Ausbildungsmarkt: Die Schere klafft gefährlich weit auseinander

Weiden/Tirschenreuth. Schulabgänger in der nördlichen Oberpfalz können sich freuen, Unternehmen müssen sich Sorgen machen. Es gibt immer mehr Lehrstellen und immer weniger Bewerber.

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Der Kfz-Mechatroniker ist bei den männlichen Schulabgängern nach wie vor der Top-Lehrberuf. Foto: amh-online.de

Der Ausbildungsmarkt hat sich grundlegend verändert. Vor knapp zwei Jahrzehnten musste die Weidener Arbeitsagentur noch die Unternehmer fast schon händeringend bitten, Schulabgängern eine Berufschance zu geben. Das ist längst Schnee von vorgestern. Seit 2010 geht die Schere immer weiter auseinander. Die Zahl der Azubis sinkt, die der Lehrstellen steigt. Für das Ausbildungsjahr 2022/2023 registriert die Agentur neue Rekordmarken. Die aktuellen Zahlen wurden jetzt in der Weidener Europa-Berufsschule vorgestellt.

So wenige gemeldete Bewerber wie noch nie

So wurden der Agentur für Arbeit im Zeitraum von Oktober 2022 bis September 2023 fast 2600 Lehrstellen gemeldet, so viel wie noch nie seit 2006. Umgekehrt hatten sich nur 1147 junge Leute für eine duale Ausbildung interessiert. Weniger gab es in den zurückliegenden 17 Jahren nicht.

„Früher mussten sich die jungen Leute noch bei den Betrieben bewerben, heute müssen sich die Unternehmen bei den Schulabgängern vorstellen“, beschreibt der Vorsitzende der Geschäftsführung der Weidener Arbeitsagentur, Thomas Würdinger, die Situation. Besser könnte es für angehende Azubis in der Nordoberpfalz gar nicht sein. Auf 100 Schulabgänger kommen 107 Ausbildungsplatzangebote. Damit nehmen die Weidener im bundesweiten Vergleich die Spitzenstellung ein. „Jeder, der eine Lehrstelle haben will, bekommt eine“, erläutert der Agenturchef.

Kfz-Mechatroniker und Kauffrau für Büromanagement

Auf der Berufswunschliste ganz oben steht bei den männlichen Bewerbern der Kfz-Mechatroniker, gefolgt vom Fachinformatiker und dem Mechatroniker. Neu in der Hitliste sind der Zerspanungsmechaniker und der Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik. Überraschend nicht mehr unter den Top 10 ist der Schreiner. Ganz oben in der Ausbildungsgunst steht bei den weiblichen Kandidaten die Kauffrau für Büromanagement, gefolgt von der Industriekauffrau und der Verkauf. Mit der Mediengestalterin Bild und Ton und der Mediengestalterin Digital und Print (Beratung und Planung) tauchen zwei Neuzugänge in dem Ranking auf.

Deutliche Diskrepanz

Wirft man einen Blick auf die einzelnen Berufsfelder, so wird die Diskrepanz zwischen Lehrstellen und Bewerbern mehr als deutlich. Und das durch die Bank. Besonders ausgeprägt ist sie bei den Waren- und Dienstleistungsberufen, wie Kosmetikerin, Bestatter, Mitarbeiter in der Lagerlogistik oder im Verkauf. Exakt 587 Stellen waren der Arbeitsagentur gemeldet worden. Aber nur 141 junge Leute wollten dort einsteigen. Einzig im Bereich „Tiere und Pflanzen“, unter diesem Oberbegriff ist die Floristik, der Gartenbau, aber auch der Forst- und Tierwirt zu finden, gibt es mehr Interessenten als Ausbildungsplätze.

IHK meldet zweistellige Zuwachsraten

Ein Plus bei den bis zum 31. Oktober abgeschlossenen Ausbildungsverträgen kann die Teamleiterin der Ausbildungsberatung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Regensburg, Ute Schwarz, melden. Mit 4842 Kontrakten kratzt man an der 5000er-Marke. Das ist im Vergleich zum Jahr davor ein Plus von mehr als sieben Prozent. Nach den schwierigen Corona-Jahren, die auch den Ausbildungsmarkt negativ beeinflusst hatten, sieht Schwarz jetzt eine Trendwende, die in ihren Augen nachhaltig sein wird.

Leichtes Plus auch bei der Handwerkskammer

Auch Betriebsberater Peter Biersack kann für die Handwerkskammer Niederbayern/Oberpfalz einen leichten Zuwachs verkünden. In der Oberpfalz gab es zum Stichtag 31. August 2023 2274 Neuabschlüsse, ein Plus von 3,13 Prozent, während die Niederbayern schwächelten. Dort wurden 2436 und damit 1,85 Prozent weniger gemeldet. Aktuell sind im ostbayerischen Handwerk noch 736 Ausbildungsstellen unbesetzt.

Nordoberpfalz rutscht ins Minus

Die positiven IHK-Zahlen lassen Thomas Würdinger aber nicht so recht strahlen. Denn während etwa im niederbayerischen Landkreis Kelheim die Anzahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 18 Prozent und in der südlichen und mittleren Oberpfalz zum Teil um zwölf Prozent gestiegen sind, tut sich im hohen Norden des Regierungsbezirks so gut wie nichts. Im Gegenteil: Man verzeichnet sogar ein Minus von fast 3,8 Prozent. „Ich denke, das müssen wir uns noch genauer anschauen und den Ursachen auf den Grund gehen“, betont der Agenturchef.

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