Horrorcrash mit Schleuserauto: Fahrer (20) muss für Jahre hinter Gitter

Weiden/Leuchtenberg. „Ich will heim zu meiner Mutter“, sagt der Angeklagte im letzten Wort. Daraus wird auf Jahre nichts. Das Landgericht Weiden hat einen Schleuser (20) aus Georgien zu sechs Haft verurteilt.

Der Angeklagte Kerim K. mit Übersetzerin und seinen Anwälten. Foto: Christine Ascherl

Der aserbeidschanisch stämmige Georgier war an einem Sonntagmorgen im Sommer 2023 auf der A6 bei Leuchtenberg verunglückt. Er flüchtete vor einer Zollstreife. Fünf türkische Frauen und Kinder erlitten teils lebensgefährliche Verletzungen. Die Geschleusten waren in Ungarn zugestiegen, das Auto war Teil eines Konvois.

Die 1. Strafkammer verurteilt den Fahrer wegen lebensgefährdendem Einschleusen, fahrlässiger Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung. „Wer die Fotos sieht, wundert sich, dass alle Insassen lebendig aus dem Auto herausgekommen sind“, sagt Richter Peter Werner, Vorsitzender der 1. Strafkammer. Ein versuchtes Tötungsdelikt, wie angeklagt, sah das Gericht nicht. Die sechs Jahre entsprachen aber der Forderung von Staatsanwalt Wolfgang Voit.

Allerdings verhängte das Gericht keine Jugendstrafe, wie selbst vom Staatsanwalt angeregt. Das Gericht wandte Erwachsenenstrafrecht an. Begründung: Der Georgier habe in Polen schon selbstständig gelebt. Er kümmere sich um seine Mutter, der er Geld schickte. „Ein durchaus erwachsenes Verhalten“, so Richter Werner. Eine Jugendstrafe hätte der Angeklagte in einer Jugendstrafanstalt verbüßen können, in der der erzieherische Gedanke überwiegt. Jetzt muss er in die JVA Bayreuth, sollte das Urteil so rechtskräftig werden.

Banden-Bosse kalkulierten Unfälle und Tote ein

Staatsanwalt Wolfgang Voit hatte auf gewerbs- und bandenmäßiges Schleusen plus fünffachen Mordversuch plädiert. Die Beweise hätten gezeigt, dass der Angeklagte in eine Bandenstruktur eingebunden war. Er stand während der Fahrt in Dauerkontakt mit den Komplizen. Vier davon waren nach dem Unfall in seine Abholung in Lückenrieth eingebunden.

Dass die Fahrt lebensgefährdend war, war dem Fahrer klar: Kurz zuvor war ein weiteres Auto des Schleuser-Konvois bei Pilsen verunglückt. Es gab einen toten Migranten. Der Unfall war Thema im Auto. Der Fahrer hat die Anweisung, im Fall einer Kontrolle keinesfalls zu halten. Die Türkin bat den Georgier, ihre Kinder nicht zu gefährden. Keine Stunde später floh der 20-Jährige mit Vollgas vor dem Zoll. Bei der Ausfahrt Leuchtenberg schoss das Auto 32 Meter in den Wald.

Die Insassen erlitten massivste Verletzungen. Ein Kind verlor Organe. „Und das alles nur, weil sich der Angeklagte nicht der Polizei stellen wollte“, so Staatsanwalt Voit. Nach dem Unfall lief der Georgier zu Fuß davon. Um die Verletzten kümmerte er sich nicht. Voit erinnert an das Schreckensszenario, das die Einsatzkräfte geschildert hatten: „Die lagen nicht still rum. Die haben geschrien.“ Ein Ersthelfer des Roten Kreuzes erlitt nach dem Unfall einen Zusammenbruch.

Verteidiger: „Er war völlig unbeholfen und überfordert“

„Er ist ein halbes Kind“, betont Anwältin Narine Schulz. Die Bande habe den Georgier nicht deshalb mit großem Aufwand zurückgeholt, weil er ihr festes Mitglied war. Sondern, weil er so unerfahren war. „Er ist ein guter Junge. Er ist nur den falschen Weg gegangen.“

Verteidiger Serkan Gürses erinnert an die WhatsApps, mit denen die Drahtzieher den Georgier während der Tour bombardiert hatten. „Allein war er völlig unbeholfen und überfordert.“ Sein Verhalten sei beinahe kindisch gewesen. „Wenn er aufs Klo musste, hat er schon fast eine SMS geschickt.“ Seine Hilfslosigkeit zeige sich auch in der JVA. So habe er es nicht geschafft, an Sportsachen zu kommen, obwohl er so gern Sport treiben würde.

Der junge Mann habe sich von 1000 Euro locken lassen, die in seinem Heimatland ein Vermögen bedeuten. Daheim in Georgien wartet die kranke Mutter. „Sitzt hier ein Mörder?“, fragt Anwalt Gürses. Er plädiert auf zwei Jahre Haft. Im letzten Wort entschuldigt sich der Halbwaise noch einmal bei allen Verletzten und hofft auf Milde, letztlich vergebens: „Ich will zurück zu meiner Mutter. Sie braucht mich.“

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