Ex-Freundin auf Motorhaube mitgenommen: Zwei Kilometer mit bis zu 70 km/h

Weiden/Tirschenreuth. Ein Sturzbetrunkener fuhr im August 2023 auf seine Ex-Partnerin zu. Sie rettete sich mit einem Sprung auf die Motorhaube. So ging die Fahrt zwei Kilometer mit bis zu 70 km/h. Jetzt stand der Mann vor Gericht.

20240507 Motorhaube Foto Martin Stangl
Ein gebürtiger Kasache mit deutschem Pass rastete mit fast drei Promille aus. Strafverteidiger Uwe Grabner, Vorsitzender Richter Hubert Windisch und Sachverständiger Dr. Thomas Hutterer im Gespräch während einer Verhandlungspause (von links). Bild: Martin Stangl

Die Beziehung zwischen dem 33-Jährigen aus dem vorderen Bayerischen Wald und einer Hausfrau aus dem Landkreis Tirschenreuth kann man am besten mit dem Wort “toxisch” bezeichnen. Kurz nach der Beendigung der Liaison rastete der Mann aus. Nur weil mehrere Schutzengel der Frau ihren Auftrag äußerst gewissenhaft nahmen, kommt die Frau lediglich mit Prellungen, aber mit massiven Angststörungen und vor allem mit dem Leben davon.

Toxische Beziehung endet vor Gericht

Staatsanwalt Andreas Falk musste mehrmals tief Luft holen, um die lange Liste der Vergehen, die dem Angeklagten zur Last gelegt wurden, vorzutragen. Das Beziehungsdrama erreichte kurz nach seinem Ende am 13. August 2023 seinen Höhepunkt. Schon am Nachmittag legte der Angeklagte die Grundlage für die Eskalation. Gegen 17.30 Uhr tankte der Mann nicht nur Benzin für sein Auto, sondern auch Alkohol für den Kopf. Ohne eine gültige Fahrerlaubnis – die wurde ihm wegen diverser Vergehen bereits entzogen – machte er sich zu seiner Ex in den Landkreis Tirschenreuth auf.

Immerhin 133 Kilometer, mit später hochgerechneten 3 Promille Alkohol im Blut. Dort soll er mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin, die ihn durch einen Sprung auf die Motorhaube am Weiterfahren hindern wollte, etwa 2 Kilometer aus der Ortschaft gefahren sein. Die Geschwindigkeit soll dabei extrem gefährliche 50 bis 70 Kilometer pro Stunde erreicht haben. Als er hielt, setzte es noch Schläge.

Tatvorwürfe der Staatsanwaltschaft

Staatsanwalt Andreas Falk leitete aus seiner Anklageschrift diverse Delikte wie Fahren ohne Fahrerlaubnis, Trunkenheit am Steuer, gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und gefährliche Körperverletzung ab. Als Nebenklägerin der ehemaligen Lebensgefährtin trat Rechtsanwältin Claudia Schenk (Regensburg) auf, die für ihre Mandantin einen Anspruch auf 8000 Euro Schmerzensgeld geltend machte.

Der gebürtige Kasache räumte über seinen Anwalt Uwe Grabner (Straubing) die Taten vollumfänglich ein. Konkret wurde es beim Alkoholkonsum: Es sollen am Tattag mehrere Biere und eine Flasche Wodka gewesen sein. Kennengelernt hat sich das Pärchen bei einem Therapieaufenthalt in einer entsprechenden Klinik, wo beide wegen Suchterkrankungen behandelt wurden.

Zeugen bestätigen Tatvorwurf

Ein als Zeuge vernommene Polizeibeamte bestätigte im Wesentlichen die Vorwürfe aus der Anklageschrift. Ein Nachbar und eine Tankstellenangestellte hatte am frühen Abend die Polizei über die schwere Alkoholisierung des Angeklagten und seine beabsichtigte Autofahrt informiert. Nachdem dieser aber bereits in die nördliche Oberpfalz unterwegs war, konnten die Beamten die Fahrt nicht unterbinden. Der Nachbar, der als Zeuge unumwunden zugab, selbst die Droge Cannabis “seit über 20 Jahren” zu konsumieren, versuchte den Angeklagten vom Gebrauch des Autos aufgrund seiner starken Alkoholisierung abzuhalten. Vergeblich.

Ex-Lebensgefährtin mit Panik

Erst als der Angeklagte per richterlichen Beschluss für die Dauer der Aussage der ehemaligen Lebensgefährtin aus der Verhandlung ausgeschlossen wurde, betrat diese den Gerichtssaal. Sehr gefasst berichtete sie über ihre Beziehung und insbesondere die Tatnacht. Noch heute leidet sie unter Panikattacken. Glaubwürdig berichtete sie über den Tathergang sowie die Schlägerattacken ihres ehemaligen Lebensgefährten. Sehr still wurde es, als ein weiterer Polizeibeamter, der unmittelbar am Tatort war, die dortige Aussage des Angeklagten wiederholte: “Ich weiß, dass jemand (in dieser Situation) sterben kann.” Nach Ansicht des Beamten hat der Angeklagte den Tod seiner Ex billigend in Kauf genommen.

Dr. Thomas Hutterer, Sachverständiger und Facharzt für Psychiatrie berichtete über die intensive Suchtkarriere des Angeklagten: Bier, Wein, Wodka, Cannabis, Speed, Amphetamin, Crystal, Ecstasy, Kokain, Heroin. Erstaunlich: Der Facharzt bescheinigte dem Mittdreißiger eine gute körperliche Konstitution, trotz extremem Suchtmittelmissbrauches. Er bejahte gegenüber dem Gericht die Anwendung des Paragrafen 21 StGB (verminderte Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt durch starke Alkoholisierung) und Paragraf 64 StGB (Unterbringung in einer Entziehungsanstalt).

Problematischer bisheriger Lebensweg

Vor den Plädoyers und dem Urteil blickt der Rechtsstaat auf die Persönlichkeit des Angeklagten. Und die ist bei dem mehrfach vorbestraften Mann relativ problematisch: kein Schulabschluss, abgebrochene Schreinerlehre und darüber hinaus zwölf strafrechtliche Vorgänge. Von Sachbeschädigung bis zu Körperverletzung, von Diebstahl bis zum Raub, vorsätzlicher Trunkenheit und Körperverletzung. Nichts und niemand war in der Vergangenheit vor dem Angeklagten sicher.

Etwa vier Wochen vor der nun verhandelten Tat, wurde er vom Landgericht Straubing zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten wegen diverser Straftaten verurteilt.

Zu weiterer Haftstrafe verurteilt

Staatsanwalt Andreas Falk sah die Vorwürfe in der Anklageschrift bestätigt und forderte in seinem Plädoyer drei Jahre Freiheitsstrafe. Strafverteidiger Uwe Grabner wollte aufgrund des Geständnisses und der Kooperation mit der Justiz eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren erreichen. Letztendlich verhängte das Gericht eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Zudem ordnete es die Unterbringung in einer therapeutischen Einrichtung an.

Außerdem wurden ihm seine Prozesskosten sowie die Prozesskosten seiner Ex-Lebensgefährtin auferlegt. Dieser muss er zusätzlich ein Schmerzensgeld von 4000 Euro bezahlen. Auf freien Fuß wurde er nicht gesetzt: Der Haftbefehl wurde aufrechterhalten. Zusätzlich muss er eine Freiheitsstrafe aus dem Straubinger Urteil antreten. Noch im Gerichtssaal wurde das Urteil rechtskräftig, weil alle Prozessbeteiligten auf Rechtsmittel verzichtete,

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