Aktienmärkte im Blick: „Sell in May“ oder am Gaspedal bleiben?
Nordoberpfalz. Nach einem Quartal ohne einen wirklichen Rücksetzer haben die internationalen Blue Chip Aktienindizes Mitte April eine erste Delle zu verzeichnen. Für manche Pessimisten ist das der Auftakt zur Abwärtsfahrt. Wirklich?
„Es kann ja schließlich nicht ewig steigen“, unken die Pessimisten. Haben sie recht? Greift das alte Sprichwort „sell in may“ oder klettern die Aktien doch fröhlich weiter?
„Sell in may and go away“ …
… lautet ein bekannter Börsenspruch. Bekannt geworden, da viele massive Kursrückgänge in den Zeitraum zwischen Mai und November gefallen sind. So lagen einige der schlechtesten Aktienmonate in besagtem Zeitraum. Oktober 1987 mit dem „schwarzen Montag“, August 1998 mit der LTCM/Asienkrise, 9/11 mit den Anschlägen in den USA und natürlich die Lehman-Pleite 2008. Auch im letzten Jahr konnten Anleger die Korrektur im Herbst mit der altbekannten Börsenweisheit erfolgreich vermeiden.
Was gerne vergessen wird ist, dass auch in anderen Monaten die Kurse kräftig rutschen können, was man im März 2020, Dezember 2018 oder im April 2022 gesehen hat. Garantien gibt es an der Börse keine. Auch diesmal nicht. Andererseits haben nach zwei Quartalen mit jeweils mehr als zehn Prozent Zuwachs die Aktienmärkte historistisch auf Jahressicht eigentlich immer zugelegt. Was wiederum für gute Aussichten im Aktienbereich sorgt.
Geopolitik – Störfeuer aus Nahost?
Dennoch hat man zwischen Israel und Iran gesehen, wie schnell sich die Situation zuspitzen kann. Ein Streit, der sich zwar kurzfristig wieder etwas entspannt hat, aber eben keinesfalls geklärt ist. Die falsche Aktion kann schnell zu einem Flächenbrand führen. Auch Börsenprofi Robert Beer hat in seinem jüngsten Kommentar hierauf hingewiesen: „Politische Börsen haben kurze Beine“ lautet das entsprechende Börsenzitat andererseits.
Die Aktienmärkte haben nach einem kurzen „Schüttler“ die Nervosität wieder abgelegt und sich rasch stabilisiert. Man hat sich schließlich daran gewöhnt: Unruhe im Nahen Osten, Krieg in der Ukraine, politische Querelen in Deutschland und in vielen Ländern dieser Welt. Für die Börsenprofis also kein Grund, unruhig zu werden und stattdessen auf die wichtigen Punkte zu achten.
Blick aufs Wesentliche
Und diese sind am Aktienmarkt nun mal Zinsen und Gewinne. Die Zinsen sind hierbei insbesondere von Inflation und Notenbanken beeinflusst. Und erstgenannte hat sich in den USA zuletzt wieder erhöht und die Notenbanken zum „Zurückrudern“ veranlasst. Waren zu Jahresbeginn noch 1,5 Prozent Zinssenkungen erwartet worden, sind es aktuell nur noch 0,5 Prozent. Vor November erwartet in den Staaten niemand mehr fallende Zinsen.
Andererseits muss man sich fairerweise auch die Frage stellen, ob dies bei einem Wirtschaftswachstum von knapp drei Prozent und nahezu Vollbeschäftigung am Arbeitsmarkt in den USA überhaupt sinnvoll ist. Jamie Dimon, Chef der wertvollsten Bank der Welt, hat zuletzt sogar Zinsen von acht Prozent in den Raum gestellt. Aktuell liegen die Leitzinsen bei 5,5 Prozent.
Unternehmen verdienen weiter gut
Positive Wirtschaftsdaten bedeuten im Umkehrschluss auch gute Geschäfte bei vielen Unternehmen. So haben Microsoft, die Google-Mutter Alphabet und viele andere sehr gute Quartalszahlen veröffentlicht und verdienen exzellent. Beide Unternehmen haben den Umsatz in den ersten drei Monaten 2024 um mehr als 15 Prozent gesteigert und den Gewinn teilweise noch stärker. Im Summe verdienen die Unternehmen, was den Aktionären zugutekommt.
Zuletzt waren neben den von der „Künstlichen Intelligenz“ getriebenen Werten auch Finanzinstitute die Gewinner. Selbst die Deutsche Bank konnte in den letzten Monaten zweistellig zulegen und hat sich von den Tiefstwerten deutlich erholt. Auf der Verliererseite waren in den letzten zwölf Monaten neben „Corona-Profiteuren“ wie der deutschen Sartorius und Pharma-/Biotechwerten aus den USA auch Bayer, die weiter mit den hausgemachten Problemen kämpfen. Dass sinkende Autopreise auch weniger Gewinn bedeuten, mussten Tesla-Aktionäre erfahren. Ein Problem, was deutsche Branchengrößen wie Mercedes und BMW zuletzt eher nicht hatten.
Streuung empfehlenswert
Für Finanzberater Wolfgang Meier aus Amberg zeigt das Beispiel Tesla, dass man breit diversifizieren sollte. Zwar verdienen die Magnificient 7 sehr gut und seien aus dem aktuellen Leben nicht wegzudenken. Die Gewinnsteigerungen könnten sich aber auch schnell verlangsamen. Und mit Regulatorik und/oder einer veränderten politischen Lage kann sich der Wind sowieso schnell drehen. „Erst die Dosis macht das Gift“, meint Meier hierzu.
Breitere Ausrichtung
Angst vor einem größeren Rückgang hat er indes nicht, empfiehlt seinen Kunden aber eben eine breitere Ausrichtung. „Es gibt auch viele sehr gute Aktien abseits des US-Technologie- und KI-Booms.“ Unter anderem Value Aktien, deren innerer Wert deutlich über den aktuellen Börsenkursen liegen sollte, sind für ihn ein guter Baustein.
Erste Zinssenkungen in Europa
Nach der aktuell stattfindenden Dividendensaison ist auch vor der ersten Zinssenkungen der europäischen Notenbank. So hat die EZB eine Reduktion des Leitzinses für Juni in Aussicht gestellt. Dies kann dem Aktienmarkt durchaus zusätzlichen Rückenwind geben. Zumal einige Indikatoren und das Verbrauchervertrauen im Euroraum zuletzt für einen leichten Optimismus gesorgt haben.
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