Israel-Experte: „Auch ich habe keine Lösung“

Weiden. Der Dauerkonflikt zwischen Israel und den Palästinensern hat mit dem blutigen Terroranschlag der Hamas und der Reaktion Israels einen neuen Höhepunkt erreicht. Über Hintergründe und Zukunftsperspektiven berichtete ein Insider, der sieben Jahre in Israel gelebt hat.

Professor Stefan Wimmer von der LM-Universität München. Foto: Siegfried Bühner

„Der Konflikt zwischen Juden und Palästinensern ist älter als der Staat Israel“ sagte Nahost-Experte Professor Stefan Wimmer von der LM-Universität München in seinem Vortrag beim Freundeskreis Weiden der Evangelischen Akademie Tutzing.

Bereits in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg sei es in dem damals unter britischer Verwaltung stehenden Palästina zu Konflikten zwischen eingewanderten Juden und dem arabisch-palästinensischen Bevölkerungsteil gekommen. Trotz vieler Lösungsversuche in den Jahrzehnten danach konnte dieser oftmals mit Kriegen verbundene Dauerkonflikt bis heute nicht gelöst werden.

“Ein Land – viele Narrative, 75 Jahre Staat Israel“

Mit diesem historischen Rückblick begann der Referent seinen Vortrag, dem er die Überschrift „Ein Land – viele Narrative, 75 Jahre Staat Israel“ gegeben hatte. Und am Ende seiner Ausführungen musste der Professor resignierend feststellen „auch ich habe keine Lösung“. Doch über Hintergründe, warum eine Lösung des Konflikts gerade in den letzten Jahren immer schwieriger geworden ist, haben die Zuhörer ausführlich Informationen gehört.

So sei mit einer Nationalstaatsgesetzgebung im Jahre 2018 der Gründungsstaat Israels von 1947 faktisch abgeschafft worden. Israel sei damit nur noch „Staat des jüdischen Volkes“ erläuterte Wimmer. Die Weiterentwicklung jüdischer Besiedlungen sei als „nationale Wert“ erklärt worden. Wimmer hatte die Bevölkerung Israels vorher als „bunt gemischt und fantastisch heterogen“ beschrieben und dafür die Beispiele Aramäer, Drusen, die Beduinen in Rahat und Nazareth und die arabische Bevölkerungsstruktur in Galiläa genannt („alle sind Israelis“).

Verschiebung des Gleichgewichts

Ein jahrzehntelanges Gleichgewicht zwischen Links- und Rechtsparteien habe sich „dramatisch verändert“ und „die Geschichte ein Wendung genommen“. Momentan seien die Nationalreligiösen und die Rechtsextremisten die Gewinner. Die Regierung Netanjahu habe bei Verträgen mit Nachbarstaaten den Eindruck erweckt, „dass es Palästina nicht gibt“. Die Wahrnehmung aus palästinensischer Sicht lautete „Israel kann tun mit uns, was es will“.

Zum ersten Mal würden die Palästinenser nach den Morden vom 7. Oktober das Gefühl haben, „dass der jüdische Staat erschüttert ist“. Deshalb würden diese „die Morde ausblenden“. Zusammenfassend stellt Wimmer dazu fest „so kann es nicht weitergehen. Vielleicht gibt es noch einen Kompromiss“.

Doch dafür gebe es derzeit auf israelischer Seite keine Zustimmung. Israel würde derzeit einer Zwei-StaatenLösung nicht freiwillig zustimmen. „Aber auch mit einer solchen Lösung wären die Konflikte noch nicht beseitigt“, meint Wimmer. Dennoch sei dies „Voraussetzung für eine Lösung“. Auf beiden Seiten gebe es Menschen, die eine gerechte Lösung wollten.

Schlechte Chancen für den Frieden

Doch für den Experten gilt auch „mit Hamas kann es keinen Frieden geben“. Und man müsse auch „engagiert gegen diejenigen auf jüdischer Seite sein, die den Frieden verhindern“. Auf die Frage, wie eine Zwei-Staaten-Lösung funktionieren könne, meinte Wimmer allerdings „ich weiß es auch nicht, aber wenn Juden und Araber es wollen, kann es funktionieren“. Und er bedauerte, dass es derzeit fast nicht möglich sei, die aktuelle israelische Politik zu kritisieren, ohne den Vorwurf des Antisemitismus in Kauf zu nehmen.

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