Lebenslange Haft für grausamen Mordversuch

Weiden. Oberstaatsanwalt Rainer Lehner lässt kein gutes Haar an Ted T. In seinem 50-minütigen Plädoyer schildert er die Geschehnisse in den frühen Morgenstunden des 23. Mai 2015, wie sie sich seiner Überzeugung nach zugetragen haben. Staatsanwalt, Nebenklagevertreter und Gericht kommen zur gleichen Bewertung der Tat: gefährliche Körperverletzung, versuchter Mord und versuchte besonders schwere Vergewaltigung.

Von Benedikt Grimm

Lehner erkennt in dem Vorgehen des Angeklagten einen kühlen, nach Risikograden abgestuften Plan. Er sei in das Gebäude in der Bachstraße gegangen, um nach Stehlenswertem zu suchen. Motivation könnte die Chatnachricht seiner Frau gewesen sein, wonach er nicht im gemeinsamen Schlafzimmer, sondern auf der Couch nächtigen sollte. Mit der erhofften Einbruchsbeute habe er seiner Ehefrau einige Gefälligkeiten zur Versöhnung finanzieren wollen.

Der Staatsanwalt ist überzeugt, dass Ted T. die Schlüssel zu dem Wohn- und Geschäftshaus in der Bachstraße hatte. Die mit ihm befreundete frühere Mieterin hatte nach ihrem Auszug einen Schlüssel zu wenig zurückgegeben. Zunächst geht er dann in die Wohnung im zweiten Obergeschoss, die – wie er wusste – nach dem Auszug seiner Bekannten leer stand, aber in der er es vielleicht dennoch etwas zu stehlen hätte geben können. Zweite Risikostufe: die Metzgerei im Erdgeschoss. Um dort hinein zu gelangen, musste er zunächst die Tür eintreten und riskieren bemerkt zu werden. Aus dem Ladengeschäft nahm er auch Schlüssel mit, nach Auffassung von Lehner im Glauben, dass einer davon für die Wohnungstür im ersten Stock passen könnte.

Ted T. wusste, dass sein Opfer allein ist

Sein Mandant sei davon ausgegangen, dass das Gebäude menschenleer gewesen sei, sagte Verteidiger Tobias Konze in seinem Plädoyer. Das Opfer hatte die Rollläden aber nur teilweise geschlossen, von der Bachstraße aus muss gedämpftes Licht wahrnehmbar gewesen sein. Postkasten und Klingelschild waren mit dem Namen der neuen Mieterin, dem späteren Opfer beschriftet. Und sie hatte den Fernseher an, nach eigenen Angaben mit ordentlicher Lautstärke. “Nachts um drei in Pressath, da tanzt nicht gerade der Bär. Wenn man da in ein Haus reingeht, dann hört man den Fernseher”, ist Vorsitzender Richter Walter Leupold in seiner Urteilsbegründung überzeugt. Und nachdem er die Tür aufgebrochen hatte? Ted T. muss bereits bevor er sich im Badezimmer versteckte, die Tür zum Wohnzimmer geöffnet und sein späteres Opfer mit ihrem Yorkshire-Terrier auf dem Sofa dösend gesehen habe. Bei einer Vernehmung durch die Polizei hatte er von dem Hund berichtet. Bei dem späteren Angriff hatte sich der aber längst verkrochen, sodass er ihn dann gar nicht gesehen haben konnte. Für Oberstaatsanwalt Lehner steht fest: “Der Angeklagte ging zutreffend davon aus, dass sich das Opfer alleine in der Wohnung befand.” Doch warum habe er sich dann im Bad versteckt, wenn er Angst vor seiner Entdeckung hatte? Hätte er die Wohnung verlassen, hätte er gar nicht riskiert von der Bewohnerin entdeckt zu werden. Er habe von vornherein damit gerechnet, dass jemand in der Wohnung ist.

Bündel von Mordmerkmalen

Ted T. habe bewusst die Arg- und Wehrlosigkeit der Geschädigten ausgenutzt, die nicht mit einem Angreifer in der eigenen Wohnung habe rechnen müssen. Der Tötungsversuch erfülle damit das Mordmerkmal der Heimtücke. Willentlich und in unbarmherziger, gefühlloser Gesinnung habe er auf sein Opfer eingestochen, getrieben von einem unbedingten Vernichtungswillen, von dem die Vielzahl der Stiche zeugen würden. Nach der misslungenen Vergewaltigung habe er den Kehlenschnitt kraftvoll und entschlossen ausgeübt. Die 25-Jährige konnte den tödlichen Schnitt im letzten Moment mit ihrer linken Hand verhindern, die sie schützend an den Hals hielt. Dabei wurde ihr beinahe der Daumen abgetrennt. Grausam, zur Verdeckung einer Straftat und aus niedrigen Beweggründen (Ärger über misslungene Vergewaltigung) habe Ted T. gehandelt.

Vergewaltigung? Why not?

Die versuchte Vergewaltigung hatte Ted T. bei der ersten polizeilichen Vernehmung eingeräumt, dann aber auch noch während der Hauptverhandlung wieder bestritten. Zuletzt hatte er nach der Aussage der Geschädigten formuliert, dass es sich so zugetragen haben könnte, er aber in einer außergewöhnlichen Situation gewesen sei und sich deshalb nicht mehr erinnern könne. „Was für ein Trauerspiel haben wir denn da bei der Einlassung des Angeklagten“, sagte Leupold bei der Urteilsbegründung dazu. Als er die Tat einem Mithäftling in der Justizvollzugsanstalt schilderte, habe er sich offenbar ganz klar erinnern können. Der Mithäftling hatte ausgesagt, dass Ted T. ihm gegenüber den Vergewaltigungsversuch zugegeben habe. Der 29-Jährige habe sein Verhalten mit den Worten „Why not?“ kommentiert – frei übersetzt: Warum hätte er sie denn nicht vergewaltigen sollen? Als das nicht klappte, sei er – so der Mithäftling – sauer geworden.

Entschuldigung – direkt vom Herzen oder fadenscheinig?

Der Angeklagte nutzte sein Recht auf das letzte Wort. Bevor er beginnt, muss er mehrmals hörbar schniefen. „Ich habe mir nichts aufgeschrieben, denn alles was ich sagen werde, kommt direkt von meinem Herzen“, erklärte Ted T. mit fester, tiefer Stimme. Er könne sich nicht erklären, was er in dieser Nacht getan habe. Alkohol und die posttraumatische Belastungsstörung von seinen Kriegseinsätzen müssen mitgewirkt haben. Er habe nie die Schlüssel zu dem Haus gehabt. Die Tür habe sich einfach so öffnen lassen. Auch wegen der Chatnachricht seiner Frau sei er nicht verärgert gewesen. „Es war ganz normal, wenn einer krank war, dass er auf der Couch geschlafen hat“, so der US-Amerikaner. Er habe damals einen schweren Husten gehabt, von dem das gemeinsame, vier Monate alte Baby immer aufgewacht sei.

Ich habe zu keinem Zeitpunkt während des Angriffs versucht das Opfer zu töten, ich hatte Panik, hatte Adrenalin. Ich hab die Kontrolle verloren.

Die immer wieder behauptete Alkoholisierung halten Staatsanwalt Lehner und Walter Leupold für widerlegt. Alle Zeugen hätten übereinstimmend ausgesagt, dass Ted T. kurz vor der Tat keine Ausfallerscheinungen zeigte. Er habe noch Motorrad fahren können. Zuhause sei er nach der Tat sofort zweckgerichtet duschen gegangen und habe Kleidung und Turnschuhe mit Bleichmitteln gewaschen, um Spuren zu beseitigen. Die milde Ausprägung der posttraumatischen Belastungsstörung erreiche nicht das Ausmaß, um die Schuldfähigkeit zu vermindern.

Mit voller Absicht

Die Ausführungen von Verteidiger Tobias Konze über einen eventuell nur bedingten Vorsatz hält das Gericht für absurd. Mit der rechten Hand habe das Opfer eine Abwehrbewegung gemacht. Ted T. habe mit solcher Wucht zugestochen, dass er durch die Hand durchstach. „Wenn man sieht, wie die Widerstandkraft bricht, das Opfer bewegungsunfähig wird, am Boden liegt… das war kein bedingter Vorsatz, das war direkter Vorsatz“, ruft Leupold, wobei seine Stimme im hohen Schwurgerichtssaal hallt. Ted T. lässt die Urteilsbegründung mit weit nach vorne gebeugten Oberkörper über sich ergehen. Mit der Stirn berührt er die Tischplatte vor ihm. Zur Entschuldigung des Angeklagten sagt Leupold:

Da fragt man sich schon, wenn jemand sagt, es tut ihm leid. Auf solche fadenscheinige Entschuldigungen kann man verzichten!

Gerichtsakten

Bilder: B. Grimm

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