Nachlese (1): Weidener Literaturtage

Weiden. „Man sollte eigentlich ...“ lautet der wahrscheinlich am meisten ausgesprochene Satzanfang, wenn es um unerledigte Dinge geht. Der letzte Tag der Weidener Literaturtage ließ diesen Satz wieder schmerzlich ins Gedächtnis rufen: „Man sollte eigentlich mal Kafka lesen!“

Bernd Setzwein bei den Weidener Literaturtagen
Bernhard Setzwein glänzte am letzten offiziellen Abend der Weidener Literaturtage mit Spezialwissen über Franz Kafka. Foto: Martin Stangl

Es ist eine geniale Idee, die der Schriftsteller Bernhard Setzwein hat: Er lässt Franz Kafka über sein offizielles Todesdatum am 3. Juni 1924 weiterleben. Die Weidener Literaturfreunde nehmen das nicht nur dankend zur Kenntnis, sondern strömen auch in Scharen in den ausverkauften Veranstaltungssaal der Regionalbibliothek.

Hundert Jahre Kafka Anlass für neuen Roman

„Ich hatte hervorragende Deutschlehrer, die bei mir schon in der Gymnasialzeit das Interesse an Kafka weckten“, bekannte Bernhard Setzwein. Nach seinem Abitur 1979 studierte er 1981 bis 1986 an der Ludwig-Maximilian-Universität in München Germanistik, Deutsch als Fremdsprache und Volkskunde. Begonnen hat Setzweins literarisches Schaffen Mitte der 1970er Jahre mit Texten in bayerischer Mundart, was ihn später auch zum Mitinhaber des Verlags Friedl-Brehm, eines unkonventionellen Kleinverlages, machte.

Eine Zäsur, sowohl in seinem privaten als auch in seinem schriftstellerischen Leben, bedeutete sein Umzug nach Waldmünchen. Ab 1990 verlagerte sich nämlich mehr und mehr der alte mitteleuropäische Kulturraum zwischen Donau und Moldau in den Mittelpunkt von Setzweins Arbeit. Was lag also näher, als für das Kafka-Jubiläumsjahr einen fiktionalen Roman über Franz Kafka zu verfassen und andererseits zu den Literaturtagen einzuladen!

Kafka als Kartenabreißer in Meran

Sabine Guhl, Leiterin der Regionalbibliothek und designierte Kulturamtsleiterin, begrüßte neben dem Autor auch Stefan Voit, der seinem Gesprächspartner Setzwein sehr interessante Dinge über Kafka entlockte. Doch zunächst führte der Autor in sein Werk mit dem Titel „Kafkas Reise durch die bucklige Welt“ ein:

Keineswegs ist Franz Kafka 1924 in einem Sanatorium in Wien gestorben, wie die Welt glaubt. Seinen Tod hat er nur vorgetäuscht. Jetzt in den Nachkriegsjahren führt er ein unaufgeregtes Leben in Meran, von niemandem erkannt. Die erfolglose Schriftstellerei hat er aufgegeben, stattdessen arbeitet er als Kartenabreißer in einem Kino. Eines Nachts führt ihn der Zufall mit Marek Hłasko zusammen, einem jungen Schriftsteller aus Polen. Das ungleiche Paar organisiert sich kurzerhand ein Fahrzeug und die beiden brechen auf zu einer Reise. Ihr surrealer Trip führt sie nach Graz, Wien und München.

Spannende Gespräche zweier Experten

Alleine die Hinführung zum Romanthema ergab für Stefan Voit einen bunten Strauß von Gesprächsthemen. So erzählte Bernhard Setzwein: „Ich war inspiriert von der Reiselust von Kafkas und habe mir für die Recherche dieses Buch natürlich die bucklige Welt von Graz, Wien und München selbstverständlich mit den Augen Kafkas angesehen. Freilich war ich auch in der legendären Pension Ottoburg in Meran. Kafka verbrachte lungenkranker Versicherungsbeamter aus Prag vier Jahre vor seinem Tod dort einen Kuraufenthalt.“

Beide Diskutanten teilten ihre Ver- und Bewunderung über die weltweite literarische Anerkennung: „Kafka schreibt lediglich – abgesehen von einigen Prosastücken – drei Romanfragmente und nach seinem Tod beginnt ein Hype, der die Literaturwelt bis heute bewegt!“, so Stefan Voit. Sein Gegenüber ergänzt: „Für Gabriel García Márquez hat Kafkas Werk eine unglaubliche Bedeutung. Er hat zweifellos die lateinamerikanische Literatur beeinflusst!“

Kafka-Archiv wartet auf Sichtung

Große Hoffnung auf neue Erkenntnisse setzen beide Gesprächspartner auf die Hebung des Archivschatzes, das die Nachwelt Kafkas Freund Max Brod zu verdanken hat. Dieser hatte entgegen dem Wunsch Kafkas die Handschriften nicht vernichtet. Auf Umwegen über Moskau und Ostberlin gelangten sie 1990 ins Bundesarchiv. Bis es aber soweit ist, dass man darüber sprechen kann, müssen sich die Leser mit den spärlich vorhandenen Romanfragmenten sowie Prosastücken und eben Bernhard Setzweins Roman vergnügen.

Service BücherECHO

  • Bernhard Setzwein, Kafkas Reise durch die bucklige Welt, gebunden, Lichtung Verlag, 25 Euro
  • Franz Kafka, Der Process, Reclam, 5,60 Euro
  • Franz Kafka, Das Schloß, Reclam, 8,60 Euro
  • Franz Kafka, Die Verwandlung, Taschenbuch, Reclam, 5,40 Euro

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