Ted T.: belastet aber nicht gestört

Weiden. Wer ist Ted T. und was könnte ihn  zu dem brutalen Angriff auf eine 25-jährige Altenpflegerin am Pfingstsamstag 2015 veranlasst haben? Der Antwort auf diese Frage ein Stück näher zu kommen, galt der fünfte Verhandlungstag gegen den 29-jährigen Amerikaner. Thomas Lippert, Facharzt für forensische Psychiatrie, hat den Angeklagten dreimal untersucht und ihn an den bisherigen Verhandlungstagen beobachtet. Das Ergebnis seiner Arbeit präsentierte er nun vor Gericht.

Von Benedikt Grimm

1986 wird Ted T. in Atlanta, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Georgia geboren. Die Mutter ist drogensüchtig. Auch während der Schwangerschaft nimmt sie offenbar Betäubungsmittel. Als der Sohn drei oder vier Jahre alt ist, gibt sie ihn zur Adoption frei. Die Stiefeltern, ein Lkw-Fahrer und eine Mitarbeiterin einer Versicherungsgesellschaft, sollen den Jungen regelmäßig geschlagen haben, auch wegen nichtiger Anlässe wie schlechter Schulnoten. Der Stiefvater soll auch mit dem Gürtel zugeschlagen haben. Bei dem Kind wird ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom diagnostiziert und mit Ritalin behandelt. Das Verhältnis in der Familie, die in einem Vorort von Atlanta lebt, sei aber normal gewesen. Ted T. schafft den Abschluss an einer Highschool, besucht sogar einige Monate ein College, bevor er sich 2005 bei der Armee verpflichten lässt. In sieben Jahren bei den Streitkräften bringt er es bis zum Rang eines Unteroffiziers.

Schwere Gefechte in Afghanistan

Dreimal ist der Angeklagte im Kriegseinsatz, zweimal im Irak, zuletzt in Afghanistan. Der Einsatz am Hindukusch sei der schlimmste gewesen. Vier Wochen sei er auf einem Berg festgesessen und ständig in Feuergefechte verwickelt gewesen. Ein Freund wird von einem Schuss in den Mund getroffen und getötet. Ted T. selbst bleibt bei den Kampfhandlungen unverletzt, zieht sich beim Heben schwerer Gegenstände aber eine Rückenverletzung zu, die nach seiner Rückkehr operativ behandelt wird. Im November 2014 wird er nach einem Disziplinarverfahren aus der Armee entlassen. Finanziell habe er dank einer Anstellung bei einer Zeitarbeitsfirma und einer Veteranenrente keine Schwierigkeiten gehabt.

Posttraumatische Belastungsstörung?

Lösten die Erlebnisse bei den Kriegseinsätzen eine Posttraumatische Belastungsstörung aus? Schon 2013 habe Ted T. vorsorglich Posttraumatik-Checklisten ausgefüllt. Dabei werden 17 Fragen beantwortet. Steht am Ende ein Wert von über 50, spreche das für starke Anzeichen einer schweren Belastung, erläutert Lippert. Dreimal füllt Ted T. diese Checklisten aus. Das Ergebnis: 34, 32, 29. „Alles Werte, die im unteren Bereich sind“, sagt Psychiater Lippert. Reizbarkeit, Wutausbrüche, das Gefühl niemanden mehr vertrauen zu können und Schwierigkeiten mit seinem Ärger umzugehen – all diese Symptome einer Posttraumatischen Belastungsreaktion lägen bei dem Angeklagten aber vor. Auch von Alpträumen und Schlafstörungen habe er berichtet. Eine Einschränkung der Ärger-Kontrolle sei schon von Armee-Ärzten festgestellt worden. Eine extreme Form, bei der sich Betroffene etwa nicht mehr aus dem Haus trauen und keiner geregelten Tätigkeit mehr nachgehen könnten, scheide aber aus. „Ich würde das Ganze als eher milde Form einer Posttraumatischen Belastungsstörung einschätzen“, sagt Lippert. Anhaltspunkte für eine verminderte oder gar ausgeschlossene Schuldfähigkeit im Sinne des Strafgesetzbuches sehe er nicht.

Alkohol- und Drogenprobleme – nur erfunden?

Immer wieder habe ihm der Angeklagte von Alkohol- und Drogenmissbrauch berichtet. Marihuana, Kokain, Metamphetamine, zuletzt auch Crystal Speed, habe er regelmäßig konsumiert. Was ergaben die ärztlichen Untersuchungen anhand von Haarproben? „Die gemessene Konzentration in den Haarproben ist grundsätzlich nicht vereinbar mit dem geschilderten Alkoholkonsum“, sagt Lippert. Anzeichen für eine Alkoholabhängigkeit gäbe es nicht. Und Drogen? „Es gibt keine Anhaltspunkte für regelmäßigen, klinisch relevanten Konsum von Betäubungsmitteln im Jahr 2015.“

Auch in der Tatnacht habe er viel getrunken. „Stark besoffen“ sei er gewesen. Und: „Der Alkohol mache einen anderen Menschen aus ihm, mache ihn besessen“, erinnert sich der Leiter der Ermittlungsgruppe „Nachtläufer“ bei seiner Aussage am fünften Verhandlungstag. Gegenüber dem psychiatrischen Gutachter sagt Ted T., dass er Schwierigkeiten gehabt hätte, die Gänge bei seinem Motorrad einzulegen, mit dem er von einer Geburtstagsparty am Abend vor der Tat nach Hause gefahren ist. „Wenn er die Person ist, die man auf den Aufzeichnungen sehen kann, dann hab ich eigentlich keine schweren motorischen – wenn überhaupt – Ausfallerscheinungen feststellen können“, sagt Lippert über die Bilder von Überwachungskameras. Auch die anderen Gäste der Party konnten bei Ted T. keine spürbare Alkoholisierung ausmachen.

Wunsch nach Sex?

Einen vagen Erklärungsansatz für den Gewaltexzess sieht Lippert in einer Chatnachricht von der Ehefrau wenige Stunden vor der Tat. Sie hat ihm mittgeteilt, dass er wegen seines Hustens nicht im gemeinsamen Schlafzimmer nächtigen soll. Eine Viertelstunde darauf suchte Ted T. via Google nach Sexkontakten. Der Wunsch nach sexuellen Kontakten noch am selben Abend könne dafür sprechen, dass es später bei der konkreten Tatsituation zu dem vermutlichen Vergewaltigungsversuch gekommen sei.

Am Mittwoch werden Staatsanwalt, Verteidiger und Nebenklagevertreter die Plädoyers verlesen. Gegen Mittag wird die erste Strafkammer des Landgerichts das Urteil fällen.

Ted T. 6 Konze

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