Mit Fliege und Hemd zum Urteil: Sieben Jahre Haft für Regensburger Kokain-Händler
Weiden. „In Berlin gäb's dafür zwei Jahre“, sagt ein Anwalt. In Weiden sind es sieben. Das Landgericht Weiden hat einen 29-Jährigen aus Regensburg wegen Drogenhandels verurteilt. Er und seine Frau hatten ein Kilo Kokain aus Bremen geholt.
Der Angeklagte kommt daher wie ein Konfirmand: mit Fliege und weißem Hemd, sehr selbstbewusst. Sie ist ein weinendes Häufchen Elend. Seit zehn Monaten sitzen beide in Untersuchungshaft. Gemeinsam hat das junge Ehepaar (29 und 27) im August 2023 ein Kilogramm reinstes Kokain im Kofferraum transportiert. Wert: rund 300.000 Euro.
Die 1. Strafkammer am Landgericht Weiden ahndet das mit sieben Jahren für den Angeklagten wegen BTM-Handels in nicht geringer Menge. Für seine Frau gibt es drei Jahre wegen Beihilfe. Das Gericht bleibt damit in der Mitte des Strafkorridors, der nach einem Rechtsgespräch vereinbart worden war.
Es bleibt der starke Verdacht, dass diese Fahrt nicht die erste und einzige war. Nur: „Dafür gibt es keine harten Beweise“, so Richter Peter Werner in seiner Urteilsbegründung. Bei der Kontrolle hatte die Frau gesagt, man habe in Bremen den Hochzeitstag nachgefeiert. Insgesamt hat der Angeklagte das Hotel in den letzten zwei Jahren 17 Mal gebucht. Richter Werner trocken: „Man fragt sich, wie oft im Jahr man seinen Hochzeitstag im Grand Hotel in Bremen feiern kann.“
Keine Jobs – aber Mercedes AMG und Appartements mit Personal
Der Sachbearbeiter der Weidener Kripo erklärte am Vormittag die Beweislage. Punkt 1: Das Paar arbeitete nicht, hatte aber 2022/2023 hohe Lebenshaltungskosten. Allein für Mietwagen – Mercedes AMG und BMW – gab der Angeklagte 70.000 Euro aus. Die Miete für zwei exklusive Appartements in Regensburg (mit Personal) kostete in zwei Jahren rund 80.000 Euro.
Punkt 2: Man fand praktisch keine Beweise. Bis heute weiß man Nullkommanichts über Lieferanten oder Kunden. Die Handys wurden während der Bremen-Touren nicht benutzt. Die Luxus-Appartements wurden nach der Festnahme durchsucht. Auch hier, fast nichts: ein paar Zipp-Tüten, eine Feinwaage, ein Vakuumiergerät. Es besteht der Verdacht, dass der Polizei jemand zuvorgekommen ist.
Zellengenossin hat gepetzt
Interessant: Diese Information stammt von der Zellengenossin der Angeklagten. Die 27-Jährige traf in der U-Haft ausgerechnet auf eine Betrügerin: die erst kürzlich in Weiden verurteilte Vorständin einer „Genossenschaft“. Arglos berichtete sie der 50-Jährigen, dass der Plan aufgegangen sei, dass die Schwiegermutter die Appartements aufgeräumt hatte. Die 50-Jährige bekam auch mit, dass beim Prozess eine Befreiungsaktion geplant sei.
Die Betrügerin hat gepetzt. Daher das Großaufgebot an Sicherheitskräften bei der Verhandlung. Der 29-Jährige sitzt seither in Einzelhaft. Beide wurden in Hand- und Fußfesseln vorgeführt.
Fahnder mit einem guten Gespür
Recht eindrucksvoll war am Donnerstag der Bericht des Fahnders der Grenzpolizei Waldsassen. Er war mit seinem Kollegen am späten Abend als Zivilstreife unterwegs. Der Bremer Mercedes kam ihnen verdächtig vor. Sie hatten das richtige Näschen. Die Grenzpolizisten zogen das Paar an der Ausfahrt Mitterteich-Nord heraus. In einem Wäschesack des Grand Hotels sah der Beamte unter einer Calvin-Klein-Unterhose die zwei „Ziegel“ gepresstes Kokain. Noch am Auto klickten die Handschellen. Warum man ausgerechnet dieses Auto stoppte? Sagt er nicht. „Wir sind Fahnder, das ist unser täglich Brot.“
Anwalt Johannes Büttner, einer der vier Verteidiger, kritisiert die unterschiedliche Rechtssprechung im Land. Er habe im Vorfeld vergleichbare Urteile recherchiert: In der Regel würden für ein Kilo Kokain etwa vier Jahre verhängt. „Aber wir sind nun mal in Weiden, wir sind nun mal in Bayern. Da ticken die Uhren anders.“ In Berlin wären für diese Tat vielleicht zwei Jahre fällig gewesen, in Weiden sind es sieben.
Verfahren wegen Geldwäsche
Es ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte in den Jahren 2022/2023 sechs- bis siebenstellige Gewinne mit Kokain-Handel machte. Aber: Erlöse konnten nicht sichergestellt werden. Ein Einzug von Wertersatz ist nicht möglich. Die Konten sind unauffällig. Das Paar hat alle seine Lebenshaltungskosten, selbst die Miete, immer in bar bezahlt. Leitender Oberstaatsanwalt Bernhard Voit kündigt an, dass noch ein Verfahren wegen Geldwäsche läuft. „Das hat ein Nachspiel.“
Über den Angeklagten weiß man wenig mehr, als dass er in Regensburg geboren ist und einmal Kfz-Mechatroniker gelernt hat. Seine zwei Jahre jüngere Frau wuchs in einem zerstrittenen Elternhaus auf und flüchtete mit 16 in seine Arme. Sie beschrieb die Beziehung als „toxisch“, sie sei von ihm abhängig gewesen.
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