Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: Ja, ich bin einfach nett

Nordoberpfalz. Nett? Kleine Kätzchen sind nett und ich bin nett – was dabei herauskommt, sieht man ja auf dem Bild. Leider hat das Thema alles in unserer Gesellschaft nur noch einen gelinde gesagt untergeordneten Stellenwert. Eine Glosse zum heutigen Welttag der Nettigkeit.

Auch kleine Katzen sind nett. Foto/Montage: OberpfalzECHO/Andrea Schreiber

Werfen wir zu Beginn der Rieger’schen Grantelei einen Blick in den Duden. Der nennt als Synonyme zum Begriff Nettigkeit “Freundlichkeit”, “Gefälligkeit”, “Herzlichkeit, Warmherzigkeit”. Wann hat man sowas in der Bundesrepublik Deutschland ein letztes Mal großflächig gesehen? In so einer Betrachtung darf natürlich der Klassiker nicht fehlen: “Nett ist die kleine Schwester von Sch….!” Also wenn ich mal eine Partnerin habe, möchte ich eigentlich schon, dass die nett ist. Und dann ist mir auch egal, wie ihre große Schwester heißt.

Meistens wird dieser Satz noch im verächtlichen Ton vorgetragen, der suggerieren soll, was man doch für eine elende Weichflöte ist. Aber nicht zu schnell aufgegeben, denn in der Regel lohnt sich ein genauerer Blick auf den Verachtenden (perfekt gegendert!). Schnell erkennt man dann, welch ein vom Unbill des Daseins gedrückter Mensch einem hier gegenübersteht – ein Mensch mit einem Stock im Gesäß und einem Gartenzwerg in Herz & Hirn, der augenblicklich keinerlei Grund hat, nett zu sein, weil die Nachbarkatze immer in den so liebevoll angelegten Steingarten kotet.

Weltnettigkeitstag

Am 13. November wird weltweit der Weltnettigkeitstag gefeiert, er wurde 1998 von der World Kindness Movement (WKM) ins Leben gerufen und hat seither in vielen Ländern an Bedeutung gewonnen.

Die Ziele des Weltnettigkeitstags sind klar definiert: die Förderung von Freundlichkeit und Mitgefühl in der Gesellschaft sowie das Bewusstsein für die positiven Auswirkungen dieser Tugenden zu schärfen. Der Sinn dieses Tages liegt darin, eine bessere Welt zu schaffen, indem wir uns bewusst bemühen, freundlicher zu sein. Kleine Gesten der Freundlichkeit, wie ein Lächeln oder ein aufmunterndes Wort, können den Tag eines Menschen verbessern und sogar Leben retten.

Kinder sind doch echt nett

Kinder sind nett und so sollte man sie auch behandeln. Das ist selbstverständlich nur ein weiterer pathetischer Schmarrn, den ich mir das aus der Feder leiere, denn natürlich zählt nur eines: Leistung. Deshalb gilt es, sie schnellstmöglich in den Leistungskreislauf einzuspeisen, denn irgendwo sitzen schon in einer Kita die Nachfolger Merz’ und Maschmeyers, von den Eltern befeuert in ihrer Hochtalentiertheit, in der Sandkiste und drangsalieren jetzt schon andere, die vielleicht das Potenzial zum Schriftsteller hätten, die Fantasie zur großen Kunst oder einfach nur nett sind. Opfer halt.

Bildung an sich wäre schon nett – aber leider ist das Thema nicht bierzeltaffin und damit war es für die Landtagswahlen nicht zu gebrauchen. Darum sollen sich dann gefälligst die Erzieherinnen und Lehrer kümmern, die arbeiten sowieso nur halbtags und außerdem haben sie ja jede Menge Ferien (Der Klassiker: “So schön möchte ichs auch mal haben” – dann machs doch, wennst so g’scheid bist!). Und wenn die Noten nicht passen, kümmert sich im Zweifel der Anwalt drum – ergo muss man sich da ja nicht selbst kümmern. Also nett ist diese Einstellung nicht.

Der “g’scherte Rammel”

Früher nannte man jemanden, der weder Nettigkeit noch Anstand kannte, einen “g’scherden Rammel”. Heut sind das natürliche Persönlichkeiten und echte (sic!) Leistungsträger der Gesellschaft, daraus resultiert meine persönliche, zugegebenermaßen nicht neidfreie Feststellung: Solche Leute fallen leider immer auf die Füße.

Die Nettigkeit hat dann in der Regel noch einen weiteren Abgehängten im Schlepptau, den sogenannten “Anstand”, auch so ein Old-School-Geselle. Ich vertrete inzwischen die Meinung, dass unsere Gesellschaft das letzte bisschen Restanstand verloren hat. In Bus & Bahn, im Supermarkt oder einfach nur so – Anstand ist schlicht und einfach nicht mehr zeitgemäß. Neid, Gier und Missgunst haben ihm längst den Rang abgelaufen.

Wenn jeder an sich denkt, ist schließlich auch an jeden gedacht. Außerdem hat doch heute keiner Zeit, einer alten Dame die Türe aufzuhalten, wir sind mit grenzdebilem Handyglotzen und der Planung der nächsten Flugreise (“auf jeden Fall weiter als mein Nachbar”) voll ausgelastet. Schade eigentlich.

Netter Humor – bitte etwas mehr Dr. Müller-Lüdenscheid

Wir sind ein Volk der Experten, wir haben Marie-Agnes Strack-Zimmermann für alles rund um Krieg, Matthäus & Hamann zu den Themen rund ums erfolgreiche Coaching auf Weltklasseniveau und den Lanz für alles. Aber haben wir irgendwo eigentlich einen Experten für Nettigkeit? Loriot vielleicht. Der war echt nett und sein Humor brillant, aber auch für heute wieder viel zu nett.

Analyse der Gesamtsituation: Etz werds hint’ höher wia vorn’!

Noch Fragen, warum sich der Weltnettigkeitstag in unseren Breiten niemals durchsetzen wird? Alle Verfechter der These “Nett ist die Kleine…” & Co. müssen sich deshalb noch etwas gedulden, genauer bis zum 21. Juni, dann haben sie den großen Auftritt – beim Internationalen Tag der Gartenzwerge.

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