Eine Nationalbankpleite mitten in Europa

Stockholm. Eine Notenbank in Europa verliert aber anscheinend gerade ihren Doppelnullstatus - Die Pleite der schwedischen Nationalbank.

Eine Notenbank könnte das nötige Geld einfach selbst drucken. Aber ist das sinnvoll? Foto: Matthias Bernhardt

James Bond, Agent 007, hat die Lizenz zum Töten. Notenbanken haben die Lizenz zum Gelddrucken. Eine passende Nummer wäre hier wohl die 000, weil eine Null mehr oder weniger bei einer Notenbank in der heutigen Zeit keine Rolle spielt.

Eine Notenbank in Europa verliert aber anscheinend gerade ihren Doppelnullstatus: Die schwedische Nationalbank Sveriges Riksbank musste Ende Oktober 2023 dem schwedischen Parlament die Zahlungsunfähigkeit erklären. Hintergrund ist, dass die Bank im vergangenen Jahr einen Verlust von über 80 Milliarden Kronen (rund 8,5 Milliarden Euro) verbuchte, was ein negatives Eigenkapital von –15,5 Milliarden Euro zur Folge hatte. Relativ gesehen ist das Minus so gut wie nichts, denn es macht nur ca. 1 % des schwedischen Bruttosozialprodukts aus. Viel erstaunlicher ist es, dass die älteste Zentralbank der Welt ohne Staatshilfen faktisch pleite ist. Um das Finanzloch zu stopfen, benötigt die Sveriges Riksbank nun also eine kräftige Finanzspritze von ca. 70 Milliarden Kronen, um wieder den gesetzlichen Zielbereich des Eigenkapitals zu erreichen.

Wie kam es dazu, dass die Riksbank pleiteging?

Während der Nullzinsphase in den vergangenen Jahren haben Zentralbanken auf der ganzen Welt festverzinsliche Wertpapiere wie Anleihen im großen Stil aufgekauft, um die Wirtschaft zu stützen. Der starke Zinsanstieg des letzten Jahres führte zu einem massiven Preisverfall an den internationalen Anleihemärkten. Und da die Notenbank extrem hohe Bestände an Anleihen hält, musste sie entsprechend hohe Verluste abschreiben.
Mit ihrem Verlust waren die Schweden aber nicht allein. Aufgrund der schlechten Verfassung der Finanzmärkte schlossen viele Währungsbehörden das vergangene Jahr in Rot. Unsere Nachbarn aus der Schweiz verbuchten beispielsweise einen Verlust von 140 Milliarden Euro. Allerdings ist dieser (noch) durch ihr Eigenkapital gedeckt.

Warum verliert eine Anleihe an Wert, wenn die Zinsen steigen?

Oftmals sorgt der inverse Zusammenhang zwischen dem Preis einer Anleihe und dem Zinsniveau für Verwirrung unter Anlegern. Fakt ist, wenn Zinsen steigen, dann sinken die Kurse für Anleihen.

Was genau aber ist eine Anleihe? Einem Unternehmen stehen zahlreiche Möglichkeiten zur Kapitalbeschaffung zur Verfügung. Eine davon ist es, bei einer Bank ein Darlehen aufzunehmen. Wenn das Unternehmen nun stattdessen auf dem Kapitalmarkt eine Anleihe emittiert, ist das letztendlich das Gleiche. Nur ist dann nicht die Bank der Kreditgeber, sondern Privatanleger oder große institutionelle Investoren. Genauso wie eine Bank verlangen auch Investoren für das geliehene Geld Zinsen. Man spricht in diesem Fall von einem Kuponzins und dessen Höhe wird vom allgemeinen Zinsniveau bestimmt.

Steigt das allgemeine Zinsniveau an, steigt auch der Kuponzins. Dieser ist nämlich über die Laufzeit der Anleihe fix, weswegen ältere Anleihen mit geringerem Kuponzins im Vergleich zu neueren mit höherem Kuponzins für Investoren unattraktiv werden. Das Prinzip von Angebot und Nachfrage sorgt dann dafür, dass Investoren vermehrt die neueren, besser verzinsten Anleihen nachfragen und die älteren, schlechter verzinsten verkaufen, was zu sinkenden Preisen führt.

Welche Auswirkungen hat die Pleite?

Technisch gesehen kann eine Notenbank nicht pleitegehen, da sie ja das nötige Geld selbst drucken kann. Allerdings stünde dies im Widerspruch zum ökonomischen Umfeld und der entsprechenden Handlungsweise der Notenbank. Nichtsdestotrotz können Notenbanken auch bei Verlusten oder einem negativen Eigenkapitalbestand effektiv weiterarbeiten und ihr Mandat in vollem Umfang erfüllen – indem sie ihre geldpolitischen Instrumente wie Zinspolitik und Feinsteueroptionen entsprechend einsetzen. Damit sollte die Pleite keine spürbaren negativen Folgen haben.
Eine negative Eigenkapitalposition schränkt die Notenbank also nicht in ihrer Handlungsfähigkeit ein (insbesondere in der kurzfristigen Geldpolitik), aber würden Sie einer Bank Vertrauen schenken und ihren Aussagen glauben, wenn sie eigentlich zahlungsunfähig ist? Ich hoffe auf jeden Fall, dass der schwedische Notenbankchef Erik Thedéen vor dem Parlament etwas seriöser als Daniel Craig in Casino Royale die finanzielle Lage dargestellt hat: „Ich fürchte, meine Kreditwürdigkeit ist im Moment etwas angekratzt.“

* Diese Felder sind erforderlich.