20 Millionen Jahre Kulmgeschichte: Englischer Garten und slavische Landschaft

Neustadt am Kulm. 20 Grabungskampagnen haben 20 Millionen Jahre Kulmgeschichte erhellt: Grund genug für 20 Geschichtsfreunde, auf Einladung des Fördervereins Rauher Kulm und des Historischen Vereins Oberfranken gemeinsam mit Grabungsleiter Dr. Hans Losert „Kostproben“ der in dieser Zeit gewonnenen Erkenntnisse nachzuschmecken.

Der Damm der alten Basaltbahn trägt heute einen Wanderweg, ein “englischer Garten” sollte schon im 19. Jahrhundert Touristen ins “Land am Kulm” locken: Viel Vergessenes holten die von Dr. Hans Losert (Bildmitte) geleiteten 20 archäologischen Kampagnen am Rauhen Kulm ans Licht der Gegenwart.

Mit einer Überraschung wartete Hans Losert bereits auf den ersten Metern der Wanderung auf: So hätten die Forschungen untermauert, dass der Kulm neben einigen Orten der Fränkischen Schweiz und des Alpengebietes zu den ältesten touristisch erschlossenen Gebieten Bayerns zähle. Im 19. Jahrhundert habe ein Netz basaltgepflasterter Wanderwege einen „englischen Garten“ durchzogen, und einer dieser Wege folge dem Verlauf eines der ältesten Zugänge zu den hochmittelalterlichen Burganlagen. Außer den noch als Trampelpfade erhaltenen Wegverläufen erinnerten einige damals angepflanzte Buchen an diese Episode.

Ebenfalls nur noch zu erahnen sei ein „Industriedenkmal“: die Trasse eines rund 500 Meter langen Schienenwegs, auf dem mittels Loren Basalt abtransportiert worden sei. Der Schienenstrang habe aber nicht bis an den Fuß des Berges geführt, vielmehr sei das Gestein auf den letzten Metern per Pferdefuhrwerk weiter verfrachtet worden. Das harte Vulkangestein habe vorrangig als Schotter für Straßenunterbauten und Bahndämme gedient. 1906 habe man den Basaltabbau am Kulm beendet und dem Berg somit ein einschneidend landschaftsveränderndes Zerstörungswerk wie am Teichelberg bei Pechbrunn erspart, wo erst jüngst die weitere Basaltabgrabung eingestellt worden sei. Das Ende des Gesteinsabbaus am Kulm hing nach Hans Loserts Überzeugung auch mit dem minderwertigen „Schlotbrekzie“-Mischgestein zusammen, von dem die Basaltvorkommen durchsetzt seien.

Spannende Geschichte

Weitere Stationen der Wanderung waren ein rund 50 Meter langes Reststück des frühmittelalterlichen Ringwalls, der sonst großenteils dem Schienenweg und dem Basaltabbau zum Opfer gefallen ist, und das zwischen Wall und Blockhalde gelegene „Unterburg“-Gelände, wo sich im zehnten Jahrhundert Häuser der Burgbesatzung befanden. Von dort aus, so Hans Losert, sei die slavische „Flednitz“ kontrolliert worden, die sich etwa bis Speichersdorf, Creußen, Eschenbach und Pressath erstreckt habe. In Gefahrenzeiten habe die Bevölkerung der Umgebung „mit Hab und Gut, insbesondere mit ihrem Vieh,“ hier Schutz suchen können: „Eine Eroberung dieser Anlage war dank schwer überwindbarer Basalthindernisse äußerst schwierig.“

Vom Kulm aus habe man die Umgegend weithin überwachen können, zumal Berg und Umland im Mittelalter, anders als heute, kaum bewaldet gewesen sei: „Das Holz wurde als Baumaterial und Rohstoff zur Erzeugung von Holzkohle für die Eisenverarbeitung gebraucht.“ An die reichen Eisenvorkommen der Region erinnerten unter anderem noch die „Bärenlöcher“, frühere Eisenerzgruben bei Speichersdorf. Auch bei Filchendorf sei am Fuß des Kulms möglicherweise Erz geschürft worden. Ein vom Ringwall tangiertes Hügelgrab aus vorchristlicher Zeit sei von „Generationen von Archäologen“ nicht beachtet worden, wohl aber von Grabplünderern des 18. oder 19. Jahrhunderts.

„Vulkanruine“ illustriert explosive Vergangenheit

Der Kulm, so Grabungsleiter Dr. Hans Losert, sei das Ergebnis eines mit mehreren gewaltigen Explosionen vor etwa 20 Millionen Jahren einhergegangenen „Maar“-Vulkanismus, wie er sonst vor allem in der Eifel anzutreffen sei. Der Sandstein, der einst das aus dem Erdinnern hervorgebrochene und zu Basalt erstarrte Magma umgeben habe, sei durch Verwitterung abgetragen worden: „Zuvor reichte die Erdoberfläche vermutlich etwa 200 Meter über den jetzigen Gipfel dieser ‚Vulkanruine‘.“

Nach wie vor nicht lückenlos belegt sei die Besiedelung des Kulmgebietes: Zwar sei prinzipiell von weitgehend kontinuierlicher menschlicher Siedlungstätigkeit seit der Steinzeit auszugehen, für die Zeit von etwa 400 vor bis 700 nach der Zeitwende fehle es aber an archäologischen Funden. Gänzlich menschenleer könne das Gebiet jedoch nicht gewesen sein, zumal wichtige Verkehrswege es weiterhin durchquerten.

Für benachbarte oberfränkische und oberpfälzische Gebiete sei auch thüringische oder elbgermanische Besiedlung nachgewiesen, ehe um 700 die slavische Landnahme eingesetzt habe. Im Namen des Kulm-Fördervereins und des Historischen Vereins für Oberfranken dankten Fördervereinsvorsitzende Käthe Pühl und Geschichtsvereins-Geschäftsführer Norbert Hübsch dem Archäologen für den Einblick in die Ergebnisse fruchtbarer Forschungsarbeit.

Entdeckungsreise zum “Denkmal Kulm”

Gelegenheit, den Rauhen Kulm als Natur- und Kulturdenkmal kennenzulernen, bietet der Förderverein Rauher Kulm am Sonntag. Die rund anderthalbstündige geführte Wanderung beginnt um 14 Uhr, Treffpunkt ist das Infozentrum Rauher Kulm.

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