Standing Ovations für großartigen Auftritt zweier völlig verschiedener Künstlerinnen

Regensburg. Standing Ovations und ohrenbetäubender Applaus waren der gerechte Lohn für einen großartigen Auftritt zweier völlig verschiedener Künstlerinnen im Innenhof des Thon-Dittmer-Palais.

Foto: Peter Gattaut

Das Experiment von Veranstalter Alex Bolland, die in Regensburg beheimatete exzentrische Performerin Nowak mit der schwäbischen Liedermacherin, Doktorin und Buchautorin Sarah Straub gemeinsam an einem Abend auftreten zu lassen, war ein voller Erfolg. Die Beiden verstanden sich auf Anhieb, was nicht nur das gemeinsam vorgetragene Lied „Delmenhorst“
(Original von Element of Crime) in der Zugabe eindrucksvoll untermauerte.

Foto: Peter Gattaut
Foto: Peter Gattaut
Foto: Peter Gattaut
Foto: Peter Gattaut
Foto: Peter Gattaut
Foto: Peter Gattaut

Nach der amüsanten und kessen Anmoderation ihrer Kollegin eröffnete Sarah Straub mit „Mein Glück“ den bunten Liederabend. Der Hommage an ihren mittlerweile verstorbenen zugelaufenen Streunerkater „Rufus“ folgten Eigeninterpretationen („Ich singe, weil ich ein Lied hab“, „Empört euch“, „Es ist schwer mit Dir zu leben“) von Konstantin Wecker-Werken. Mit dem Münchner Liedermacher verbindet sie seit einigen Jahren eine freundschaftliche Zusammenarbeit mit vielen gemeinsamen Konzerten. Straub versteht es mit ihrer glasklaren Stimme und dem einfühlsamen Klavierspiel den Liedern ihren weiblichen Stempel aufzudrücken und das Publikum damit zu berühren.

Die Psychologin und Demenzexpertin erzählte von ihrer frühen persönlichen Demenzerfahrung mit ihrer Oma, das sie zum Buch „Wie meine Großmutter ihr ICH verlor“ und zu dem traurigen Song „Schwalben“ inspirierte. Als sie diese emotionale Bombe zündete, war das Schluchzen der Zuhörer mit Tränen auf den Wangen nicht zu überhören. Mit „Lass es raus“ endete eine kurzweilige Darbietung einer beeindruckenden Frau und einer erstklassigen Musikerin.

“Die Nowak” mit Heimvorteil

Den zweiten Part nach der Pause übernahm „Die Nowak“ Die Regensburger Kunstfigur, die im richtigen Leben den Namen Rebekka Maier trägt, nutzte ihren Heimvorteil und begeisterte mit messerscharfen hintergründigen Texten, gemixt mit einer Portion schwarzen Humor und einer Brise Sarkasmus. Bei „Gebäudekind“ oder „Wattestäbchen und Strohalme“ hält sie der Gesellschaft eindrucksvoll den Spiegel vor das Gesicht. Die Songwriterin provoziert mit ihrer Musik und dem extravaganten Outfit ohne jemals die Grenze des guten Geschmacks zu überschreiten. Ihr Repertoire ist von Chanson, Pop bis hin zum
Musikkabarett breit gefächert.

Mit kraftvoller Stimme, exzellentem Klavier- und Pianospiel verleiht sie ihren Werken ihre ganz persönliche Note. Sie versteht es, mit dem Publikum auf Tuchfühlung zu gehen und hat mit „Glühwein“ bereits einen Song kreiert, den die Leute lieben und frenetisch bei der Zugabe forderten. Nach der gemeinsamen Schluss-Performance der Beiden hielt es die Zuhörer nicht mehr auf ihren Sitzen. Es bleibt zu hoffen, dass dieser besondere Abend mit den beiden Ausnahmekünstlerinnen keine Eintagsfliege war, sondern schon baldmöglichst eine Wiederholung findet.

Sarah Straub

Foto: Peter Gattaut

Sarah Straub wurde in Lauingen geboren und stammt aus einer Musikerfamilie. Vater Helmut Straub ist Dirigent und Instrumentallehrer. Nach der Scheidung ihrer Eltern spielte die Großmutter, bei der sie viel Zeit verbrachte, eine wichtige Rolle in ihrer Kindheit. Im Alter von sechs Jahren begann sie mit dem Klavierspiel, mit acht Jahren dann mit Klarinette und Saxophon. Mit zwölfJahren schrieb sie bereits ihre ersten Lieder. Die Songwriterin und Buchautorin studierte in Regensburg Psychologie. 2015 promovierte sie an der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm mit einer Arbeit über Demenzerkrankung. Straub arbeitet in der Forschungsabteilung der Universitätsklinik Ulm, wo diese im Mittelpunkt stehen.

Über dieses Thema hält sie regelmäßig Vorträge ab. In ihrem 2021 veröffentlichten Sachbuch „Wie meine Großmutter ihr ICH verlor“ brachte die Wahl-Gundelfingerin wertvolle Hintergrundinformationen und Tipps für Angehörige auf das Papier. Bei ihren Konzertlesungen referiert sie mit Musikbegleitung aus ihrem Werk.

Bereits vor Beginn ihres Studiums hatte Straub eine erfolgreiche Karriere als Musikerin begonnen. Ihren musikalischen Durchbruch schaffte sie 2014 mit ihrem ersten Album „Red“. Noch im selben Jahr wurde die Künstlerin, die schon als Support von The Hooters, Lionel Richie, Joe Cocker, Spandau Ballet und Anastacia auf der Bühne stand, mit dem Deutschen Rock und Pop-Preis ausgezeichnet. Nach zwei englischen Alben veröffentlichte sie 2019 ihr erstes deutschsprachiges Album („Alles das und mehr“), Neuinterpretationen des Liedermachers Konstantin Wecker – seitdem stehen beide regelmäßig gemeinsam auf der Bühne. Nach einer TV-Sendung im Bayerischen Fernsehen („z`am Rocken“) entstand das Konzertprogramm „Konstantin Wecker & Sarah Straub: Inwendig warm“.

2021 veröffentlichte die Musikerin das Mini-Album „Tacheles“. das erstmals Eigenkompositionen in deutscher Sprache enthielt, 2023 erschien ihr aktuelles Werk „Keine Angst“, Dies ist auch der Titel ihrer neuen Bühnenshow, die im September startet.

OberpfalzECHO: Bei TV-Aufzeichnungen ist uns aufgefallen, dass öfters mal auch eine kleine Spitze Oberpfälzer Dialekt durchdringt. Hatte die Studienzeit in Regensburg tatsächlich Einfluss auf ihre sprachliche Ausdrucksform?

Sarah Straub: Ein bisschen vielleicht, aber das schwäbische überwiegt schon sehr. (lacht) Ich mag Regensburg und den Oberpfälzer Dialekt. Leider hatte ich während meiner Studienzeit viel zu wenig Zeit, wegen meiner damals demenzkranken Oma, die Stadt richtig zu erkunden. Das muss ich unbedingt noch nachholen.

Als Liedermacherin auf Tour, Buchautorin und als Wochen-Halbzeitkraft in der Universitätsklinik Ulm bleibt wenig Zeit für Familie und eigenen Freizeitspaß. Wie steckt das die Familie weg und mit welchen Aktivitäten können Sie den Haussegen dann wieder geradebiegen?

Straub: Eine gute Frage, das frage ich mich oft auch. Es fordert viel Disziplin, dass natürlich auch zulasten meines Privatlebens geht. Mein Mann kennt es nicht anders und wird oftmals genötigt alleine zu sein. Aber wenn ich Zuhause bin, versuche ich schon so viel Zeit wie möglich mit ihm und meinen beiden Katzen zu verbringen.

Der Song „Schwalben“ berührt – war Ihnen schon beim Komponieren des Songs bewusst, was für eine emotionale Bombe Sie da zünden werden?

Straub: Das ist mir erst bewusst geworden als ich diesen Titel live vor Publikum performt habe. Mir ist es leicht gefallen diesen Text zu schreiben, da ich persönliche Erinnerungen mit meiner Oma und Erlebnisse von der Arbeit in der Uniklinik darin verarbeiten konnte. Es ist wirklich traurig wieviel Kummer und Leid sich hinter den verschlossenen Türen der Angehörigen verbirgt. Mit diesem Lied wollte ich allen Betroffenen und den Erkrankten selber ein neues Gesicht geben. Dass es die Leute so berührt bedeutet mir sehr viel.

Das Thema Demenz ist ein treuer Wegbegleiter Ihres Lebens. Sie werden immer wieder aufs Neue mit traurigen Schicksalen konfrontiert. Was macht das mit Ihnen persönlich?

Straub: Es sensibilisiert und bestärkt mich, den Leuten mehr über diese Krankheit mitzuteilen. Auch die Erkrankten haben ein Recht auf Lebensqualität, in Ihnen schlägt dasselbe Herz wie zuvor. Es ist sehr schwer für die Angehörigen, Ihnen muss man mit Rat und Tat zur Seite stehen. Auch das Thema Früherkennung spielt dabei eine große Rolle. Mit meinem Engagement als Doktorin, Psychologin, Autorin und Musikerin will ich der Krankheit eine Stimme in der Öffentlichkeit geben.

Ihr Buch wurde ein großer Erfolg und auch gewissermaßen ein Ratgeber mit wichtigen Hintergrundinformationen und Tipps für die Angehörigen der Demenzerkrankten. Überlegen Sie ein weiteres Buch über diese Krankheit zu schreiben?

Straub: Ich habe schon ein zweites Buch herausgebracht, allerdings ist es ein Kochbuch für Demenzerkrankte. Wenn es die Zeit endlich erlaubt, will ich schon noch gerne ein zweites Buch über Demenz schreiben, da es noch so viel darüber zu berichten gibt und mir das Niederschreiben darüber sehr guttut.

Sie sind jetzt mit der Künstlerin „Die Nowak“ aufgetreten. Wie kam es zu dieser Liaison und wie lange kennen sie sich schon?

Straub: Die Idee kam vom Veranstalter Alex Bolland. Wir sind uns vorher schon einmal bei der Musikförderung „BY.on“ begegnet, aber kennen wäre zu viel gesagt. Aber die Stunden, die wir bisher heute verbracht haben, sind schon sehr vielversprechend und deuten auf eine länger andauernde Freundschaft hin.

Welchen Ratschlag oder Lebensphilosophie wollen Sie uns auf den Weg geben?

Straub: Ich habe mittlerweile gelernt oft auf meinen Bauch zu hören. Man sollte immer das Voran treiben was einen glücklich im Leben macht.

Rebekka Maier („Die Nowak“)

Foto: Peter Gattaut

Die gebürtige Sinzingerin Rebekka Maier (29) lebt in Regensburg, ist dreifache Mutter, war lange Zeit Erzieherin in Teilzeit und hat sich ihre Kunstfigur „Die Nowak“ aus einer Lebenskrise heraus im Jahr 2017 erschaffen. Die mehrfach preisgekrönte Musikerin (Rio Reiser Songpreis, Troubadour) bewegt sich zwischen deutschem Pop, Punk und Chanson und streift dabei auch immer wieder das Musikkabarett. Ihre Texte behandeln die Liebe, erzählen vom Alltag und von den Schwierigkeiten des Lebens. Sie rechnet ab und kann bissig sein – wie beispielsweise in ihrem Lied “Mein Bester”.

Ihr Aushängeschild ist das Klavier und ihre unvergleichbare Stimme, die unmerklich leicht Hildegard Knef, Rosenstolz und Nina Hagen miteinander verbinden kann. Von kraftvoll bis einfühlsam singt sie ihre messerscharfen Texte. Schwarzer Humor gehört dabei zu Nowaks Lieblingsrepertoire. Sie zeigt der Gesellschaft schonungslos ihr Fehlverhalten auf und gilt als kompromisslose Songwriterin und exzentrische Performerin. Sie ist Kulturpreisträgerin 2022 des Bezirks Oberpfalz und eine wahre Meisterin der Recherche. Bevor ein Lied aus ihrer Feder entsteht werden alle Fakten gecheckt.

OberpfalzECHO: 2017 wurde aus Rebekka Maier „Die Nowak“. Wie kamen Sie auf diesen Namen und was war der Auslöser dazu?

Rebekka Maier („Die Nowak“): Der Auslöser war eine Lebenskrise, es lief nicht so wie ich wollte und als sich dann auch noch mein langjähriger Bühnenpartner verabschiedete, war es an der Zeit mich neu zu erfinden und einen Befreiungsschlag vorzunehmen. Der Name Nowak stammt dabei aus dem Lied „Der Nowak lässt mich nicht verkommen“ von Cissy Kraner. Dieser Song hat mich inspiriert und meine neue Künstlerfigur war geboren.

Sie bezeichnen sich selbst gerne als Pralinenschachtel. Der Zuschauer greift hinein und weiß nicht, was er als nächstes bekommt. Wieviel Prozent Improvisation beinhaltet ihr Bühnenauftritt?

Maier: Diese Aussage habe ich bezüglich meines Albums „Steinige Grüße von der grenzenlosen Wiese“ getroffen. Bei den Auftritten habe ich tatsächlich so eine Art Drehbuch für mich geschaffen. Aber natürlich bleibt Improvisation immer eine Option, in Prozenten kann ich das nicht angeben, weil es von Fall zu Fall verschieden ist.

Sie haben noch vor der Corona-Zeit den Rio Reiser Songpreis gewonnen. Welche Bedeutung hat dieser Preis für Sie und wie ist ihr Bezug zu Reisers Familie?

Maier: Der Preis hat für mich nach wie vor eine große Bedeutung. Rio Reiser hat geniale Texte geschrieben und erstklassige Musik gemacht. Seitdem werde ich auch im Musikbusiness anders wahrgenommen. Zu seiner Nichte, die in Berlin lebt, habe ich heute noch Kontakt.

Über was können Sie sich maßlos ärgern, was bringt Sie auf die berühmte Palme?

Maier: Ich kann mich schlecht entscheiden. Ich habe heute beispielsweise jede Menge Klamotten mitgebracht und weiß jetzt immer noch nicht, was ich dann auf der Bühne tragen werde. Was mich an anderen Menschen stört, ist Egoismus, Ignoranz und Intoleranz.

Dreifache Mutter, Teilzeiterzieherin, Musikerin, wie bringen Sie das alles unter einen Hut und welchen Aktivitäten laden Sie ihren Akku wieder auf?

Maier: Momentan gar nicht. Ich befinde mich derzeit in Elternzeit (das jüngste Kind ist ein Jahr alt) und arbeite nicht als Erzieherin, ausgenommen bei meinen eigenen Kindern. Ich habe großen Respekt vor dem Beruf der Erzieherin, aber er raubt mir persönlich die Energie, anders ist es auf der Bühne, da blühe ich derzeit auf. Es bleibt abzuwarten, wie es in der Zukunft weiter gehen wird.

Welchen Ratschlag oder Lebensphilosophie wollen Sie unseren Lesern und deinen Fans mit auf den Weg geben?

Maier: „Lebe im Hier und Jetzt und fröne Deiner Leidenschaft, dann klappt es auch öfters mit dem Glücklichsein“.

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