Das Urteil im Weidener Messerstecher-Prozess ist gefallen

Weiden. Eigentlich war ein dritter Verhandlungstag im Weidener Messerstecher-Prozess fest eingeplant. Am Schluss ging aber alles sehr schnell: Schon am frühen Nachmittag des zweiten Prozesstages fiel das Urteil.

Staatsanwalt Wolfgang Voit fordert Haftstrafe für Messerstecher Foto: Martin Stangl
Staatsanwalt Wolfgang Voit forderte eine Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten für den Messerstecher. Foto: Martin Stangl

Am zweiten Prozesstag gegen den zunächst wegen versuchten Totschlags angeklagten 23-jährigen Weidener standen Zeugenvernehmungen und Gutachten auf dem Programm. Verhandelt wurde vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichtes Weiden unter Vorsitz von Richter Peter Werner und den beisitzenden Richtern Florian Bauer und Matthias Bauer sowie zwei Schöffen.

Tatnacht 15. Januar 2023

Was war passiert? In den frühen Morgenstunden gerieten sich zwei Kontrahenten zunächst verbal in die Haare. Im Verlauf der Auseinandersetzung zog einer der beiden Kampfhähne ein Messer und verletzte seinen Gegner lebensgefährlich. Seit dieser Zeit sitzt der mutmaßliche Täter in Untersuchungshaft. Am ersten Prozesstag standen hauptsächlich die Anklage von Staatsanwalt Wolfgang Voit sowie Erklärungen vom Anwalt des Nebenklägers Dr. Hans-Wolfgang Schnupfhagn und Rechtsanwalt Thomas Lößel (Altdorf) im Mittelpunkt. Beim zweiten Tag der Verhandlung standen Vernehmungen und die Verlesung mehrerer Gutachter im Mittelpunkt.

Kräftig “vorgeglüht”

Ein Freund des Angeklagten berichtete bei seiner Vernehmung, dass beide vor dem Besuch der Diskothek in der Weidener Judengasse kräftig “vorgeglüht” hätten. Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Peter Werner, nach den konsumierten Alkoholika gab der Zeuge eine schier unglaubliche Menge von alkoholischen Getränken an. Die Rede war von mehreren Halben Bier, einer Flasche Whisky verdünnt mit etwas Cola und diversen Tequilia-Shots. Dieser Alkoholkonsum setzte dem Freund verständlicherweise derart zu, dass er, bevor der Abend überhaupt begann, die Segel streichen musste und das heimische Bett hütete. Dies hinderte den Angeklagten nicht, sich mit dem Taxi in die Disco “Hashtag” in Bewegung zu setzen, wo das Unheil seinen Lauf nahm.

Polizeieinsatz in den frühen Morgenstunden

Die in den Zeugenstand gerufenen Polizisten berichteten übereinstimmend davon, dass der mutmaßliche Täter schnell ermittelt war. Dieser verzog sich zunächst im allgemeinen Gewirr und entledigte sich des Tatwerkzeuges, ein Klappmesser mit über neun Zentimeter Länge in einem Gebüsch. Das Messer wurde schnell gefunden. Die Vernehmung einer Spezialistin des Landeskriminalamtes ergab, dass die anhaftenden Spuren sowohl den Verletzungen des Opfers, als auch die DNA-Spuren am Griff dem Angeklagten zuzuordnen waren.
Ein weiterer Polizist bestätigte die augenscheinlich lebensgefährliche Verletzung des Opfers: “Der Boden des Rettungswagens war massiv mit Blut bedeckt!”

Hinsichtlich des Alkoholisierungsgrades waren sich die am Einsatz beteiligten Beamten auch einig: Sicherlich angetrunken, jedoch ruhig und kooperativ. Dies bestätigte auch der in den Zeugenstand gerufene Vernehmungsrichter, der am frühen Morgen nach der Tat die erste Befragung durchführte.

Gutachter: Lebensgefährliche Stichverletzung

Gutachter Professor Dr. Peter Betz vom Institut für Rechtsmedizin in Erlangen gab Auskunft über die Schwere der Verletzung des Angriffsopfers: “Es bestand eindeutig Lebensgefahr. Ohne den beherzten Einsatz der Rettungskräfte wäre das Opfer sicherlich verblutet. Im Krankenhaus musste die in Mitleidenschaft gezogene Milz entfernt werden. Das Opfer wird lebenslang mit den Folgen kämpfen müssen!”

Eingeschränkte Affektkontrolle durch Alkoholisierung

Breiten Raum nahm das Gutachten von Landgerichtsarzt Dr. Bruno Rieder ein. Er bescheinigte dem Angeklagten eine Ausnahmesituation durch Alkoholisierung und damit die Einschränkung der Affektkontrolle. Er schloss eine verminderte Schuldfähigkeit nach Paragraf 21 StGB nicht aus: “Dem Angeklagten sind einfach die Sicherungen durchgebrannt.” Erstaunlich war bei der Aussage des Mediziners, dass er den vor Gericht vorgetragenen massiven Alkoholkonsum nicht folgen könne: “Entweder stirbt man bei diesen Mengen oder ist auf dem besten Weg dazu.”

Alkoholproblem des Angeklagten

Klar ist dem Landgerichtsarzt, dass der Angeklagte ein Alkoholproblem hat. Nach eigenen Angaben “frühstückte” dieser bis zur Untersuchungshaft schon morgens um 7.30 Uhr sein erstes Bier, “um besser drauf zu sein.” Im vergangenen Jahr “sammelte” er auf diese Art und Weise 60 Tage ‘Arbeitsunfähigkeit’. Insgesamt konnte bei den Untersuchungen aber weder ein erhöhtes Gewaltpotential noch unsoziales Verhalten festgestellt werden. Im Gegenteil: Der mutmaßliche Täter lebt fest eingeordnet im Familienverband.

Plädoyers gehen von unterschiedlichen Voraussetzungen aus

Aufgrund der Ergebnisse der sehr ausführlichen Zeugenbefragungen wollte Staatsanwalt Wolfgang Voit in seinem Plädoyer den Vorwurf des versuchten Totschlages nicht aufrechterhalten. Deshalb forderte er eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung.

Nebenklagevertreter Dr. Schnupfhagn schloss sich für seinen Mandanten dieser Forderung an. Darüber hinaus hielt er die im Rahmen des Opfer-Täterausgleichs bereits geleistete Zahlung von 10.000 Euro für nicht angemessen. Er kündigte eine genauere Schadensberechnung beziehungsweise Regress wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes an.

Strafverteidiger Thomas Lößel hielt eine Strafzumessung mit zwei Jahren und neun Monaten für ausreichend. Er sah vor allem die vorausgegangenen Provokationen des späteren Opfers als Ursprung des unheilvollen Konflikts. Er plädierte auf Körperverletzung in einem minderschweren Fall.

Urteil am frühen Nachmittag

Das Schwurgericht tagte scheinbar ohne Mittagspause, denn bereits am frühen Nachmittag stand das Urteil fest: Der Messerstecher wurde zu drei Jahren Haftstrafe verurteilt. Der Vorwurf des versuchten Totschlages wurde fallen gelassen. Zur Begründung des Strafmaßes wurde vor allem die Intensität der Tathandlung, bei der sogar ein Rippenbruch verursacht wurde, angeführt. Als entlastend für den Angeklagten wurde verminderte Schuldfähigkeit durch Alkohol und ein glaubhafter Opfer-Täterausgleich gewertet. Laut Vorsitzendem Richter Peter Werner ist eine Revision möglich.

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