Angeklagtes Ehepaar im WSW-Prozess: Kampf ums Kind

Weiden. Das Vorleben der Angeklagten ist Thema beim WSW-Prozess. Die Emotionen kochen hoch, als es um den gemeinsamen Sohn (9) des Ehepaars geht. Das Kind will nicht zurück zum Vater, obwohl der schon auf freiem Fuß ist.

WSW Prozess Landgericht Weiden
Foto: Christine Ascherl

Verrückte Parallele: Im “Tatort” (“Wunderkind”) am Sonntagabend, 4. Februar, ging es um ein Kind, das nach fünf Jahren Haft nicht mehr zum Vater will. Genau das erlebt der Angeklagte im WSW-Prozess gerade am eigenen Leib. Der 54-jährige Aufsichtsratsvorsitzende ist im Januar 2024 nach zwei Jahren aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Man geht nicht davon aus, dass er nach dem Urteil noch einmal einrücken muss. Seine Rolle ist wohl kleiner als gedacht.

Alles gut? Dem ist nicht so. Der 54-Jährige schildert am Montag vor Gericht sein persönliches Desaster. Das größte Problem: die Entfremdung des Kindes. “Er will nicht mehr bei mir bleiben.” Der Sohn lebt noch immer bei der Pflegemutter, mit Zustimmung des Jugendamtes. “Sie hat uns das Kind entfremdet.” Es handelt sich dabei um das frühere Kindermädchen, das von der Geburt an bei der Familie ein- und ausging. Die Eltern haben aktuell nur Umgangsrecht.

Größtes Problem: “Unser Kind ist uns entfremdet worden”

Theoretisch. Denn das Kind verweigert diese Besuche. Auch die Termine bei der Mutter in der JVA werden nicht mehr wahrgenommen. Der 54-Jährige ist entsetzt: “Ich erlebe Sachen, die hätte ich früher nicht für möglich gehalten.” Nach seiner Haftentlassung habe er noch am selben Tag Kontakt mit dem Jugendamt aufgenommen. Er sei erschrocken, wie er dargestellt wurde: “Jetzt kommt der Papa raus, geht in die Schule und entführt das Kind.” Man rede dem Kind ein, er käme sowieso wieder ins Gefängnis.

Die Pflegemutter agiere im ganzen Umfeld. An das Gericht ging ein Brief des 83-jährigen Vaters des Angeklagten. Er spricht sich gegen seinen Sohn aus. Der Angeklagte erkennt in dem Brief die Worte des Kindermädchens wieder. Der Großvater sei “massivst beeinflusst” worden.

Im geliehenen Hemd vor Gericht

Zum Zweiten ist er aktuell arm wie eine Kirchenmaus. Er zupft am weißen Hemd: geliehen vom Stiefsohn. Bei dem 30-jährigen Mitangeklagten ist er aktuell auch untergekommen, “sonst wäre ich im Heim für Obdachlose”. Er könne sich noch nicht einmal frische Unterhosen aus dem früheren Haus im westlichen Landkreis Neustadt/WN holen. Es steht unter Zwangsverwaltung, weil Schulden für die WSW eingetragen seien.

Alles, was man in einer GmbH dem minderjährigen Sohn (inzwischen 9) überschrieben habe, sei verloren. Darunter fällt das Haus im westlichen Landkreis, sowie Bitcoins. Warum überhaupt eine GmbH? “Wenn ein Unfall geschieht und beide versterben”, begründet der 54-Jährige. Die Zwangsversteigerung drohe auch dem Mehrfamilienhaus in Rothenstadt. Die Mieter hatte anfangs der Haft noch Miete überwiesen. Als die Überweisungen zurückkamen, floss nichts mehr in die Abzahlungsraten.

Die Vorgeschichte der Angeklagten

Ursprünglich ging es am Montag um die “persönlichen Verhältnisse”. Sie geben in jedem Strafprozess ein Bild vom Vorleben der Angeklagten. Die Vorständin (50) ist – so viel wusste man im Vorfeld – mehrfach einschlägig vorbestraft. Ihr immer etwas unbedarft wirkender Ehemann, der Aufsichtsratsvorsitzende, war früher Immobilien- und Versicherungsmakler.

2014 hat sich das Paar offenbar gesucht und gefunden. Beide waren schon einmal verheiratet; er brach den Kontakt zu einem Sohn aus erster Ehe ab. Bei ihm drehte sich beruflich um “alles, was mit Geld zu tun hat”. Legal. Bei ihr drehte sich auch alles ums Geld. Nicht ganz so legal. Die 50-Jährige ist vierfach vorbestraft, zuletzt 2015 am Amtsgericht München zu zwei Jahren Haft auf Bewährung wegen Betrugs. Um was es ging, wird am Montag nicht ausgeführt.

Vier einschlägige Vorstrafen

Sie sagt nur so viel: “Das war der größte Fehler meines Lebens.” Sie sei damals in “ein Umfeld” geraten, das den Betrug begünstigt habe. Sie habe als Einzige das Geld an den Geschädigten (200.000 Euro) zurückgezahlt habe. Noch vor der Verurteilung 2015 lernte sie ihren jetzigen, zweiten Ehemann kennen, wurde trotz ihrer späten Jahre überraschend noch einmal schwanger. Sie habe sich damals geschworen: “Ich wollte nie wieder in meinem Leben etwas falsch machen.”

Jetzt ist es wieder passiert. Unbewusst, wie die Angeklagte auch nach vier Monaten Prozess beharrt. Ihre Position ist: Die WohnSachWerte wurde mit dem Ziel gegründet, irgendwann Wohnraum zu schaffen. Die Genossenschaft hätte sich noch entwickelt, wären da nicht die Festnahmen dazwischengekommen. Einziges Verfehlen sind aus ihrer Sicht die möglicherweise nicht korrekten Vertragsabschlüsse.

“Vorarbeiterin” in der JVA

Vorsitzender Richter Peter Werner befragt die 50-Jährige nach Zukunftsperspektiven. Die gelernte Bürokauffrau möchte in der Justizvollzugsanstalt das Abitur nachholen und ein Fernstudium ablegen. Sie wisse nicht, was sie danach auf dem Arbeitsmarkt erwarte, “wenn ich sage: Ich bin Frau K. und habe eine kurze Auszeit auf Staatskosten genommen.”

In der JVA sei sie inzwischen “Vorarbeiterin”: “Das ist ja auch erwähnenswert.” Mit ihren Kolleginnen verpacke sie Kämme für Rossmann, Müller “und irgendeinen Scheich” und rechne dies ab. “Eine Zeitlang war ich auch Hausmädchen und habe ganz viel Wäsche gewaschen und Fußböden geputzt.”

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