“Guck mal was da sticht”

Mit einigen feinen Nadelstichen die lästigen Rückenschmerzen lindern – das kann nur Placebo sein! So oder so ähnlich lautet die gängige Meinung über Akupunktur. Wie sie wirkt und wie die Wissenschaft zu dieser Behandlungsmethode steht, erklärte die Chefärztin der Orthopädischen Rehabilitation am Gesundheitszentrum Waldsassen Elisabeth Eißner.

von Carina Freundl

In einer Veranstaltung der Stiftung Kultur- und Begegnungszentrum Abtei Waldsassen am Dienstagabend gab Elisabeth Eißner Einblicke in die Geschichte und Anwendungsgebiete der Akupunktur. Während diese Art der Therapie in der westlichen Welt erst in den 1970er-Jahren in der Öffentlichkeit bekannt wurde, findet sie in China bereits seit über 3000 Jahren Anwendung. Schon zu Zeiten der Han-Dynastie (206 bis 220 v. Chr.) wurden Nadeln in verschiedenen Größen verwendet.

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Elisabeth Eißner erklärte, was es mit dem Qi, der Grundlage der chinesischen Medizin, auf sich hat.

Die Grundlage der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), der die Akupunktur zugeordnet wird, ist das Qi (gesprochen „tschi“). Es beschreibt den Lebensatem, die Lebensenergie, und befindet sich in stetem Fluss durch den Körper. Ist dieser Fluss gestört, kommt es zu Krankheiten. In der chinesischen Medizin wird der ganze Mensch samt Emotionen und Umfeld betrachtet. Diese Herangehensweise findet auch in der Schulmedizin immer mehr Verwendung. „Ich finde es toll, wenn TCM und Schulmedizin zusammengeführt werden können“, so Eißner. In der westlichen Medizin sei es noch immer die Regel, sich auf Messwerte zu stützen, wie etwa beim EKG oder den Blutwerten. In der TCM werden verschiedene Faktoren wie Lebensweise und Konstitution, die den Fluss des Qi durch den Körper stören können, mit betrachtet. Durch Akupunktur können solche Störungen des Qi wieder harmonisiert werden.

Verteilt wird das Qi über sogenannte Meridiane, die wie Leitbahnen durch den Körper verlaufen. Dabei gibt es zwölf Haupt- und acht Sondermeridiane, die einem Organsystem zugeordnet sind. Auf diesen Meridianen liegen dann auch die Akupunkte. Wie Untersuchungen gezeigt haben, befinden sich an eben diesen Stellen vermehrt Nervenenden. Dort werden pro Therapiesitzung üblicherweise 10 bis 15 Nadeln gesetzt. „Kommt es zu einer Reaktion, kann die Akupunktur wegweisend für die weitere Behandlung sein“, beschrieb die Orthopädin.

Akupunktur wirkt schmerzlindernd. Dadurch dass keine Medikamente zum Einsatz kommen, kann sie auch bei Schwangeren und Allergikern eingesetzt werden. Die feinen Nadelstiche setzen Endorphine, sogenannte „Glückshormone“, frei und bessern somit die Symptome. Besonders eine Kombination mit anderen Maßnahmen, wie Physiotherapie, habe sich als gewinnbringend erwiesen, so Eisner. So könne beispielsweise der Physiotherapeut Triggerpunkte, chronisch entzündete oder gezerrte Muskelfasern, die ausstrahlende Schmerzen verursachen, ausfindig machen. Der Akupunkteur könne dann dort gezielt Nadeln setzen und diese Punkte lösen. Vor allem Migräne- oder Arthrose-Patienten kann so Schmerz genommen werden. „Die Akupunktur bessert die Beschwerden nachhaltig. Es ist aber wichtig zu wissen, dass diese allein dadurch nicht verschwinden. Schließlich wird die Ursache, zum Beispiel eine Arthrose, nicht behoben“, erklärte Eißner.

Verschiedene Studien haben inzwischen bestätigt, dass es sich bei Behandlungserfolgen durch Akupunktur nicht um Placebo handle. Eine MRT-Untersuchung in Peking bewies beispielsweise, dass während der Akupunkturbehandlung eine Wirkung in den zugehörigen Hirnarealen zu verzeichnen ist.

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Auch an den Ohren befinden sich zahlreiche Akupunkte.

Dass TCM auch von Laien gut in den Alltag integriert werden kann,  belegte Eißner am lebenden Beispiel. Sie zeigte den Zuhörern die Akupunkte, die bei Kopfschmerzen stimuliert werden können. Diese liegen in den Augenwinkeln. Aber auch an Ohren und Händen befinden sich leicht auszumachende Punkte. Durch gezielte, feste Massage dieser Punkte – genannt „Akupressur“ – werden Beschwerden gelindert. „Da können Sie gar nichts falsch machen. Schlimmstenfalls kommt es zu einem Bluterguss“, so die Ärztin. Akupressur kann also bei vielen alltäglichen Beschwerden immer und überall zum Einsatz kommen.

In der Orthopädischen Rehabilitation in Waldsassen gehören viele Teile der chinesischen Medizin, wie Akupunktur und Kinesio Taping, mittlerweile zum festen Behandlungsspektrum. Die DÄGfA (Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur e.V.) bietet auf ihrer Homepage eine Übersicht darüber, welche Ärzte in der Region eine Akupunktur-Behandlung anbieten.

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