Fragwürdige Kontrolle: Genossenschafts-Berater sitzt im Prüfverband

Weiden. Achter Tag im Prozess gegen die WohnSachWert eG. Es geht um Genossenschaften und wie fragwürdig diese kontrolliert werden. Immer einen Blick wert ist das Outfit der Angeklagten: Am Donnerstag glänzt die Vorständin mit einer Bluse in Champagnerfarben.

Der frühere Firmensitz am Morgen. Hier hatte die WSW Büros angemietet. Foto: Christine Ascherl

Im Mittelpunkt steht aber Frank-Peter E. (68). Der Berliner ist Gründer der WSW, die er 2012 unter dem Namen “Vigeo Erste Wohnbau” in Charlottenburg eintragen ließ. So wie mindestens 20 andere Genossenschaften: die Goldtresor eG, die Siebente Aurora eG, die WohnenFürAlle eG… Frank-Peter E. hat aus der Gründung und Weitergabe von Genossenschaften ein Geschäftsmodell entwickelt, von dem sich offenbar gut leben lässt.

Genossenschaftsgründer sitzt im Prüfverband

Er profitiert von einer Regelung, nach der eine Genossenschaft mindestens drei Jahre bestehen muss, ehe sie vermögenswirksame Leistungen einziehen kann. Arbeitgeber zahlen dann für ihren Arbeitnehmer maximal 40 Euro in eine Vermögensanlage nach dessen Wahl ein. Auf diese Weise soll die WSW laut Anklage 13,5 Millionen Euro eingesammelt haben.

Tina K. sei 2017 auf ihn zugekommen und habe gezielt nach einer mindestens drei Jahre alten Baugenossenschaft gefragt. Frank-Peter E. übertrug die Anteile nach Weiden. Der Berliner ließ sich für diese “Beratung” mit 12.000 bis 14.000 Euro bezahlen. Zusätzlich sei ein langfristiger Beratungsvertrag geschlossen worden. Nach der Höhe des Honorars wird er nicht gefragt.

Praktisch: Der Aufsichtsrat einer Genossenschaft wählt den Vorstand. Im Fall der WSW war die Ehefrau die Vorständin. Der Ehemann (54) war der Aufsichtsratsvorsitzende und der Sohn (30) der Aufsichtrat. “Warum nicht?”, fragt Evertz.

Berater ließ sich gut bezahlen

Kontrolliert das alles niemand? Doch. Jede Genossenschaft muss Mitglied in einem Prüfungsverband sein, der sie vor ihrem Start begutachtet. Diese Prüfungsverbände werden beaufsichtigt von den Wirt­schafts­ministerien der Länder.

Im Fall der WSW war dies der “Deutsch-Europäische Genossenschafts- und Prüfungsverband e.V. (DEGP)” in Dessau. Im Verbandsrat der DEGP sitzt – Überraschung! – Frank-Peter E. Vorsitzender Richter Peter Werner dazu: “Sie sind einerseits Genossenschaftsbeirat und beraten andererseits die Prüfenden?”

Ein Mitarbeiter der DEGP prüfte offenbar tatsächlich. Der Entwurf dieses Prüfberichts fiel verheerend aus. Kritisiert wurde, dass die vermögenswirskamen Leistungen nicht kapitalbildend (also für spätere Immobilien) verwendet wurden. Sondern für den Vertrieb. Ohnehin verstoße dieser erfolgsorientierte Vertrieb (Provision pro Mitglied) gegen das Vermögensanlagegesetz.

Rüge verschwindet aus Prüfbericht: Nachermittlungen

Diese Rüge findet sich in der Endfassung des Prüfberichts nicht mehr, sagt Evertz. Warum der Verstoß verschwand, dazu könne er keine Auskunft mehr geben. Der verantwortliche Prüfer soll jetzt von der Kripo nachvernommen werden, so Staatsanwalt Wolfgang Voit.

Versagt hat möglicherweise auch das Kontrollsystem durch die BaFin. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hatte überprüft, ob eine Prospektierungspflicht vorliegt. Nach Vorlage von Unterlagen meldete sich die BaFin nicht mehr. Laut Frank-Peter E. sei das durchaus üblich: “Es ist eine Eigenart der BaFin, dass Dinge einfach liegen gelassen werden.”

Nächste Zeugen: zwei Weidener Rechtsanwälte

Der nächste Prozesstag (Montag, 28. November) könnte – abseits der wöchentlichen Kleiderfrage – interessant werden. In den Zeugenstand müssen eine Rechtsanwältin und ein Rechtsanwalt aus Weiden. Sie haben die WSW rechtlich beraten. Die Vorständin hat der Kanzlei in den letzten Wochen viel Verantwortung zugeschoben. Sie habe sich auf deren anwaltlichen Rat verlassen.

Sieben Jahre: Urteil in Stuttgart nach Genossenschafts-Betrug

Die Rolle der Prüfverbände war schon einmal Thema in einem Betrugsprozess gegen einen Genossenschafts-Chef. Das Landgericht Stuttgart verurteilte 2019 den Gründer der insolventen Wohnungsgenossenschaft “Eventus”, Marco T., zu sieben Jahren Haft.

Der Finanzberater hatte von Anlegern fast zehn Millionen Euro eingesammelt, angeblich um damit Immobilien in deutschen Städten zu bauen, kaufen oder zu sanieren.

Laut dem Richter hat das Geschäftsmodell der 2012 gestarteten Genossenschaft aber nie funktioniert. Tatsächlich seien kaum Immobilien erworben worden, kein einziges Projekt habe Eventus erfolgreich durchgeführt. Zum Teil sei das Geld durch hohe Kosten aufgezehrt worden – etwa für Geschäftsräume oder aufwändige Werbung. Mehr als drei Millionen Euro habe T. zudem für private Zwecke entnommen. Eventus sei für ihn ein „Selbstbedienungsladen“ gewesen, mit dem er sich ein Leben im Luxus finanziert habe.

Die Anerkennung als Genossenschaft war laut dem Urteil der „Türöffner“. Die Stuttgarter Strafkammer krisierte den zuständigen Prüfverband, in diesem Fall den Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen, VBW. „Eventus hätte niemals an den Start gehen dürfen“, zitiert die “Stuttgarter Zeitung” den Richter.  

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