Entführung ins Reich der Baumriesen

Weiherhammer. Der Oberpfälzer Baumexperte Jürgen Schuller zeigte eindrucksvoll seine Sicht auf die Welt der faszinierenden Bäume in der Oberpfalz.

Eventmanagerin Susanne Prechtl kündigt eine interessante Lesung von Jürgen Schuller an. Foto: Gerhard Müller

Bereits im vergangenen Jahr stellte Jürgen Schuller im Lifecycle Building der BHS Weiherhammer in einer Ausstellung seine beeindruckenden Fotografien der hunderten Jahre alten Baumriesen aus der Oberpfalz vor. Über die aus den über drei Milliarden Oberpfälzer Wald- und Flurbewohnern ausgesuchten schönsten Exemplaren berichtet er in seinem Buch „Faszinierende Bäume in der Oberpfalz“ über deren Entwicklung, jahrhundertelangen Erlebnissen und derzeitigen Zustände. Das Ambiente der Räumlichkeiten erwies sich bereits bei dieser Ausstellung als so gut, sodass der Autor die erneute Einladung, diesmal für eine Lesung aus seinem Buch, sehr gerne annahm. Susanne Prechtl und Christine Schmid aus dem Event-Management-Team der BHS hatten mit den Vorbereitungen im Lifecycle Building die optimalen Voraussetzungen für eine eindrucksvolle Lesung geschaffen.

Sicht auf Bäume mit anderen Augen

Der Autor Jürgen Schuller hat bereits in früher Kindheit ein Faible für die riesigen Waldbewohner entwickelt. Ein großer Vorteil für das Verständnis deren Lebens von Pflanzung bis Fällung ist mit Sicherheit sein Beruf. Im echten Leben ist er Lehrer für Biologie und Chemie, in diesen Naturwissenschaften stecken ja die theoretischen Kenntnisse über die in der Praxis auftretenden Fragen und Anforderungen, die sich beim Lebewesen Baum stellen können. Es geht ihm in seinem Buch nicht ums Aufzeigen der Bedrohung von Natur und Umwelt oder dass ein Leben ohne Bäume nicht möglich sei. Sein Ziel ist die Vermittlung von Wissen unter Zuhilfenahme von beeindruckenden Bildern, damit die Leser die Bäume besser kennenlernen können.

Tag des Baumes hat amerikanische Wurzeln

Es ist kein Zufall, dass an diesem 25.04. die Lesung stattfindet, geht doch dieser Jahrestag des Baumes auf das Jahr 1872 zurück, als der Politiker Julius Stirling Morten im eigentlich waldarmen amerikanischen Bundesstaat Nebraska mit der Pflanzung von 300.000 Bäumen begann. Innerhalb der nächsten zehn Jahre führten alle Bundesstaaten einen Tag des Baumes ein und folgten mit entsprechenden Pflanzaktionen dem Vorreiter Morten, der mit der Aussage: „Andere Gedenktage weisen in die Vergangenheit, der Tag des Baumes weist in die Zukunft“ die weltweite Einführung des Tags des Baumes auslöste.

Groß genug, um als Versteck zu dienen: die Heigl-Linde. Foto: Jürgen Schuller

Räuberversteck im hohlen Baum

Ganz gemäß dem Satze von Steve Jobs: „Die Menschen wollen keine Erklärungen, sie wollen Geschichten.“ nahm der Autor seine Zuhörer mit auf eine Reise: eine Reise, die erkennbar einige seiner Lieblingsbäume in der Oberpfalz besuchte. Die Heigl-Linde in Gotzendorf bei Hohenwarth in der Nähe von Cham kam zu ihrem Namen vom Räuber Heigl, der von 1816 bis 1857 immer wieder das große Loch in der knapp 400 Jahre alten Linde als Versteck benutze. Fast schaurig wurde das Leben des Räubers beschrieben, der seine Geliebte ehelichte und das daraus entstandene Kind schließlich aus großer Not einer Bauernfamilie zur Erziehung überließ, was letztendlich das Überleben seines kleinen Sohnes bedeutete. Nachfahren des Räubers leben noch heute in der Gegend.

Eine der Weltenbäume: die Windischeschenbacher Esche. Foto: Jürgen Schuller

Esche mit isländischen Wurzeln

Nahe bei Windischeschenbach lebt eine uralte Esche. Ihre Namensherkunft geht dabei auf das isländische Wort Yggdrasil zurück, welches in der germanischen Mythologie Weltesche bedeutet und die Verbildlichung des Weltgebäudes darstellt. Diesen Edellaubhölzern aus der Familie der Ölbaumgewächse, die zur kalten Jahreszeit ihre Blätter abwirft und erst wieder im Frühling austreibt, geht es in unserer Zeit in unseren Regionen nicht mehr so gut. Ein aggressiver Pilz verbreitet sich immer mehr und lässt bereits zu Beginn des Sommers die Blätter des Baumes abfallen. Die Isländer sehen dies als böses Vorzeichen, heißt es doch: wenn Yggdrasils Blätter fallen, beginne Ragnarök, die Götterdämmerung, was mit dem Untergang der Welt gleichzusetzen wäre.

So manch einen Besucher lässt er frösteln: der Kalte Baum bei Vohenstrauß. Foto: Jürgen Schuller

Kalter Baum vermittelt fröstelnde Gefühle

In der Nähe von Vohenstrauß findet man den Kalten Baum, eine der stärksten Linden in näherer Umgebung. Schätzungen seines Alters reichen von 600 bis 800 Jahre, Realisten behaupten, es wären nur knapp 400 Jahre. Bereits beim Betreten seines Schattens unter der riesigen Krone verspürt der Besucher eine ihn vereinnahmende Kühle, die ein Gefühl von Frost und Dumpfheit fast wie im Kerkerturm hervorruft. Die Bevölkerung schreibt dies der gruseligen Lebensgeschichte einer Landgrafentochter und ihres Liebhabers zu. Die Maid soll sich damals nicht standesgemäß in einen Knappen verliebt haben. Der darüber erzürnte Landgraf beendete diese Liaison kurzerhand, indem er den Knappen an der Stelle aufhängen ließ, an dem jetzt der Baum steht. Heute merkt ihm schon manchen Blitzschlag und Sturm an, die ihm schwer zugesetzt haben. Jedoch haben mehrere Rettungs- und Sanierungsversuche gefruchtet, der Baum scheint sich etwas erholt zu haben.

Der Heilige Sankt Wolfgang soll sie als Kanzel für Predigten benutzt haben: die St.-Wolfgangs-Eiche bei Thalmässing. Foto: Jürgen Schuller

Eiche unter den Top Ten in Deutschland

Bei Schloss Haus in der Nähe von Neueglofsheim trifft man auf die St. Wolfgangseiche. Sie gehört zu den 10 größten Stieleichen Deutschlands und ist das stärkste Exemplar in Bayern. Der Stammumfang des bajuwarischen Methusalems beträgt über 9 Meter, Schätzungen über das Alter gehen bis zu 1000 Jahren. Ein Ast, der waagrecht vom Stamm weggeht, ist bereits seit über 100 Jahren mit einem Holzpfosten abgestützt. Einer Legende nach hat der heilige Sankt Wolfgang wortgewaltig auf diesem Ast stehend gepredigt. Mindestens zweimal hat ein Brand den Baum heimgesucht, zuletzt am 31.10.1909, ironischerweise genau am Jahrestag des Sankt Wolfgang. Von ihrer ehrfurchtsvollen und vitalen Wirkung auf den Betrachter hat sie dadurch Gott sei Dank nichts eingebüßt.

Der Autor verstand es, die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Foto: Gerhard Müller

Erwartungshaltung an nächste Veranstaltungen geweckt

Mit seiner Lesung ist es dem Autor gut gelungen, in einer angenehmen Atmosphäre seinen Zuhörerkreis in die faszinierende Welt der Baumriesen mitzunehmen. Der herzliche Applaus am Ende seiner Ausführungen war als Zeichen zu erkennen, dass hier die Besucher nicht nur Informationen über die Fauna bekommen haben. Vielmehr war bei den Anwesenden ein wachsendes Verständnis für Pflanzen mit einer Lebensdauer von einigen hundert Jahren spürbar. Einen weitaus detaillierteren Einblick gibt dazu sein Buch über diese Welt, welches er in regelmäßig neuen Auflagen erweitert und mit neuen Aufsehen erregenden Baumexemplaren füllt. Viele Besucher nutzten die Gelegenheit und ließen sich die derzeit aktuelle Buchversion von Jürgen Schuller als Andenken an die Lesung signieren. Ein weiterer Erwerb der Literatur ist selbstverständlich über den Fachhandel jederzeit möglich. Mit einem guten Tropfen Rotwein bedankte sich Eventmanagerin Susanne Prechtl für den kurzweiligen Vortrag. Mehrere Besucher ließen bereits ihre Vorfreude auf die nächsten derartigen Veranstaltungen in diesen prädestinierten Räumlichkeiten der Firma BHS erkennen.

Jürgen Schuller, Jahrgang 1968, hat Biologie studiert und unterrichtet heute am Gymnasium. Seit 2018 begeistert er mit seinen „Baumgeschichten“ bei Vorträgen, in den sozialen Medien sowie auch in Fernsehen und Rundfunk. 2020 erschien sein Erstlingswerk „Faszinierende Bäume in der Oberpfalz“ – ein großer Erfolg, mittlerweile in weiteren überarbeiteten Auflagen. 2022 schickte er direkt sein zweites Buch, „Faszinierende Bäume in Niederbayern”, nach. Auch darin erfährt der Leser wieder Spannendes und Wissenswertes rund um Biologie, Geschichte und Mythologie der Bäume. Weitere Informationen gibt es auf der Webseite:

www.baumgeschichten.net

* Diese Felder sind erforderlich.