Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: Zum sorgsamen Umgang mit der bayerischen Sprache

Nordoberpfalz. Das sollte eigentlich eine Liebeserklärung an die bayerische Sprache werden. Jetzt ist es eine Moritat auf deren Niedergang, denn ich befürchte, dass dieses wundervolle Instrument der Alltagskommunikation bald im linguistischen Kuriositätenkabinett landen wird.

Foto: Oberpfalzecho / Ann-Marie Zell

Die bayerische Sprache hat für jede Emotion und Lebenssituation eine passende Lösung und das Schöne dabei – die meisten verstehen es nicht mehr und können so auch nicht einordnen, ob und wie sie gerade beleidigt wurden. Nicht nur deshalb sollte unser Dialekt nach wie vor in den Alltag miteinfließen, sonst sind die wunderbaren Ausdrücke irgendwann weg. Schon jetzt hinkt die bayerische Sprache daher wie die sprichwörtliche Hanghehna. Und die Zukunft sieht leider düster aus.

Sie hat ein Wimmerl unter der Nas’n, nicht zu verwechseln mit einem Wammerl, das wohl jeder gerne unter der Nas’n hätte.Wortspiel nach Karl Valentin

Es gibt in unserem Dialekt eine wunderbare Formulierung, die gerade uns Männern immer wieder aus der Patsche geholfen hat – von nicht zu leugnenden Stehbieslerbeweisen bis zu den zusammengefallenen Dampfnudeln, weil man unbedingt ins Rohr schauen musste, ob sie schon fertig sind. Und dieser wunderbare Allrounder der Argumentation ist “Ja mei”. Allerdings habe ich das Gefühl, dass wir diesem Ausdruck bayerischer Gelassenheit inzwischen zu oft anwenden. Lehrermangel, soziale Kälte, Pizzaleberkäs’? Ja, mei… Immerhin wenden wir mitunter unseren Dialekt noch an. Aber wie lange noch?

Ist das auch “kulturelle Aneignung”?

Leider hat das Ganze einen ernsten Hintergrund – denn die bayerische Sprache ist am Ab- und wahrscheinlich auch am Aussterben. Ich befürchte tatsächlich, dass sie langfristig im Museum verstauben wird. Der Standort dieses Museums wäre dann natürlich München. Schließlich wird hier einmal im Jahr bayerisches Brauchtum pur zelebriert. Apropos Wiesn, da fällt mir auch ein Kracher der Blaskapelle Josef Menzl ein: “Jessas, ham mir an Durscht”. Wie wir wissen, war ja das designbedirndelte und sepplbehoste Publikum ob solcher Weisen im Bräurosl-Zelt extrem disamused. Besser kann man den Niedergang kaum beschreiben. Dann doch lieber bitte am Boden festkleben und mit Tomatensuppe auf Kunstwerke werfen.

Ja was gibts denn heit auf d’ Nacht?

Wer jetzt den schmissigen Ohrwurm rund ums Rehragout im Ohr hat, bei dem ist Hopfen und Malz noch nicht ganz verloren, scheinbar tickt da der eine oder andere DNA-Strang noch weiß-blau. Die vegetarische Variante wäre hierbei eine Mehlspeiß’ zum Umhänga. Aber trotzdem wird sich auch der Blick in die Küche grundlegend ändern – Ade Zoigl, Gansjung und Goassbratl, habedere Smoothy, Wrap und Pumpkin Spice Latte.

Granteln als Wesenskern der Sprache

Dabei hat unser schönes Bayernland doch so viele schöne Ausdrücke – gerade beim uns so ureigenen Granteln. Die Inhaberin einer der größten Zeitarbeitsfirmen gilt ja bei uns in Bayern auch als hofierenswerte Mäzenin, dabei ist ihr Gewerbe ähnlich zu bewerten wie der von ihr gesponserte fränkische Zweitligaclub. Ist es da eigentlich strafrechtlich relevant, wenn ich beispielsweise den Inhaber eines Personalleasingdienstleisters als hundsheiternen Haberfeldtreiber bezeichne? Oder ist es nur eine originelle satirische Überspitzung mit regionaler Knuffigkeit? Hoffentlich nicht, denn ich habe es schon so gemeint.

“Chill mal, Digger” feat “Hock di nieder und schneid da an Kantn Brot aba”

Wie schon der große Gerhard Polt sagte: “Er ist ein nettes Kind, aber er tschüsselt”. “Servus”, “Grüß Gott” und “habedere” haben sich schon längst aus dem allgemeinen Sprachbild verabschiedet und wurden wie so viele längst ersetzt. Verabschieden wir uns von unserem Dialekt, wie er es verdient hat. Aber vielleicht findet sich zumindest ein Kompromiss, die Option einer Koexistenz:

In diese Woche wurde ich etwas unsanft auf dem Gehweg von einem E-Rollerfahrer überholt – der wider eigener Einschätzung gar keine Easy-Rider-Lässigkeit ausstrahlt (man beachte hier bitte die diplomatische Formulierung!). Ich dachte mit in der besten Kombi der Sprachwelten: “Ey Alter, zaich dei Bumpl aufe, net dass dir in dein dürren Hehnaorsch neipfeift”. Ich hätte es auch sagen können, er hätte mich sowieso nicht verstanden. Außerdem habe ich mich nicht getraut. Das bezeichnet man im Bayerischen dann wohl als typischer Loamsiader.

Ein valentineskes Panoptikum

So wird es dann wohl in 20 Jahren sein – Leute wie ich werden in einem Museum ausgestellt oder in einem Reservat von den Touristenmassen und echten Münchnern zu bewundern sein. Rolle ab, Klappe die Erste, das Kopfkino läuft:

Da sitze ich nun an einem Tisch – grob zusammengezimmerte unbehandelte Eiche – zusammen mit drei weiteren Originalitätsdarstellern und spiele Karten. Der Brunzkartler liegt leider mit einem Gichtanfall darnieder, da es in der Kantine nur tagein, tagaus Schweinshaxen zu essen gibt.

Immer zur halben Stunde müssen wir uns streiten und uns dann zum Gaudium der Gäste in einem ritualisierten Akt des Schuhplattelns gegenseitig fotzen. In diesem Zeitfenster von fünf Minuten hat dann die Bedienung Zeit, die Maßkrüge neu zu füllen – mit Radeberger. Ohne Sponsoring wäre der teure Museumsbetrieb auch nicht aufrechtzuerhalten.

Da es sich hier um einen 24/7-Betrieb handelt, ist die Nachtschicht besonders anstrengend, da weder die Nutzung einer Treppe geschweige denn eines Lifts erlaubt ist. Jeglicher Höhenunterschied ist mittels einer Leiter und durch ein Kammerfensterl zu bewerkstelligen.

So oder so ähnlich wird es wohl kommen. Schade eigentlich. Vergelts Gott für Lesen.

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