Jesus aus Nippeln und ein viraler Hit

Weiden. "Überall Nippel!", tönt es aus dem Kunstverein Weiden. Es laufen die Proben zu "Nipple Jesus" vom Landestheater Oberpfalz (LTO). Regisseur ist Marcus Hinterberger, der nebenbei auch Songs schreibt, die viral gehen.

Der Kunstverein Weiden wird vom Ausstellungsraum zur Theaterbühne. Bild: Beate Luber

“Du musst noch mehr am Boden sein, als du eh schon bist!” Zwischen einer Zwiebel auf einem Podest und einem Müllhaufen steht Artur Hieb und schaut starr auf den Boden. Ein Mann sitzt ihm gegenüber und redet auf ihn ein: “Reiß dich zusammen!” Artur Hieb hebt plötzlich die Hände in die Höhe und schreit: “Wer hat das getan!” Er rennt raus.

Wir befinden uns im Kunstverein in Weiden. Seit Tagen wütet Artur Hieb durch die Ausstellungsräume, brüllt “Große Nippel, kleine Nippel!”, reißt Fenster auf und schreit hinaus. Jetzt ist aber erstmal Pause. Er trinkt was, und verzieht sich in einem Nebenraum, aus dem er bis zum Fototermin nicht mehr herauskommt. Verständlich, er muss sich ausruhen.

Collage aus weiblichen Brustwarzen

Artur Hieb ist Schauspieler. Der Mann, der ihn angeheizt hat, ist Jung-Regisseur Marcus Hinterberger. In der Theaterarbeit nennt man das “Impulse setzen.” Die beiden proben das Stück “Nipple Jesus” für das Landestheater Oberpfalz (LTO).

Schauspieler Artur Hieb, Regisseur Marcus Hinterberger (rechts) mit Requisiten. Bild: Beate Luber

Die Proben sind sehr intensiv, das merkt schon nach ein paar Minuten. Es ist ein Ein-Personen-Stück, Hieb spielt den Museumwärter Dave. “Der Schauspieler hat keinen Anspielpartner, er ist die ganze Zeit allein gefordert”, erklärt Regisseur Hinterberger. Sie diskutieren über das Stück, was die Kunstwelt aus Protagonist Dave macht, wie er darauf reagiert. Dann werden die Szenen wiederholt, immer und immer wieder.

Das Theaterstück heißt “Nipple Jesus”. Es ist der Name eines Kunstwerks, das den gekreuzigten Jesus zeigt. Das Bild ist jedoch eine Collage aus weiblichen Brustwarzen, die aus Pornoheften ausgeschnitten wurden. Museumswärter Dave muss das Bild bewachen und findet es zuerst eklig. Dann lernt er die Künstlerin kennen und fängt an, das Bild vor empörten Besuchern zu verteidigen. Doch das Bild fällt einem Anschlag zum Opfer und es wird erst recht turbulent.

Was darf Kunst?

Spielort ist der Kunstverein Weiden, in der gerade eine Mitgliederausstellung läuft. Das passt sehr gut, denn auch das Stück spielt durchgehend in einem Museum. “Ich finde so eine Kunstgalerie im ländlichen Raum total interessant”, sagt Regisseur Marcus Hinterberger (21 Jahre). “Vor allem, weil es eben kein High-Society-Museum ist.”

Regisseur Marcus Hinterberger (links) inszeniert “Nipple Jesus” im Kunstverein Weiden als seine Abschlussarbeit an der Passauer “Athanor Akademie”. Unterstützt wird er dabei von seinem Dozenten Florian von Hoermann. LTO-Pressesprecherin Verena Piehler weiß noch nicht, wann das Stück öffentlich gezeigt werden kann. Doch im Hintergrund wird alles vorbereitet. Bild: Beate Luber

Das Stück, basierend auf einer Geschichte des britischen Schriftstellers Nick Hornby, bezieht sich auf ein echtes Kunstwerk namens “Piss Christ”. Der amerikanische Künstler Andres Serrano hat ein Plastikkruzifix in einen Tank mit Urin eingelegt. Rund um die Ausstellungen des umstrittenen Werkes kommt es immer wieder zu Demonstrationen und zu Angriffen auf das Bild selbst.

“Nippel!”

Das Stück “Nipple Jesus” wirft die Frage auf, was moderne Kunst darf und was nicht, und setzt sich kritisch mit der Kunstwelt auseinander. Deshalb ist Weidens Kunstverein-Vorsitzender Wolfgang Herzer glücklich über die Kooperation mit dem Landestheater, auch wenn es, wie er zugibt, etwas schwer falle zu arbeiten, wenn nebenan jemand unablässig “Nippel!” brüllt. Außerdem passe das Stück sehr gut zu vergangenen “Adhibet”-Schau im Kunstverein, die Nippelkunst ausstellte.

Das Team diskutiert das Stück. Bild: Beate Luber

Jung-Regisseur und viraler Hitschreiber

Das Landestheater Oberpfalz hat Jung-Regisseur Marcus Hinterberger beauftragt, das Stück zu inszenieren. Es ist seine Abschlussarbeit an der Passauer “Athanor Akademie”, wo er seit vier Jahren Regie studiert. Sein Dozent Florian von Hoermann begleitet ihn bei den Proben nach Weiden, diskutiert mit und “setzt Impulse”.

Geboren ist Hinterberger im Skiort Saalbach-Hinterglemm. Der junge Österreicher hat auch schon im Musikbusiness Karriere gemacht. Mitten im Herbst des Corona-Jahres 2020 veröffentlichte er den “Ischgl-Blues”, in dem er sich über den Tiroler Skiort und besonders die Seilbahn-Betreiber lustig machte. Der Song ging viral, es gab wütende Post von Österreichs Seilbahn-Betreibern und Tourismus-Chefs, Liedermacher Hans Söllner teilte den Song. Hinterberger hat inzwischen gleich nachgelegt, mit einem “Ibiza-Lied”.

Bald sind die Proben zu “Nipple Jesus” abgeschlossen, doch wann das Stück öffentlich gezeigt werden kann, ist noch unklar. Gerade liegen alle Stücke des LTO auf Eis. Doch im Hintergrund wird kräftig geprobt. “Wir machen im Hintergrund alle Stücke soweit fertig, dass wir dann starten können”, erklärt Pressesprecherin Verena Piehler. Früher oder später wird also Artur Hieb auch vor Publikum “Nippel!” durch den Kunstverein Weiden schreien dürfen.

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