BücherECHO: Herrlich schräg oder doch bloß Käse?

Nordoberpfalz. Die trauen sich was, die Leipziger, beziehungsweise die Jury zur Vergabe des Preises zur Buchmesse. Minihorror von Barbi Marković spaltet die Fachwelt und lässt den potenziellen Konsumenten nur eine Möglichkeit: selbst lesen.

Foto: OberpfalzECHO/Christina Kahl

„Minihorror“ – was bitte ist denn das? Ein verbaler Comic, eine brillante Satire, ein süßes Büchlein, Livestyle-Trash oder einfach mal etwas ganz was anderes? Vielleicht ein Experiment, ein Buch, das neue Wege geht.

Zuallererst bitte einfach die spitzen Fingerlein stecken lassen und sich einfach mal auf sowas einlassen. Damit schändet man keine Klassiker und verkauft sich auch nicht für 30 Silberlinge an den Zeitgeist und schließlich hat unser Herrgott den Kopf auch rund gemacht, dass die Gedanken mitunter auch mal die Richtung ändern können.

Begründung der Jury

Rasant, seriell und pop-affin – so ist Barbi Markovićs neues Buch, das man wie im Rausch ohne Unterbrechung an einem Stück lesen will. Denn der Genuss ihrer witzigen und scheinbar so einfachen Sätze, die die absurde Fallhöhe zwischen Alltag und existenzieller Weltlage ausmessen, soll bitte nicht enden.

Barbi Markovic erzählt hinreißend komisch und bitterernst von unserer Gegenwart: hinten die Kriegsverbrechen, vorne der Klimawandel, dazwischen die Banalität unseres tagtäglichen Lebens. In „Minihorror“ enttarnt Barbi Marković das Unheimliche jeder noch so harmlosen Situation, den Horror im Alltag, den Grusel vor der eigenen Familie. Dabei wird der Mensch im Spätkapitalismus notgedrungen zur Witzfigur. (Quelle: Homepage Preis der Leipziger Buchmesse)

Der NDR äußert sich dazu wie folgt: (…) Bezeichnet ist damit aber auch die Kurzprosaform, aus der Marković mit Anleihen bei cartoonhaften Erzähltechniken auch sprachlich tolle Effekte schlägt.(…) So kann man wirklich nur in Deutschland ein Buch bewerten. Gut, dass das Ganze in Wien spielt und da gilt: „Hupf in Gatsch und schlag a Well’n“, in etwa zu übersetzen mit „rutsch mir doch den Buckel runter“. Auch das hat das Buch bewirkt – man möchte sich in seiner Bewertung nicht einfach auf das Feuilleton verlassen und dann abschreiben beziehungsweise die Meinung adaptieren. Ein weiterer Punkt für „Minihorror“.

Minihorror

Barbi Marković erzählt die Geschichten von Mini und Miki und ihren Abenteuern im städtischen Alltag. Mini und Miki sind nicht von hier, aber sie bemühen sich, dazuzugehören und alles richtig zu machen. Trotzdem – oder gerade deswegen – werden sie verfolgt von Gefahren und Monstern, von Katastrophen und Schwierigkeiten.(Quelle: Residenz Verlag)

Alle Infos zum Buch gibt es hier.

Und noch eine Auszeichnung …

Wie spannend die Autorin ist, zeigt eine weitere Auszeichnung, die ihr jetzt, quasi im Schatten des Leipziger Preises, verliehen wurde. Sie ist nun auch die frisch gebackene Trägerin des Carl-Amery-Literaturpreises 2024. Die Auszeichnung zur Erinnerung an Carl Amery und sein Lebenswerk wird alle zwei Jahre verliehen und ist mit 6000 Euro dotiert. Gewürdigt werden zeitkritische deutschsprachige Autoren, die „neue ästhetische Wege gehen und damit das Spektrum literarischer Möglichkeiten zu erweitern suchen.“ Auf jeden Fall ein starkes Indiz für Qualität.

Fazit

Und zum Abschluss die Antwort auf die Frage in der Headline. Bitte nicht hinter jedem Wort, hinter jeder Formulierung, hinter jeder Buchseite das versteckte Monster suchen, sondern schlicht und einfach selbst lesen, eine Meinung bilden und darüber diskutieren. So schön kann Literatur sein.

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1 Kommentare

da Maddin - 20.04.2024

Die schrägen Dinger machen den Buchmarkt interessant. Danke für die Besprechung!