Zentralstelle „verbannt“ syrischen IS-Anhänger nach Tirschenreuth
Tirschenreuth. Die Zentralstelle Ausländerextremismus hat einen IS-Anhänger (36) gegen seinen Willen nach Tirschenreuth "verbannt". Der Syrer hatte zuletzt eine Haftstrafe wegen terroristischer Aktivitäten abgesessen. Er gilt als enorm gefährlich.
Nach Syrien (Krieg) kann er nicht abgeschoben werden – daher hat der Staat seine Verlegung nach Tirschenreuth angeordnet. Aus „Gründen der inneren Sicherheit“ (siehe Infobox). Verantwortlich ist die Regierung von Mittelfranken, Zentralstelle Ausländerextremismus (inzwischen Landesamt für Asyl und Rückführungen in München). Der Fall wurde publik, weil sich der 36-Jährige gerichtlich gegen den aufgezwungenen Wohnort in der Oberpfalz wehrt. Der Syrer klagte am Montag am Verwaltungsgericht in Regensburg gegen die Auflagen.
Das ist zum einen die Auflage, das Stadtgebiet von Tirschenreuth nicht verlassen zu dürfen. Er muss in der dortigen Gemeinschaftsunterkunft wohnen. Zweimal täglich (morgens und abends) muss sich der Mann persönlich bei der Polizeiinspektion Tirschenreuth melden. Er trägt eine elektronische Fußfessel. Das Ganze geht seit März 2022 so. Der verurteilte IS-Terrorist darf zudem kein internetfähiges Gerät (Smartphone etc.) benutzen. Eine Entscheidung traf das Verwaltungsgericht noch nicht, so Sprecherin Kristin Benedikt.
2018 zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt
Ursprünglich hatte Abdulhadi B. seinen Wohnsitz in Würzburg, wo er ab dem Sommersemester 2014 Medizin studierte. Es ist eher Zufall, dass die Justiz überhaupt von seinen terroristischen Aktivitäten erfuhr. Der Student hatte seine Freundin geschlagen und wollte den Strafbefehl nicht zahlen. Es kam im August 2016 zu einer Verhandlung am Amtsgericht Würzburg, in der Zeugen von Anschlagsplänen berichteten.
Daraus resultierte ein Prozess am Oberlandesgericht München vor dem Staatsschutzsenat. Der Syrer wurde 2018 wegen Werbens um Unterstützer für eine ausländische terroristische Vereinigung (Islamischer Staat), versuchter Anstiftung zum Totschlag sowie Körperverletzung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Urteil wurde vom Bundesgerichtshof bestätigt. Er saß seine Haft bis Frühjahr 2022 ab.
Siebenjährigen zum IS-Kämpfer „ausgebildet“
Die Taten: Der Angeklagte hatte versucht, per Chat zwei Männer in Syrien für ein Selbstmordattentat anzuwerben. Zum Zweiten schwärzte er den Vater seiner syrischen Ex-Freundin bei „Exekutivkräften“ der Terrormiliz „Jabhat al-Nusra“ an. Der Mann wurde tatsächlich in Idlib festgenommen, kam aber wieder frei.
Und schließlich wollte der Angeklagte den Sohn (7) seiner Lebensgefährtin zum IS-Kämpfer ausbilden. Gemäß Urteil des OLG trug sich dieses „Training“ in der Studentenwohnung in Würzburg zu. Unter anderem habe er dem Buben mit einem Holzstab „zur Abhärtung“ auf den Bauch geschlagen.
Gutachter: Mann ist „enorm gefährlich“
Die Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft München ergaben zudem, dass der Syrer mehrfach geäußert habe, einen Anschlag auf eine Berliner Synagoge verüben zu wollen. Auf seinem Handy fanden sich Bombenbauanleitungen und ein vorab gedrehtes Bekennervideo. Die religiöse Einstellung des Klägers entspreche einer salafistisch-jihadistischen Richtung des Islam.
Die Regierung von Mittelfranken, Zentralstelle Ausländerextremismus, schätzt ihn als „enorm gefährlich“ ein. Das Kompetenzzentrum Deradikalisierung des Bayerischen Landeskriminalamtes sieht in einem Gutachten von Juli 2021 „kein Unrechtsempfinden“: Es bestehe „keine Bereitschaft, sich kritisch mit den Taten und seinen ideologischen Sympathien auseinanderzusetzen“.
Forscher Auftritt vor Gericht in Regensburg
Dieser Mann sitzt nun in der Oberpfalz fest. Am Verwaltungsgericht in Regensburg trat er am Montag sehr forsch auf. Wie „regensburg-digital“ berichtet, forderte er in einer Verhandlungspause 144.000 Euro von den Vertretern der Regierung der Oberpfalz – dann gehe er freiwillig. Die 144.000 Euro rechnet er aufgrund seiner Haft hoch: 75 Euro für jeden der 1920 Tage, die er „zu Unrecht“ im Gefängnis abgesessen habe. „So lange ich leide, leiden Sie mit“, zitiert ihn das Medienportal.
Konkret will er per Internet mit seiner kranken Mutter in Syrien telefonieren. Das hat ihm die Ausländerbehörde inzwischen unter Aufsicht eines Polizisten erlaubt. Zudem will er eine Ausweitung seines erlaubten Radius auf den Landkreis Tirschenreuth, damit er „ehrenamtlich für das Rote Kreuz“ tätig sein könne. Tatsächlich hat Abdulhadi B. im Sommer 2023 beim BRK-Kreisverband eine Ausbildung zum Sanitätshelfer absolviert.
Er hat bereits etliche Klagen an Verwaltungsgerichten eingereicht, die bislang alle erfolglos verlaufen sind. Mehrere Asylanträge wurden abgelehnt.
Abschiebung nicht möglich
Straftäter abschieben – das klingt einfach, ist es aber nicht. Nach Syrien kann grundsätzlich nicht abgeschoben werden. Grundlage für den Abschiebestopp ist der Lagebericht des Auswärtigen Amtes. An dem hat sich nichts geändert: In Syrien herrscht Krieg. Nach wie vor komme es zu teils intensiven Kampfhandlungen, nahezu täglich werden aus Teilen des Landes Tote und Verletzte gemeldet.
Die Terrororganisation IS ist laut AA weiterhin aktiv und nach wie vor in der Lage, überall im Land Anschläge zu verüben. Die Terrororganisation Hayat Tahrir al-Sham (vormals Dschabhat Fatah al-Sham bzw. Dschabhat al-Nusra) kontrolliere nach wie vor Teile des Gouvernements Idlib, Hama und Aleppo.
Aus „Gründen der inneren Sicherheit“
Die stellvertretende Sprecherin des Landesamtes für Asyl und Rückführungen in München, Barbara Freymüller, erklärt die Wohnsitzverlegung in die Nordoberpfalz auf Nachfrage von OberpfalzECHO wie folgt:
„Aus Gründen der inneren Sicherheit kann nach dem Aufenthaltsgesetz die Verpflichtung ausgesprochen werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können. Aus demselben Grund kann verfügt werden, dass die betreffende Person bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht nutzen darf, soweit Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren.
Dies wurde im von Ihnen angefragten Fall vorgenommen. Wir bitten um Verständnis, dass aus datenschutzrechtlichen Gründen und auch aufgrund des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen keine weiteren Angaben gemacht werden können.“
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