Prozess um Chamer Geldtransporter-Raub: Mutter einer Influencerin soll Fahrer betört haben

Regensburg. Am kommenden Freitag fällt Richter Andreas Gietl im Landgericht Regensburg das Urteil über drei Angeklagte eines dilettantischen Millionenraubs: Eine Influencerin und ihre Mutter sollen einen Geldtransporter-Fahrer betört haben.

Influencerin Stefanie F. zeigte sich ihren rund 220.000 Followern gerne in Pools von Luxushotels. Screenshot: Instagram

Die Fakten: Sie haben den Überfall auf einen Geldtransporter auf dem Parkplatz des Kauflands in Cham vorgetäuscht. Sicherheitsdienst-Mitarbeiter und Fahrer des Geldtransporters Karl B. übergab der niederbayerischen Instagram-Influencerin Stefanie F. (28) über eine Million Euro. Deren 52-jährige Mutter Petra F. soll den liebesblinden Fahrer dazu angestiftet haben.

Und dann bringt auch noch ein CSU-Bürgermeister der Kripo einen rosaroten Koffer mit 820.220 Euro, den ihm Petra F. zur Verwahrung anvertraut habe. Staatsanwalt Oliver Kugler wirft dem Trio gemeinschaftlichen Diebstahl mit Waffen vor. Richter Andreas Gietl fällt voraussichtlich am Freitag, 3. November, das Urteil im Landgericht Regensburg.

„Dipferlscheißer“ im Liebeswahn?

Noch ist nicht endgültig geklärt, wer in dieser Millionenraub- und Liebesposse Verführer und Verführter ist. Die Beschuldigten beschuldigen sich viel mehr gegenseitig der Anstiftung. Vieles aber spricht nach den Aussagen der Kollegen des Sicherheitsdienst-Mitarbeiters Karl B. dafür, dass sich der als „Dipferlscheißer“ beschriebene, als zuverlässig geltende 56-Jährige von Petra F. zur Tat anstiften ließ. „Er hat seinen Job immer gut erledigt“, sagt etwa sein Kollege Gerd R. (58).

Der Werttransporter-Fahrer räumt in der Verhandlung die Vorwürfe ein, beteuert aber, dass seine Disco-Bekanntschaft Petra F. den Plan ausgeheckt habe: „Sie fragte immer wieder, mit wie viel Geld ich so rumfahre und wo.“ Obwohl er sie wiederholt vor dem hohen Risiko gewarnt habe, dass sich zwei bewaffnete Mitarbeiter im Wagen befänden und bei unvorhergesehenen Situationen Alarm ausgelöste werde, sei die Frau beharrlich geblieben: „Da müsse man doch was machen können.“

Luxus kann süchtig machen: Stefanie F. im orangefarbenen Lamborghini. Gefotoshopter Screenshot: Instagram

Gelernter Maurer verliert die Nerven

Schlussendlich lässt sich der gelernte Maurer jedenfalls zur Tat am 17. April zumindest überreden, zeigt dann aber auch prompt Nerven. Zunächst schickt er seine beiden Kollegen mit einem Geldkoffer ins Chamer Kaufland. Dann öffnet er Stefanie F. die Fahrertür und zeigt ihr, wie sie den Mechanismus entriegeln kann, um in den Tresorraum zu gelangen, ohne Alarm auszulösen. Die für die Sparkasse bestimmten 1,035 Millionen Euro habe er in eine Sporttasche gestopft und der Luxus-Influencerin übergeben.

Staatsanwalt Kugler: „Um 9.31 Uhr machte sich Stefanie F. mit der Tasche zu Fuß auf den Weg zu der in etwa 700 Meter Entfernung im BMW 316, schwarz, mit Straubinger Kennzeichen, absprachegemäß wartenden Angeklagten Petra F.“ Doch schon hier beginnt die Pannenserie der Amateurräuber: Eine offen gelassene Tür löst einen Alarm aus. Karl B. kann diesen noch telefonisch abstellen lassen. Als dann seine Kollegen zurückkommen, verliert er endgültig die Fassung.

Von wegen kaltblütig: In die Hose gemacht

Der nervöse Insider-Komplize verwickelt sich schnell in zahlreiche Widersprüche. Als Kollege Gerd R. den bleichen und stammelnden Karl B. auf eigenen Wunsch zur Toilette begleitet, habe der gesagt: „Ich glaub‘, wir sind überfallen worden.“ Dieser habe die Bemerkung zunächst nicht ernst genommen. Im Tresorraum kann er sich dann selbst überzeugen: „Ja wirklich, das Sparkassen-Geld ist weg.“ Dem Mittäter habe es dann erst mal die Sprache verschlagen, und er habe in die Hose uriniert. Nicht gerade das, was man sich unter einem kaltblütigen Kriminellen vorstellt.  

„Der Fahrersitz war ganz feucht“, bemerkt dann auch Kollege Ivan P. (29). „Ich dachte, Karl hätte einen Herzanfall gehabt“, interpretierte er dessen seltsames Verhalten. „Mir sagte er, er habe die 1,035 Millionen in eine schwarze Tasche packen müssen, dem Kollegen erzählte er was von Tüten und der Polizei von einem Rucksack. Das fand ich komisch.“ Gerd R. fügt hinzu: „Einmal war von einem Täter die Rede, dann von zwei, einmal war er selbst im Laderaum, dann der Täter.“

Am Freitag fiel im Landgericht Regensburg das Urteil gegen das räuberische Trio. Archivfoto: OberpfalzECHO

„Ich wollte Petra imponieren“

Kein Wunder, dass auch der Polizei nach Aufnahme aller Zeugenaussagen die Einlassungen des angeblich überfallenen Fahrers höchst dubios erscheinen. Man observiert Karl B. nach Verlassen des Krankenhauses. Petra F. habe ihn abgeholt und zu beruhigen versucht: „Die können uns nichts nachweisen.“ Was sie offenbar zu diesem Zeitpunkt nicht weiß: Ihr verliebter Bekannter hatte den Kollegen zuvor schon stolz von Urlauben in Dubai und Österreich erzählt – und von Schönheits-Operationen, die er bezahlt habe. Unauffällig geht anders.

„Ich war blind vor Liebe“, versucht Karl B. sein Verhalten zu erklären. Er habe Petra F. imponieren wollen. Und dabei sei er nicht nur lediglich mit Brosamen abgespeist worden, sondern habe sogar draufgezahlt: „Sie hat mir mal einen Hunderter und mal einen 200-Euro-Schein zum Bezahlen einer Essensrechnung gegeben“, sagt er aus. Umgekehrt habe er Petras Schulden beim Finanzamt und Rechnungen des Kaminkehrers beglichen und Wellness-Urlaube bezahlt, der Tochter sogar drei Operationen. „Ich habe ihr blind vertraut.“

Geldkoffer spricht gegen Petra F.s Version

Petra F. wiederum versucht nach ihrer Festnahme den Spieß umzudrehen: Sie beschuldigt ihren Bekannten, er habe sie vergewaltigt und mit der Drohung, ihre Kinder zu erschießen, zur Teilnahme am Geldtransporter-Bruch gezwungen. „Er hat schon immer auf die Gelegenheit gewartet, mal was aus der Tasche zu nehmen“, behauptet die 52-Jährige.

Stefanie F.s Verteidiger Martin Ondrasik erklärt die Mittäterschaft seiner Mandantin mit dem schlechten Gewissen nach den wiederholten Zahlungen für Schönheitsoperationen. Gegen diese Version spricht, dass Ende Mai ein CSU-Bürgermeister einen Koffer mit dem Löwenanteil der Beute in Höhe von 820.220 Euro bei der Kripo abgibt. Petra F. habe ihm das Gepäckstück zur Verwahrung überlassen. Als „Belohnung“ habe seine Affäre ihn mit zu einem Wellness-Aufenthalt genommen.

Am Tatort des gefakten Geldtransporter-Überfalls: Kaufland-Parkplatz in Cham. Foto: Fischer

Geldscheine in Spitzenhöschen

Die Ermittlungsgruppe „Regental“ kommt dem Trio schnell auf die Spur – unter anderem durch Aufnahmen einer Überwachungskamera: Direkt nach dem Überfall wartet Petra F. in ihrem schwarzen 3er-BMW rund 700 Meter vom Supermarkt-Parkplatz entfernt. Anschließend fährt sie zusammen mit Stefanie und der Beute in ihre Heimatgemeinde Ascha.

Ermittler durchsuchen neun Tage nach dem Raub das Haus von Petra F. und sammeln an den kuriosesten Verstecken insgesamt 86.240 Euro ein. Kommissar Florian L. (46) erzählt vor Gericht: „In den Jacken, Taschen, zwischen Schubläden – überall waren Geldscheine.“ Ein Foto der Spurensicherung zeigt Geldscheine zwischen Dessous der Influencerin. Von der Beute fehlen bis heute 128.976,48 Euro. Alle Angeklagten bestreiten bislang, vom Verbleib des fehlenden Geldes zu wissen.

Aquarell des idyllischen Pfarrdorfs Ascha, Wohnort von Petra und Stefanie F. Foto: Hölderlin/OberpfalzECHO

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