Es gibt nur ein‘ Rudi Völler: Hansi Flick und der Absturz der Graugänse

Weiden/Falkenberg. Heute Vormittag: eine spannende Diskussion mit Falkenbergs Bürgermeister Matthias Grundler. Fazit: Die Menschen sind frustriert, weil wir in Bürokratie erstarren. Heute Abend: Eine von Fußballokratie entfesselte Nationalmannschaft kann noch siegen.

Absturz der deutschen Graugänse: Hansi Flick beäugt das Desaster, Rudi Käthe Völler zwinkert schelmisch. Montage: jrh

Die Parallele liegt auf der Hand: Kann das Land der Denker und Ingenieure alles verlernt haben, was Deutschland nach dem Nazi-Wahnsinn zu Wohlstand geführt hat? Ob Bahnhof, Flughafen, Maut oder Gesetze: Überall ist der Wurm drin. „Es ist mein Anspruch, auch meine Parteifreunde zu nerven, dass wir nicht alle Entscheidungen an die Verwaltung und Bürokratie abtreten“, sagt Falkenbergs Bürgermeister Matthias Grundler (CSU).

Denn der Frust, der sich in einer abartigen Lust an Empörungsspiralen im Netz Bahn bricht, hat neben vielen Faktoren eine zentrale Ursache: das Gefühl, dass nichts mehr so richtig funktioniert. Und das nicht nur, weil Politiker Murks gebaut hätten: Zum Stillstand im Land tragen wir alle bei. Mit unserem Anspruchsdenken an Datenschutz, Verbraucherschutz und Umweltschutz immer dann, wenn ein Projekt vor der eigenen Haustüre entstehen soll – dann muss die ansonsten wenig beachtete Mopsfledermaus als Einspruchs-Feigenblatt herhalten.

Nachdenklicher Matthias Grundler, Bürgermeister von Falkenberg. Foto: Jürgen Herda

Unfreiwillige WM-Satire auf Amazon Prime

Was die Mopsfledermaus für das Baugebiet ist, ist im Fußball die Hand vorm Mund auf dem Mannschaftsfoto: Hansi Flick, Erfolgsassistent von 2014 und Sextuple-Gewinner mit Bayern, hat es nicht mehr geschafft, satte Wohlstandsjungs aus ihrer Komfortzone zu locken. Von Niederlage zu Niederlage wirkte er verunsicherter, ratloser. In Katar greift er ganz tief in die Mottenkiste drittklassiger Unternehmensberater. Zu bestaunen in der Amazon-Prime-Doku „All or nothing – die Nationalmannschaft in Katar“. Die als Helden-Epos konzipierte Miniserie – von geplanten sechs auf vier Teile gestutzt, schließlich ist nach der Vorrunde Feierabend – gerät zur unfreiwilligen Satire.

Vor Turnierbeginn zaubert er zusammen mit dem Teampsychologen Hans-Dieter Hermann überlebensgroße Graugänse beim Flug in ihr Überwinterungsgebiet auf die Leinwand. Sie meistern Entfernungen von tausenden Kilometern nur deshalb, weil sie in der Gruppe fliegen. „Lasst uns von den Gänsen lernen und gemeinsam unseren großen Flug machen“, quäkt Hansi mit kieksender Stimme und schwäbischem Zungenschlag. „Lasst uns gegenseitig Aufwind geben.“ Seine Verunsicherung wirkt ansteckend. Der Absturz ist vorprogrammiert. Völler überlässt die Gänse Konrad Lorenz.

Fußball kann so einfach sein

Zwischen der Japan-Demütigung in der Wolfsburger VW-Arena und der erfolgreichen Wiederbelegung nach sportlichem Herzstillstand gegen Vize-Weltmeister Frankreich im Hexenkessel von Dortmund liegen gut 300 Kilometer, drei Tage und ein kompletter Reset. Hatte Ultra-Populist Mario Basler – berühmt für Disziplin und Einsatz am Weizenglas – noch die komplette Mannschaft zur Nulpentruppe erklärt, entdeckten die Stars von Arsenal, Bayern, Barcelona, Leverkusen und Madrid die Leichtigkeit der Spielfreude wieder.

Was in Flicks und Völlers Namen war passiert? Rudi Völler erklärt nach dem 2:1 mit 15 Minuten Power-Pressing der Extraklasse und 75 Minuten solider Vorwärtsverteidigung: „Was willst du groß machen beim Abschlusstraining?“ Ein paar einfache Dinge habe man trainiert, die Abwehr stabilisiert – und vor allem: Da war in Ansätzen „Die Mannschaft“ aus den Jahren 2006 bis 2014 zu erkennen, als Typen wie Lahm, Schweinsteiger und Klose um jeden Millimeter fighteten. Fußball kann so einfach sein.

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