verletzt oder getötet werden. Vor dem Tatort stand immer gleich der Fluchtwagen: ein Audi RS 6 mit gestohlenem, deutschen Kfz-Kennzeichen und 600 Pferdestärken unter der Motorhaube. Vom Eindringen in die Bank bis zum Verschwinden vergehen in der Regel nur drei bis vier Minuten.

Im Rahmen einer Pressekonferenz mit Innenminister Joachim Herrmann (Dritter von links) wurden Einzelheiten, die zu dem erfolgreichen Schlag gegen die Automatenbomber führten, bekannt gegeben. Screenshot: Theo Kurtz

Ermittelt wird seit 2021

Seit 2021 ermitteln die Behörden in Bayern und Baden-Württemberg akribisch, erstellen Täterprofile und untersuchen die Vorgehensweise. Und tatsächlich: 13 Personen konnten namentlich identifiziert werden. Die Spur führt in die Niederlande und in einem Fall auch nach Belgien. Der Kontakt mit den Behörden in den europäischen Nachbarländern wird aufgenommen. Eurojust mit Sitz in Den Haag wird eingeschaltet. Die EU-Agentur koordiniert auf europäischer Ebene grenzüberschreitende Strafverfahren.

Jede Menge Bargeld sichergestellt

Dann der Zugriff am Montag: Bei der Durchsuchung stellen die Beamten jede Menge Beweismaterial sicher. Neben Tatwerkzeugen, Bargeld in sechsstelliger Höhe, auch Luxusuhren und Edelklamotten, die vermutlich von dem erbeuteten Geld angeschafft wurden. Außerdem werden neun weitere Sprengstoffpakete entdeckt. Möglicherweise hatten die Männer im Alter zwischen 25 bis 41 Jahren schon die nächsten Anschläge geplant.

Zwölf Haftbefehle, neun Festnahmen

Insgesamt zwölf Haftbefehle hatte die Staatsanwaltschaft Bamberg ausgestellt. Die Oberfranken hatten sich bereit erklärt, die Federführung in den Sprengfällen zu übernehmen und ein Sammelverfahren zu eröffnen. Neun der mutmaßlichen Täter, die niederländische, marokkanische, rumänische und türkische Staatsbürger sind, konnten festgenommen werden, die drei übrigen werden mit europäischen Haftbefehlen gesucht. Die Bamberger haben bereits ein Überstellungsersuchen bei den niederländischen Behörden gestellt. Vor dem Landgericht Bamberg könnte ihnen dann der Prozess gemacht werden.

Haftstrafen bis zu 15 Jahren

“Uns steht aber die Arbeit erst noch bevor”, betont Andreas Stenger, Präsident des BKA Baden-Württemberg. Die gesammelten Beweismittel müssten erst ausgewertet werden, um die Täter hinter Schloss und Riegel zu bringen. Und da könnten sie relativ lange schmoren, wie Bayerns Justizminister Georg Eisenreich beim Blick auf den Strafrahmen erklärt. “Der bewegt sich zwischen einem und 15 Jahren.”

Ein lukratives Geschäft

Doch allen ist, trotz des Ermittlungserfolgs, bewusst: Es gibt auch noch andere Tätergruppierungen, die sich gerade auf Geldautomaten spezialisiert haben. “Es ist ein lukratives Geschäft”, unterstreicht Bayerns LKA-Präsident Harald Pickert. Und so ist es nicht auszuschließen, dass die Lücken, die jetzt die Polizei in den Niederlanden in die Täterreihen gerissen haben, bald wieder aufgefüllt werden. Innenminister Joachim Herrmann sieht daher auch die Banken und die Automatenindustrie gefordert, potenziellen Tätern die Attacken auf die Geräte so schwer und so finanziell uninteressant wie möglich zu machen. Die Reduzierung des Bargeldbestands oder der Einsatz von Färbe- und Klebesystemen, die die Geldscheine wertlos machen, könnten, seiner Ansicht nach, dazu beitragen.

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