Jahn in Liga 3: Regensburg wacht gegen Dynamo sehr spät auf

Regensburg. Spitzenspiel stand drauf, Zitterspiel war drin: Der SSV Jahn kommt erst nach Rückstand in Fahrt und erzwingt gegen lange Zeit dominierende Dresdener in letzter Minute per Strafstoß eine Punkteteilung – ein Punkt, der Regensburg gerade noch einmal so Platz 2 rettet.

Knapp, aber drin: Christian Viet rettet mit seinem Elfer gegen Dynamo Dresden Jahn Regensburg Platz 2. Foto: jrh

Die Weisheit des Tages gibt nach dem Spiel Jahn-Retter Christian Viet zum Besten: „Gerade, wenn wir hinten lagen bei den letzten Spielen, waren wir extrem stark – so müssten wir von Anfang an spielen.“ Ja, Jungs, warum macht ihr das denn nicht?

Klar, man spielt immer nur so gut, wie es der Gegner zulässt. Und mit dem neuen Mut der aufkeimenden Verzweiflung nach der Trennung von Trainer Markus Anfang zeigt Dynamo Dresden zu Beginn des Spiels, warum die Sachsen lange Zeit die Liga dominierten.

Während beim SSV Jahn das meiste Stückwerk bleibt, kaum Spielzüge bis zum Strafraum gelingen, übernimmt Dynamo mit über 60 Prozent Ballbesitz, deutlich mehr gewonnenen Zweikämpfen und Torschüssen klar die Regie im Jahn-Stadion.

Neues Dynamo-Trio zeigt Wirkung

Man sieht: Das neue Trainertrio mit Heiko Scholz, Willi Weiße und Dynamo-Idol Ulf Kirsten hat den Gelb-Schwarzen nach zuletzt fünf sieglosen Spielen neue Zuversicht eingeflößt. Der Ball läuft bei den Gästen, sie spielen klarer, präziser, zielgerichteter – und technisch überzeugen die Dresdener auch bei schwierigen Pässen, etwa wenn sie selbst schwer zu kontrollierende, hohe Bälle an der Außenlinie im Spiel halten und gefährlich in die Box flanken.

Vieles erinnert in Halbzeit 1 an die strukturelle Unterlegenheit, die den Jahn schon in Ulm leer ausgehen ließ. Haarsträubende Fehler auf Oscar Schönfelders Seite, wo diesmal im Zusammenspiel auch Jahn-Kapitän Andi Geipl öfter als gewohnt patzt, sodass das Duo schnell erneut Gelb-verwarnt nur noch halbherzig zur Sache gehen kann.

Das neue Trainertrio mit Dynamo-Idol Ulf Kirsten, Heiko Scholz, und Willi Weiße. Foto: jrh

Nur Ballas ballert für den Jahn

Die einzig nennenswerte Torchance für die Oberpfälzer resultiert aus einem eigentlich verbockten Eckstoß, als Hinspiel-Torschütze Florian Ballas den zweiten Ball von der Strafraumkante direkt an die Latte donnert (31.). Der erneut weitgehend glücklose Noah Ganaus hat kurz darauf Glück, als er einen zunächst versprungenen Ball noch einmal serviert bekommt, aus spitzem Winkel aber nur eine Halbchance produziert (33.).

Dynamo hat zwar ebenfalls wenig klare Gelegenheiten, flankt aber immer wieder weitgehend ungestört ins Zentrum, wo Regensburg mit viel Fleiß und Mühe den Ball meistens irgendwie klären kann. Die besten Chancen vergeben Paul Will mit einem Freistoß aus 18 Metern fast zentral (38.) und Stefan Kutschke, der sich gegen zwei Regensburger durchsetzt und einen Kopfball um Zentimeter neben das linke Lattenkreuz setzt (45.+1).

Einzige Jahn-Chance in Hälfte 1: Florian Ballas ballert an die Dresdener Latte. Foto: jrh

Nichts gelernt aus dem Ulmer Schlamassel?

Die zweite Halbzeit beginnt im Gegensatz zur Wahrnehmung von Jahn-Trainer Joe Enochs wieder mit Chancen für die Gäste. Erst vergibt Robin Meißner nach Vorlage von Kutschke (47.). Doch als die beiden das Spielchen umdrehen, klingelt’s im Regensburger Kasten. Die Szene, die zum Tor führt, erinnert an die Entstehungsgeschichte des Rückstands von Ulm, als Scienza durch das gesamte Mittelfeld marschierte – daraus hatte man eigentlich die passenden Lehren ziehen wollen.

Enochs beschreibt die Fehlerkaskade treffend: „Dann bekommen wir durch einen Konter das Gegentor, wo wir eigentlich einen super Ballgewinn haben, geben den Ball schnell wieder ab und dann kommt es zu der Situation, wo wir vielleicht zu früh rausrücken und Kutschke in der Box verlieren – wenn du Kutschke in der Box verlierst, kassierst du Gegentore.“ Meißner flankt auf Kutschke, der köpft exakt ins rechte Eck, 0:1 (54.).

Stefan Kutschke feiert seinen Führungstreffer für Dresden in Regensburg. Foto: jrh

Die Saison droht zu entgleiten

Dynamo und sein lauter Anhang im ausverkauften Jahn-Stadion sind jetzt euphorisiert. Dem Jahn droht nicht nur das Spiel, sondern die gesamte Saison zu entgleiten. In den nächsten zehn Minuten versucht sich Regensburg hektisch gegen die drohende, zweite Spitzenspiel-Niederlage in Folge zu stemmen, während bei Fortuna Köln Verfolger Münster das Spiel dreht – aus 1:3 machen die Preußen peu à peu ein 5:3, rücken auf Platz 2 vor. Und Dresden sitzt, Stand jetzt, mit nur noch drei Punkten Rückstand und dem deutlich besseren Torverhältnis, den Oberpfälzern im Nacken.

Statt den Sack endgültig zuzumachen, tun die Gäste aber jetzt dem Jahn den Gefallen, sich zurückzuziehen und auf Zeit zu spielen. Statt die Entscheidung zu suchen, dribbeln die Sachsen lieber zur Eckfahne und bringen sich selbst aus dem Konzept. Und anders als in Ulm finden die Regensburger endlich den lange verloren geglaubten Faden wieder. Offensichtlich nützt es den Oberpfälzern, wenn sie den Kopf ausschalten und sich nicht in Selbstzweifeln verzetteln.

Hektische Ratlosigkeit auf der Jahn-Bank: Tüfteln hier Sportchef Achim Beierlorzer und Trainer Joe Enochs an der Zettelanweisung, die die Wende bringt? Foto: jrh

Bringt Joes Zettel die Wende?

Apropos Zettel: Mit der späten Einwechslung von Elias Huth kommt ein Zettel ins Spiel, der von Spieler zu Spieler durchgereicht wird. Enochs klärt auf: „Wir haben dann mit zwei Spitzen gespielt, haben auf Dreierkette gewechselt, wo Bene (Saller) als dritter Innenverteidiger agiert und Dome (Kother) ins Zentrum geht – die Präsenz von Elias in der Box ist halt unheimlich wichtig für uns.“ Und plötzlich erspielen sich auch die Rot-Weißen Chancen: Viet verpasst knapp (61.), Huth bringt die Sachsen-Abwehr ins Schwitzen (65.) und selbst Rasim Bulic boxt sich an der Grundlinie brachial bis zum Pfosten vor – Ganaus fehlt am Fünfer eine Schuhspitze (68.).

Dresden kommt nur noch zu seltenen Entlastungsangriffen, etwa durch Luca Herrmanns Distanzschuss aus 20 Metern (86.) und Kutschkes Solo in den Strafraum, wo er allein vor Felix Gebhardt schmerzgekrümmt nur noch einen Kullerball zustande bringt (87.). Und als kaum mehr jemand an ein Regensburger Teil-Happyend glaubt, lässt sich Ganaus zur Abwechslung den Ball nicht abnehmen, sondern wuselt so lange in der Box, bis Jakob Lewald ihm ohne Ballberührung in die Gräten grätscht – Bundesliga-Referee Matthias Jöllenbeck zeigt sofort auf den Punkt. Viet greift sich die Kugel, denkt nicht lange nach, nimmt kurz Anlauf und schiebt sie denkbar knapp an Kevin Brolls Pranken vorbei ins linke Eck, 1:1 (90.).

Christian Viet feiert mit den Jahn-Fans seinen Elfer zum 1:1 gegen Dresden. Foto: jrh

Letzte Schrecksekunde für die Jahn-Fans

Anschließend will Regensburg sogar noch mehr. Der eingewechselte Bryan Hein setzt sich auf der linken Seite gegen zwei Dresdener durch, zieht in die Mitte, hat aber anschließend nicht mehr die Power eines Scharfschützen (90 + 2). Noch ein langer Einwurf von der anderen Seite, Saller visiert Huth an, der den Kopf mit zu wenig Schmackes an die Kugel bringt (90 + 3).

Die letzte Schrecksekunde bleibt aber den Jahn-Fans vorbehalten: Saller foult Jonathan Meier in aussichtsreicher Position, 25 Meter, fast zentral: Flanke auf den Fünfer, Kutschke per Kopf drüber – wäre Abseits gewesen. Der Vorsprung auf Münster schmilzt damit auf ein Pünktchen. Aber immerhin: Regensburg bleibt Zweiter und Dresden auf 6-Punkte-Distanz.

Volles Jahn-Stadion mit toller Choreo vor dem Spitzenspiel gegen Dynamo Dresden. Foto: jrh
Volles Jahn-Stadion mit toller Choreo vor dem Spitzenspiel gegen Dynamo Dresden. Foto: jrh
Erst euphorisiert, dann frustriert; Dynamo-Fans nach dem Last-Minute-Gegentreffer. Foto: jrh
Erst euphorisiert, dann frustriert; Dynamo-Fans nach dem Last-Minute-Gegentreffer. Foto: jrh
Dynamos Paul Will echauffiert sich zu Unrecht über seine Gelbe Karte nach einer kleinen Tätlichkeit gegen Jahn-Spieler Alexander Bittroff. Foto: jrh
Dynamos Paul Will echauffiert sich zu Unrecht über seine Gelbe Karte nach einer kleinen Tätlichkeit gegen Jahn-Spieler Alexander Bittroff. Foto: jrh
Stefan Kutschke feiert seinen Führungstreffer für Dresden in Regensburg. Foto: jrh
Stefan Kutschke feiert seinen Führungstreffer für Dresden in Regensburg. Foto: jrh
Die Jahn-Ecken bringen gegen Dynamo nur überschaubare Gefahr. Foto: jrh
Die Jahn-Ecken bringen gegen Dynamo nur überschaubare Gefahr. Foto: jrh
A scheener Bua: Dynamo-Fan gefällt sich in Regensburg mit Kriegshelm. Foto: jrh
A scheener Bua: Dynamo-Fan gefällt sich in Regensburg mit Kriegshelm. Foto: jrh
Volles Jahn-Stadion mit toller Choreo vor dem Spitzenspiel gegen Dynamo Dresden. Foto: jrh
Erst euphorisiert, dann frustriert; Dynamo-Fans nach dem Last-Minute-Gegentreffer. Foto: jrh
Dynamos Paul Will echauffiert sich zu Unrecht über seine Gelbe Karte nach einer kleinen Tätlichkeit gegen Jahn-Spieler Alexander Bittroff. Foto: jrh
Stefan Kutschke feiert seinen Führungstreffer für Dresden in Regensburg. Foto: jrh
Die Jahn-Ecken bringen gegen Dynamo nur überschaubare Gefahr. Foto: jrh
A scheener Bua: Dynamo-Fan gefällt sich in Regensburg mit Kriegshelm. Foto: jrh

Stimmen zum Spiel

Jahn-Cheftrainer Joe Enochs: „Erste Halbzeit ausgeglichen, vielleicht hat Dresden ein bisschen mehr vom Ball, aber wenig Chancen auf beiden Seiten. Zweite Halbzeit haben wir gut begonnen, dann bekommen wir durch einen Konter das Gegentor, wo wir eigentlich einen super Ballgewinn haben, geben den Ball schnell wieder ab, und dann kommt es zu der Situation, wo wir vielleicht zu früh rausrücken und Kutschke in der Box verlieren – wenn du Kutschke in der Box verlierst, kassierst du Gegentore. Aber wie die Mannschaft zurückgekommen ist, ist schon überragend – dass wir wirklich sehr fit sind, dass wir immer mal wieder in die Tiefe laufen können. Es war nicht unser bestes Spiel, aber immer wieder diese Wucht am Ende. Es war extrem wichtig, dass wir zum Ausgleich kommen.

Hut ab vor Chrille, ich weiß nicht, ob ich mich getraut hätte, in so einer Situation zu schießen. Ich freue mich unheimlich. Ich glaube, Elfmeter haben wir am Donnerstag zusammen geschossen, er hat auch verschossen, ich zweimal. Dass er sich traut, den Ball nimmt, ihn ausguckt und, ja, den Ball reinmacht, weil Broll ein Eilmeterkiller ist. Wir schauen nur auf uns. Wir (Münster und Jahn) haben beide noch drei Spiele, das nächste Spiel ist in Freiburg, eine richtig gute Mannschaft spielerisch, da müssen wir alles raushauen, wenn wir dort was mitnehmen wollen.“ 

Jahn-Schütze Christian Viet: „Dadurch, dass wir hinten lagen und so zurückkommen – am Ende bin ich der Meinung, wäre noch mehr drin gewesen – aber dass wir das Tor machen, war wichtig. Gerade, wenn wir hinten lagen die letzten Spielen, waren wir extrem stark, so müssten wir von Anfang an spielen. Wir kriegen unglücklich ein Tor, Dynamo ist ein Spitzenteam, es war von Anfang an klar, dass das ein schweres Spiel wird.

Ich war mir sicher, dass ich den mache. Ich trainiere im Training ab und zu mit Joky, er ist relativ spät gesprungen, da war das ganze Eck noch auf. Wir müssen halt jetzt einfach unsere Aufgaben machen, und dann sieht man am Ende, ob es gereicht hat.“

Dynamo-Interimstrainer Heiko Scholz: „Klar ist man enttäuscht, wenn man in der 89. Minute einen Elfmeter gegen sich kriegt. Ich glaube, wir haben ein sehr gutes Auswärtsspiel gemacht. In der zweiten Halbzeit haben wir es verpasst, die Konter auszuspielen, und Regensburg kann dann so viel Druck entfachen, das ist dann ganz schwierig zu verteidigen. Wir haben ein paar Gelegenheiten gehabt, nicht viele, wo man mal 3 gegen 2 ausspielen kann. Aber trotzdem muss ich sagen, das war heute eine sehr gute Leistung von den Jungs.

Kutschke war wichtig, ich glaube, wir haben auch als Doppelspitze sehr gut funktioniert. Vor dem Elfer hat der Stürmer das auch gut gemacht, dass er nochmal rankommt, da kann man Lewald keinen Vorwurf machen. Die haben 90 Minuten gerackert, da passieren solche Fehler. Wir gucken von Spiel zu Spiel, wir haben jetzt noch zu Hause Verl, dann in Haching, zu Hause gegen Duisburg. Wir brauchen gar nicht geknickt nach Hause fahren, es war mehr drin, aber wir haben gegen einen guten Gegner sehr gut mitgehalten.“

Dynamo-Assistant Robin Meißner: „Es fühlt sich extrem beschissen gerade an, auch wenn wir irgendwie einen Punkt geholt haben. Es ist einfach so ein Schlag in die Fresse, am Ende jetzt nicht mit drei Punkten dazustehen. Hinten raus war viel verteidigen, da passiert’s dann mal, dass man so einen Elfmeter kriegt.

Von einer Hoffnung zu sprechen, ist gerade zu viel verlangt. Wir müssen das Ganze erst mal ein paar Tage sacken lassen. Wenn’s irgendetwas Positives aus dem Spiel zu ziehen gibt, dann müssen wir das mitnehmen für die nächsten drei Spiele, aber jetzt gerade ist es brutal schwer.“

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