Jahn in Liga 3: Absteiger Freiburg nutzt Regensburgs Totalblockade
Freiburg. Ist der Ruf erst ruiniert, blamiert man sich völlig ungeniert: Nachdem sich der SSV Jahn tatsächlich als Tabellenzweiter beim abgestiegenen Schlusslicht SC Freiburg II die Aufstiegspunkte abnehmen lässt, helfen jetzt nur noch Mut und Wut der Verzweiflung.
Wenn man glaubt, es geht nicht peinlicher, straft einen der SSV Jahn Lügen. Regensburg war gewarnt, der Freiburger Talentschuppen hatte bereits Dresden und Ulm vor erhebliche Probleme gestellt. Und dennoch: Wenn man drei Spieltage vor Schluss als Tabellenzweiter zum abgestiegenen Schlusslicht fährt, erwartet man einfach einen mentalen Maori-Kriegstanz auf dem Platz.
Anstelle eines furchteinflößenden Haka bekamen es die Freiburger zunächst mit einem lauen Alibi-Pressing der Regensburger zu tun – weit weg vom Gegner, immer ein wenig zu spät, immer ein wenig deplatziert, sodass sich der technisch versierte Bundesliga-Nachwuchs aus dem Breisgau mühelos freispielen kann und mehr Gefahr ausstrahlt als die auf dem Papier favorisierten Regensburger.
- Ausgerechnet Kapitän Andi Geipl, Regensburgs Stabilitätsgarantie der vergangenen Monate, verdaddelt die Kugel im Mittelfeld an Hamadi Al Ghaddioui, der reicht weiter zu Luca Marino – anstatt abzuziehen, versucht er querzulegen. Die folgende Ecke setzt Serge Müller links am Pfosten vorbei (9.).
- Lukas Ambros hat viel Grün vor sich, ist schon im Strafraum, vergisst dann aber den Abschluss (18.).
- Oscar Schönfelder lässt an der Strafraumkante Al Ghaddioui auflaufen, Schiedsrichter Timo Gansloweit lässt weiterlaufen (28.).
Alexander Lungwitz: „Einfach draufhauen“
Die logische Folge: Einer dieser nicht gerade unverteidigbaren Konter der Freiburger zappelt nach einer halben Stunde im Regensburger Netz. Erneut macht Ambros auf Bene Sallers linker Abwehrseite die Kugel im 16er fest, legt zurück auf Alexander Lungwitz, der die Szene nach dem Spiel beschreibt: „Manchmal ist es einfacher draufzuhauen, anstatt groß darüber nachzudenken, und der Ball fliegt irgendwie rein.“
So einfach geht Toreschießen inzwischen gegen die einst beste Defensive der Liga, 1:0 (37.). Ist das endlich der „Hallo, wach!“-Moment der aufstiegswilligen Oberpfälzer? Von wegen! Der Rückstand lähmt die Gäste jetzt noch mehr, hektische Abschlüsse Richtung Dreisamstadiondach und Stockfehler sind die Reaktion.
Joe Enochs: „Andere Körpersprache“
Nach der Pause schüttelt sich der vermeintliche Favorit endlich die lähmende Angst aus den Trikots: „Zweite Halbzeit kommen wir raus“, beschreibt Jahn-Trainer Joe Enochs die ersten 20 Minuten nach Wiederanpfiff, „haben zweimal gewechselt, haben eine andere Körpersprache, man sieht, dass wir besser im Spiel sind. Über einen dieser 12 Eckbälle kommen wir zum Ausgleich.“ Weil Dominik Kother nach Auswechslung des gelb-vorbestraften Geipl das Ecken-Schießen übernimmt, klappt es auch plötzlich mit dem Standard von links: Christian Viet köpft vom Fünfer ins linke Eck, 1:1 (59.).
Jetzt stehen die Zeichen auf Jahn-Sturm: Freiburg zieht sich zurück, wälzt sich gerne lange am Boden, wenn sich die Gelegenheit ergibt, Regensburg ist drauf und dran, das Spiel zu drehen.
- Nächste Ecke von Kother, Louis Breunig nur noch mit dem Scheitel am Ball, zweiter Versuch von Schönfelder, weit über den Kasten (62.).
- Nach Foul an Kother bringt der den fälligen Freistoß selbst in die Mitte. Breunig köpft links vorbei (69.).
Felix Gebhardt: „Ein gefühltes 2 gegen 5“
„Genau, als wir am Drücker sind, bekommen wir das 2:1“, sagt Enochs seufzend, „das wir definitiv besser verteidigen können.“ Langer Ball von SC-Keeper Niklas Sauter auf den eingewechselten Johan Manzambi, der sich wie bei einem Pausenhofspielchen zwei Minuten lang zu verdribbeln scheint, dann Alexander Bittroff verlädt, abzieht und die Kugel ins rechte untere Eck schlenzt, 2:1 (77.). Aus Sicht des entnervten Jahn-Torwarts Felix Gebhardt: „Wir sind immer da, aber auch irgendwie nicht da, es ist ein gefühltes 2 gegen 5, wir gewinnen da schon eigentlich den Ball, mit dem Gegner zum Rücken machen wir die innere Linie auf, und er schließt gut ab.“
Anschließend bringt Regensburg kaum mehr etwas zustande. „Danach war es schon wild“, gibt Enochs zu. „Wir haben versucht, alles nach vorne zu werfen, da entstehen Räume – das 3:1 ist die Folge.“ Manzambi auf Yann Sturm, der Marino bedient – von der Strafraumkante halbrechts versenkt der die Kugel links unten, 3:1 (88.). Enochs bietet in Hälfte zwei alles auf, was die Jahn-Bank zu bieten hat, aber außer die jugendliche Unbekümmertheit von Max Meyer und Jonas Bauer, der sichtbare Wille von Elias Huth und Robin Ziegeles Entschlossenheit springen dabei nicht heraus.
Gebhardt: „Fighten, als wäre es das letzte Spiel im Leben“
„Woran hat et jelegen?“, fragt in einem gestellten Kult-Interview Borussia Mönchengladbachs Stadionsprecher Torsten Knippertz so oft, bis jeder weiß: Der Fußballer an sich weiß es meistens nicht. Muss er auch nicht, er soll Fußballspielen. Und wie sich Regensburg nach diesem Totalausfall selbst am Schopf aus dem Sumpf ziehen soll, beschreibt Regensburgs U23-Nationalkeeper.
„Jeder muss sich jetzt einfach bewusst sein, was wir für eine Chance haben“, fordert Gebhardt, „jeder muss vorangehen, Verantwortung übernehmen, keiner darf sich mehr verstecken, in jedem Training, da muss jetzt gefightet werden, als wär es der letzte Spieltag, als wäre es das letzte Spiel im Leben. Und dann werden wir alles daransetzen, dass wir trotzdem noch die Saison erfolgreich abschließen.“
Jahn braucht das Drama: Gegen Mersads Rostock?
Dass das am kommenden Samstag, 14 Uhr, bei Viktoria Köln nicht leichter wird, wissen alle Beteiligten. Aber immerhin haben sich auch Dresden (0:1 gegen Verl) und Essen (0:2 in Sandhausen) gnädig gezeigt und halten weiterhin höflich Abstand. Wenn sich daran jetzt auch noch Preußen Münster am morgigen Sonntag in Saarbrücken hält, hätten die Oberpfälzer für den Moment mehr Glück als Fußballvermögen.
Die Rechnung ist einfach: zwei Siege und zumindest Relegationsplatz 3 – womöglich gegen Mersad Selimbegovic‘ Rostocker – wäre sicher. Und eines ist ja auch klar. Der Jahn kann nicht einfach, er braucht das Drama. Wie bei den Aufstiegskrimis gegen Karlsruhe und 1860. Wenn’s nicht anders geht, müssen wir eben auch da noch durch.
Stimmen zur Jahn-Pleite
SSV-Coach Joe Enochs: „Erstmal, Freiburg hat verdient gewonnen. Wir haben eine erste Halbzeit gespielt, die … nicht unsere beste war. Wir lagen zurecht 0:1 zurück. Zweite Halbzeit kamen wir raus, haben zweimal gewechselt, haben eine andere Körpersprache, man sah, dass wir besser im Spiel waren. Über einen dieser 12 Eckbälle kommen wir zum Ausgleich. Genau, als wir am Drücker sind, bekommen wir das 2:1, das wir definitiv besser verteidigen können. Danach war es schon wild, wir haben versucht, alles nach vorne zu werfen, da entstehen Räume, das 3:1 ist die Folge.
Wir stehen gemeinsam mit der Mannschaft da, weil wir einfach zusammenhalten. Was wir in der Kabine angesprochen haben, ist eher im taktischen Bereich, wie wir besser verteidigen, den Gegner unter Druck setzen und auch besser rausspielen. Das ist angekommen bei der Mannschaft, und sie hat es in der zweiten Halbzeit am Anfang besser gemacht. Das liegt nicht nur an den Wechseln, sondern allgemein an der Körpersprache. Aber natürlich, wenn man dann halt das 2:1 bekommt, wo wir selber Druck machen, dann ist es schwer, so ein Spiel zu gewinnen. Wir haben das ganze Jahr Höhen und Tiefen gehabt, allein in diesem Spiel haben wir drei, vier Höhen und Tiefen, und das ist halt dieser Druck, mit dem wir immer leben müssen.
Köln ist eine sehr gute Mannschaft, gerade den Trainer schätze ich sehr. Deshalb gilt es, bei uns zu bleiben. Natürlich sprechen wir unsere Fehler an, und die Sachen, die gut waren. Aber das bleibt bei uns intern, ich werde keinen öffentlich zerreißen, die Jungs haben mir in der Saison so viel gegeben. Die letzten beiden Spiele werden wir alles reißen, was wir können. Wir werden die Köpfe zusammenstecken auf der Busfahrt zurück und werden alles überlegen, was wir der Mannschaft geben können, um diese Blockade zu lösen.“
Jahn-Keeper Felix Gebhardt: „Um ehrlich zu sein, komplett leer, keine Ahnung, was da los war. Wir haben es einfach nicht so in den Griff bekommen, wie wir eigentlich wollten, sind nicht so in die Pressingmomente gekommen, wie wir uns das vorgenommen haben. Ich glaube, dass jedes Spiel in der Dritten LIga sehr hart war, dass wir immer fighten, immer an unser Limit gehen mussten. Wenn man gestern das Abschlusstraining anschaut, dann hatte ich ein super Gefühl, heute Morgen auch ein super Gefühl, die Mannschaft war gut drauf, deshalb ein bisschen unerklärlich das alles.
Wir haben uns in der Halbzeit gesagt, wir haben jetzt nichts mehr zu verlieren, wir können all in gehen, kommen sehr gut aus der Pause raus, machen den Ausgleich. in der zweiten Halbzeit sind wir eventuell etwas näher am Führungstreffer, kriegen aus dem Nichts durch einen langen Ball das 2:1 – und ja, haben uns nochmal probiert aufzuraffen, aber das war schon ein Genickbruch.“
SC-Torschütze Alexander Lungwitz: „Wir sind gut ins Spiel reingekommen, haben einige Torchancen herausgespielt, wir haben heute den Gegner gut laufen lassen. Wir wollen einfach jetzt Charakter zeigen, klar, wir sind abgestiegen, aber für uns ist ganz wichtig, dass wir jetzt nochmal gute Leistungen abrufen. Das war jetzt davor auch nicht groß verklemmt, wir haben immer daran geglaubt bis zum letzten Tag. Klar, es ist super traurig, dass wir runtergehen, aber wir versuchen jetzt den Fans und dem Verein nochmal alles zurückzugeben, und das hat heute gut geklappt.
Ich habe Regensburg ein bisschen wuchtiger erwartet, aber trotzdem, die haben super Qualität, die Spieler sind super. Wir haben es heute vielleicht gut gemacht, super gespielt, und dann wird’s auch schwierig, Druck draufzukriegen, deshalb haben wir vielleicht auch den Sieg gezogen. An anderen Tagen kann es vielleicht anders ausgehen, aber heute waren wir einfach besser.“
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